Diese Geschichte hat einen Bart. Ohne geht das nun mal nicht, wenn man sich mit Fahrzeugschlüsseln befasst. Oder doch? Porsche-Schlüssel schmeicheln den Händen, sind von der Form her kleine Sportwagenskulpturen, aber der Bart des Schlüssels, der ist ab. Nun ja, nicht ganz. Verborgen im Inneren des Porsche en miniature ist das Metallstück mit ein paar Handgriffen zu befreien. Zur Not lässt sich damit die Fahrertür ohne Knopfdruck, Funk und Batterie auch öffnen. Das ist neben dem Starten die wichtigste aller Funktionen, vor allem hat dieser Vorgang auch einen hohen symbolischen Wert, der Begriff der Schlüsselgewalt findet sich schon in der Antike. Hier aber geht es um den Porsche-Schlüssel der Moderne, und auf den passt ein anderes Wort noch viel besser: Schlüssel-Erlebnis.

Viel Liebe zum Detail

Schon der korrekte Titel von Sascha Kissner zeugt davon, dass es um mehr als das Türöffnen geht: Leiter Entwicklung Elektrik/Elektronik Karosserie Sicherheitssysteme. Auf dem Schreibtisch des Experten liegt der Schlüssel für einen Elfer, und man erkennt, dass nicht nur die Silhouette der Baureihe nachgebildet wurde, sondern auch, dass es sich um ein Cabriolet handelt. So viel Liebe zum Detail ist Porsche wichtig, und den Kunden auch. „Schließlich ist der Schlüssel das einzige Bauteil an ihrem Auto, das sie jeden Tag in der Hand haben“, sagt Sascha Kissner.

Deshalb setzen sich die Ingenieure bei der Entwicklung einer neuen Schlüsselgeneration immer wieder auch mit den Designern auseinander. Nach drei bis vier Jahren ist das Resultat dann außen wie innen vorzeigbar. Möglichst flach, möglichst kompakt soll der Schlüssel sein. Mit einer Grundfläche von circa 80 mal 33 Millimetern ist derzeit das Optimum erreicht. Zum einen muss die Batterie untergebracht werden, zum anderen gilt für die Sendefunktionen: je größer die Antenne, desto besser.

Wunderwerk auf engstem Raum

Entscheidend für das, was ein Schlüssel heute kann, sind die Platinen auf der flexiblen Leiterplatte. Es ist ein wahres Wunderwerk auf engstem Raum. Schon das Öffnen des Cabrio-Verdecks oder die Entriegelung des Kofferraums und der Türen aus der Ferne zeugt von einer störungsfreien Kommunikation zwischen dem Datenspeicher im Schlüssel und den Steuergeräten im Fahrzeug, so werden auch die Memoryfunktionen für die Sitzeinstellung aktiviert. „Der Schlüssel wird angelernt“, heißt das im Expertenjargon, er ist damit Sender und Empfänger zugleich. Diese per Funkwellen übertragenen Funktionen sind mit modernen, kryptologischen Verfahren verschlüsselt, das ist der Standard. Beim System Porsche Entry & Drive ist die aktive Benutzung des Wagenschlüssels noch weiter reduziert. Er kann in der Tasche bleiben, denn beim Berühren des Türgriffs wird ein im Schlüssel gespeicherter Zugangscode abgefragt, der die Tür entriegelt. 

 

Striptease eines Porsche-Schlüssels, 2014, Porsche AG
Flexible Leiterplatte eines aktuellen Porsche-Schlüssels

Gestartet wird das Fahrzeug dann Porsche-typisch über eine Drehbewegung links vom Lenkrad, so wird der Motor auch wieder ausgemacht. Per Knopf an der Außenseite des Türgriffs (oder per Sensor beim Macan) wird das Fahrzeug wieder verriegelt. Bedienerfreundlich muss der Schlüssel sein, was sich schon in der Haptik ausdrückt. Die Tasten an der Oberfläche sind so gestaltet, dass man tief drücken muss, damit eine Funk­tion ausgelöst wird – das verhindert ein Öffnen aus Versehen, wenn der Schlüssel in der Hosentasche steckt. Ganz entscheidend ist aber auch die Stabilität. 

Jeder Schlüssel ist ein Unikat

Auch in einer anderen Frage wird nicht der kleinste Kompromiss geduldet: Jeder Porsche-Schlüssel muss das Höchstmaß an Diebstahlschutz bieten, weshalb jeder Schlüssel ein Unikat ist. Es gibt neben den Ersatzschlüsseln (bis zu sieben sind pro Fahrzeug möglich) keinen anderen, der gleich ist. „Ein Schlüssel steht für die Identität des Fahrzeugs, und das ist das Wichtigste für einen Besitzer“, sagt Sascha Kissner, „das ist vergleichbar mit dem Schlüssel für das eigene Haus.“ Bei aller Komplexität des elektronischen Innenlebens gibt es eine Faustregel: „Je weniger Schnittstellen, desto schwieriger ist die Überwindbarkeit.“ Das Wort „unmöglich“ würden Techniker nie gebrauchen für die modernen Sicherheitssysteme und Wegfahrsperren, aber es kommt dem schon sehr nahe. 

Ein erfolgreicher „Angriff“ über die Elektronik sei ihnen nicht bekannt. Der letzte Fahrzeugschlüssel der Elfer-Baureihe 997 markiert auch eine rasant fortschreitende Evolution bei der Verschlüsselung. An klassisches Kurzschließen, wie in manchen Gangsterfilmen immer noch zu sehen, ist längst nicht mehr zu denken. Verliert jemand seinen Schlüssel, wird beim Ersatz im Porsche-Zentrum via Datenbank auch gleich geregelt, dass der verlorene nicht mehr funktioniert.

Mobiltelefon ist kein Ersatz

Trotz der voranschreitenden digitalen Technik, die auch den Fahrzeugschlüsseln immer neue Möglichkeiten bietet, halten Sascha Kissner und seine Kollegen den Schlüssel als solchen für unverzichtbar. Technisch wäre eine Steuerung über ein Mobiltelefon natürlich möglich. Aber selbst wenn die Sicherheitsbedenken gelöst werden könnten, bliebe da noch ein großes Problem. „Die meisten Menschen wechseln alle zwei Jahre oder sogar noch häufiger ihr Telefon“, sagt Kissner, „aber ein Schlüssel soll ein ganzes Fahrzeug­leben halten.“ 

Ein bisschen stolz aber sind die Ingenieure schon, dass neulich eine Art Nachbau ihrer Schlüsselhülle in Fernost auftauchte – im Format eines Handys. Aber damit kann man wirklich nur telefonieren, keinen Porsche starten.

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