Letzteres machte das Porsche Museum und lag mit dieser Strategie goldrichtig, war das Beste doch ein seltener Ur-911er. Und genau der fehlte noch in der Sammlung.
Helmuth Bott war kein sonderlich emotionaler Mensch. Und dennoch stellt sich heute, rückblickend, die Frage: Ist das noch Prosa oder schon Poesie? Am Freitag, den 9. November 1962, notiert er sich kurz und nüchtern: „Sichtverhältnisse und Sitzposition sind gut. Das Fahrzeug ist handlich und hat den Charakter des sportlichen Wagens voll beibehalten.“ Mit diesen Worten beschreibt der Leiter der Abteilung Porsche Fahrversuch die erste Ausfahrt im Porsche 901, jenem legendären Auto, das kurze Zeit später als 911er den Sportwagenbau der Marke definieren sollte – bis heute.
„Genau so einer hat uns noch gefehlt“
Jetzt, mehr als fünfzig Jahre später, steht wieder ein Porsche 901 in der Werkstatt des Museums in Zuffenhausen. Es ist der Wagen mit der Fahrzeugnummer 57. Sein Zustand? Prosaisch ausgedrückt: Sichtverhältnisse und Sitzposition sind schlecht. Das Fahrzeug ist zwar nach wie vor handlich, der Charakter des sportlichen Wagens ist in einer Garage aber komplett verlorengegangen. Außerdem fehlt eine Tür.
Doch die Poesie liegt im Auge des Betrachters. Denn für Achim Stejskal, Leiter des Porsche Museums, ist dieser 901 weit mehr als nur eine weitere Nummer im Bestand: „Genau so einer hat uns noch gefehlt“, sagt er. »Damit haben wir alle wichtigen Serienfahrzeuge von Porsche komplett.“ Im ersten Modelljahr wurden 235 Elfer gebaut, von denen die ersten 82 Exemplare noch unter der Typenbezeichnung 901 produziert wurden, anschließend änderte sich das zu jener Nummer, die heute weltweit als Synonym für den Sportwagen aus Zuffenhausen steht: 911.
Dass die verbliebenen Exemplare der 901-Serie rar sind, leuchtet ein. Dass sie in einer Garage vor sich hin verrotten, bedarf dann aber doch einer Erklärung. Und die liefert die klassische Prosa: Ein Porsche Liebhaber kauft sich das Auto vor vielen Jahren aus erster Hand, fährt zunächst auch gern und viel, heiratet, bekommt ein paar Kinder, der Porsche wird zu klein und rutscht in der Garage immer weiter nach hinten. Irgendwann packt den Liebhaber der Ehrgeiz und er kauft einen alten 911er hinzu, dann beginnt er damit, die Autos zu restaurieren. Er wird nie fertig damit.
Seriennummer, Fahrzeugbrief und Originalmotor sind vorhanden
Stattdessen wird über einen Tipp ein Fernsehsender aufmerksam, schickt ein Team, und das weiß sofort Bescheid: „Bei einem alten Porsche werden wir immer neugierig“, sagt der Moderator Otto Schulte, „dass es sich um ein solch rares Exemplar handelt, konnten wir natürlich nicht sofort erkennen, aber nach kurzer Recherche war klar, dass der Wagen selbst in diesem Zustand noch sehr viel Wert besitzt.“ Ein Anruf beim Porsche Museum genügt. Seriennummer, Fahrzeugbrief und Originalmotor sind vorhanden, und kurz darauf kehrt der Wagen zurück nach Zuffenhausen.
„Wir setzen uns keinen Zeitdruck für die Restauration“, sagt Stejskal. Ein bis zwei Jahre plant er mal grob ein, schließlich soll viel Wert auf Details gelegt werden. Der Aufkleber des Polizei-Sport-Vereins Berlin soll nämlich auch erhalten bleiben. Der stammt noch vom Erstbesitzer und leistete dem späteren Besitzer über die Jahre hinweg gute Dienste. „Ich konnte den Wagen abstellen, wo ich wollte“, sagt er lachend, „es gab nie einen Strafzettel, selbst wenn alle anderen Autos einen Zettel an der Scheibe kleben hatten.“ Dass er den Wagen am Ende in einer Garage abstellte, ist dann wohl eher das tragische Element dieser Geschichte – mit Happy End, versteht sich.
Info
Erstmalig erschienen im Magazin „rampclassics“ Ausgabe 4
Text & Fotos: Matthias Mederer