Spyder trifft Spyder

Auch wenn zwischen Boxster Spyder und 550 Spyder 60 Jahre liegen, verbindet sie eines: Sie sind puristische Fahrmaschinen. Davon konnte sich Werksfahrer Mark Webber in England überzeugen.

Mark Webber grinst. „Wow, er sieht aus wie der jüngere Bruder des Carrera GT“, sagt der Porsche-Werksfahrer, als er den Boxster Spyder umrundet. Gleich auf den ersten Blick erkennt er die zusätzlichen Spoiler, das neue Heck und das tiefergelegte Sportfahrwerk. Er weiß um den 276 kW (375 PS, Kraftstoffverbrauch/Emissionen* kombiniert 9,9 l/100 km; CO₂-Emission 230 g/km) starken 3,8-Liter-Motor aus dem 911 Carrera S. Viel Kraft für einen leichten Roadster.

„Ich glaube, wir fahren heute mal einen Umweg.“ Webber steigt ein. Eigentlich führt die Straße von seinem Wohnhaus gleich hinter dem Ortsausgang von Aylesbury schnurgerade zur Rennstrecke in Silverstone – und zum Porsche Driving Experience Center, wo heute mit dem legendären 550 der zweite Spyder auf ihn wartet. „Im Lauf der Jahre habe ich eine schöne Strecke ausgekundschaftet.“

„Die Porsche-Konturen haben es mir einfach angetan“

Es mag eigenartig klingen, aber viele Rennfahrer zeigen kein gesteigertes Interesse an Autos. Sie betrachten sie vielmehr als Mittel zum Zweck: Rennen fahren und gewinnen. Bei Mark Webber ist das anders. Ihn haben die Sportwagen von Porsche schon begeistert, lange bevor er sie beruflich fahren durfte. Und so besitzt er auch eine beeindruckende Sammlung an Modellen aus Zuffenhausen – vom 356 Cabriolet aus den Fünfzigerjahren bis zum 911 GT2 RS (997), die er sich ausnahmslos vor seiner Karriere als Werksfahrer zugelegt hat. „Die Porsche-Konturen haben es mir einfach angetan. Meinen ersten 911 bin ich vor 20 Jahren in Sydney gefahren, als ich in der Formel Ford unterwegs war. Da hat es mich wohl gepackt.“ Und nicht mehr losgelassen.

Wir haben die Ortschaft kaum verlassen, als Webber den Boxster schon in den höchs-ten Tönen lobt: „Bei einem Sportwagen müssen die Grund­voraussetzungen stimmen. Die ganze Motorleis­tung nützt nichts, wenn zum Beispiel die Sitzposition schlecht ist oder die Sitze keinen guten Seitenhalt bieten.“ Er klopft mit der flachen Hand aufs Lenkrad. „Hier ist alles perfekt: Es hat die richtige Größe – und keine Tasten. Die brau-che ich im 919 Hybrid, aber nicht hier. Alles ist so angeordnet, dass man sich aufs Fah-ren konzentrieren kann, und darauf kommt es schließlich an.“

„Das hier ist herausragend“

Und wie fährt nun jemand, der neun Formel-1-Rennen gewonnen hat? Souverän und zügig, aber absolut unaufgeregt. Er weiß das Tempo exakt zu dosieren und dabei die Fahr­eigenschaften des Boxster perfekt einzusetzen. Schnell wird klar, warum Webber sich für den Umweg entschieden hat: Die Landschaft ist eine Augenweide, die Straßen sind  kaum befahren – und eine Herausforderung. Webber kennt sie wie seine Westentasche, was sich als hilfreich erweist, als er in einer Kurve über eine nicht einsehbare Anhöhe einem tiefen Schlagloch um wenige Millimeter ausweicht. Präzision in Perfektion.

Das Gleiche gilt für die Gangwechsel. Webber schaltet so flüssig, dass man meinen könnte, der Boxster habe das Porsche-Doppelkupplungsgetriebe (PDK) an Bord und nicht ein Sechsgang-Schaltgetriebe. Was ihm lieber ist? „Manche betrachten Schaltge-triebe als altmodisch, andere wiederum vertreten die Auffassung, eine Halbautomatik verderbe den Fahrspaß. Ich mag eigentlich beides. Im Rennwagen ist ein automatisier-tes Getriebe schlichtweg notwendig, und ich würde mich auch beim Serienfahrzeug dafür entscheiden, sofern das Schaltgetriebe nicht herausragend ist.“ Webber schaltet mit Zwischengas vom vierten in den dritten Gang. „Und das hier ist herausragend“, sagt er und lacht.

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Der 550 Spyder ist das Vorbild für den Boxster Spyder

Fahrer und Auto harmonieren ähnlich perfekt, wie es Boxster und Carrera-Motor tun. Klar ist da das Mehr an Leistung, aber darauf allein kommt es nicht an. Für Webber sind vor allem die Möglichkeiten bemerkenswert, die sich daraus ergeben: „Der Motor lässt sich mit hohen Drehzahlen sehr sportlich fahren, aber wenn man komfortabel unterwegs sein möchte, kann man dank seiner Elastizität einfach einen Gang höher schalten und sich entspannt zurücklehnen – weil man genau weiß, dass der Motor auch bei niedrigeren Drehzahlen spontan reagiert.“

Wir nähern uns Silverstone. Kurz vor dem Ziel kitzelt Webber noch einmal die volle Leistung aus dem Boxster Spyder heraus – und selbst er als gestandener Rennfahrer ist schwer beeindruckt. „Wo sonst bekommt man für das gleiche Geld solch eine Fahrdynamik geboten?“, fragt er. „Und dabei ist das Auto auch noch so leise und komfortabel, dass man sich die ganze Fahrt über unterhalten kann.“  

Lektion eins: Renngeschichte

An der Prüfstrecke des Porsche Experience Centers in Silverstone angekommen, ist zwar die Fahrt im Boxster Spyder zu Ende, der Spaß aber noch lange nicht. Es geht in die nächste Runde – schließlich ist für Werksfahrer Webber noch etwas Geschichtsun-terricht vorgesehen. Und der 550 Spyder, Urahn des Boxster, steht für eine Lehrstunde auf Rädern bereit.

Lektion eins: Renngeschichte. Der Porsche 550 Spyder krönte 1953 seine Premiere auf dem Rundkurs in Le Mans gleich mit einem Sieg in der Klasse bis 1500 cm3 Hubraum.  Bei dem Auto in Silverstone handelt es sich allerdings um einen späteren 550 A, ein zwar äußerlich ähnliches, aber baulich grundverschiedenes Auto (mit Gitterrohr- statt Leiterrahmen). Mit solch einem 550 A Spyder hat Porsche 1956 bei der Targa Florio in Sizilien den allerersten Gesamtsieg auf höchster internationaler Ebene errungen. Mit seinem Boxer-Mittelmotor, der klassischen Roadster- Karosserie und dem unverfälschten Fahrspaß, den er bietet, ist er ein gutes Vorbild für den Boxster Spyder.

Silverstone ist ideal für denn 550

Lektion zwei: Einsteigen. Natürlich ist die Zeit nicht stehen geblieben. Da man bei Porsche aber schon vor 60 Jahren um die Bedeutung eines einfachen und soliden Cockpits wusste, kann Webber problemlos einsteigen und den historischen Sportwagen sofort auf Geschwindigkeit bringen. Ein Kinderspiel für einen der besten Rennfahrer der Welt. Der Boxster Spyder heftet sich an seine Fersen – gemeinsam lernen macht noch mehr Spaß.

Lektion drei: Fahren. Der Testparcours von Porsche in Silverstone ist sehr eng und deshalb ideal für den 550. Sogar im Boxster kann man den Ölgeruch aus dem sagen-haften 1,5-Liter-Motor mit den vier Nockenwellen riechen. Und da Webber dem alten Spyder von Runde zu Runde immer mehr abverlangt, ist dessen Auspuffgeräusch wahrscheinlich im halben Land zu hören.

Und wer gedacht hatte, dass einem hinter dem 60 Jahre alten und im Vergleich zum Boxster Spyder schwach motorisierten Sportwagen – trotz Mark Webber am Steuer – langweilig werden könnte, der hat sowohl das Auto als auch den Fahrer unterschätzt. Oder in Lektion eins nicht aufgepasst: Der 550 A wurde wie gesagt für die Rennstrecke von Le Mans konzipiert. Und an Webbers Tempo, an seinen schnellen Schaltfolgen sowie am millimetergenauen Einhalten der Ideallinie wird deutlich, dass er sich in dem Klassiker pudelwohl fühlt. Kontinuierlich steigert er die Geschwindigkeit, untermalt vom schneidenden Bellen des 550-Motors und begleitet vom sanften Knurren des Boxster- Aggregats.

„Es gibt nichts Besseres“

Mit seiner Motorleistung und der perfekt abgestimmten Straßenlage könnte der natürlich noch deutlich schneller, aber er lässt dem Altvorderen den Vortritt. Was für ein Auftritt! Zwei offene, zweisitzige Porsche-Sportwagen mit Mittelmotor, sechs Jahrzehnte auseinander und doch auf der Rennstrecke nur wenige Zentimeter voneinander getrennt.

Dann fährt Webber zurück in die Box. „Das Auto ist selbst nach heutigen Maßstäben unglaublich leicht, und in Sachen Gewichtsverteilung und Schwerpunkt gibt es nichts Besseres, als den Boxermotor hinter dem Fahrer einzubauen“, sagt er beim Aussteigen und ergänzt: „Die Schaltung, die Elastizität des Motors, das Fahrverhalten und das Fahrgefühl insgesamt haben mir sehr gut gefallen. Zudem vermittelt der 550 Spyder praktisch das gleiche Gefühl, das man auch in modernen Sportwagen von Porsche hat – dass man den ganzen Tag und auch noch die ganze Nacht fahren kann und immer noch nicht genug hat.“

So schön kann Geschichtsunterricht sein.

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