Zweifacher Olympiasieger und einer der größten Skifahrer seiner Generation: Aksel Lund Svindal war schon immer von Leistung fasziniert – ob auf der Piste oder im Geschäftsleben. Bekannt für seinen analytischen Verstand ebenso wie für seinen furchtlosen Fahrstil, hat er den Übergang vom Profisport zum Unternehmertum erfolgreich gemeistert. Im Interview spricht Aksel Lund Svindal über die Rolle von Daten im Skisport, die Parallelen zwischen dem Sport und der Geschäftswelt – und warum menschliche Intuition am Ende wichtiger bleibt als jeder Algorithmus.

Herr Lund Svindal, Skifahren ist ein klassischer Actionsport – man bewegt sich in einer unberechenbaren Umgebung, voller Risiken und ist stark abhängig von der Tagesform und dem individuellen Können. Ist Skifahren ein gutes Beispiel für Datenanalyse?

Aksel Lund Svindal: Man kann ein Skirennen nicht wirklich planen – genau das macht es ja so faszinierend. Aber es gibt definitiv gute Daten, die man im Skisport nutzen kann. Natürlich haben wir nicht so viele Messpunkte wie etwa in der Formel 1. Im Motorsport sind überall Sensoren und Computer verbaut. Beim Skifahren laufen die meisten Sensoren eher direkt ins Gehirn als in einen Rechner. Aber letztlich ist das Produkt, das wir liefern, selbst eine Form von Daten – nämlich Geschwindigkeit. Die Uhr sagt dir alles, was du wissen musst. Im Training arbeiten wir ständig mit Daten, um die schnellste Strecke zu finden, das beste Material, die optimale Technik. Aber sobald das Rennen läuft, geht es darum, sich selbst und den eigenen Instinkten zu vertrauen. Du wirst zu deinem eigenen Datenprozessor, triffst Entscheidungen in Sekundenbruchteilen – basierend auf all den Informationen, die du vorher gesammelt hast.

Glauben Sie grundsätzlich an die Macht von Daten?

Svindal: Ja. Wenn du ein Ziel hast, zeigen dir Daten, ob du dich in die richtige Richtung bewegst. Sie schaffen Vertrauen – und sie verbessern die Zusammenarbeit im Team. Wenn ich zu einem Teamkollegen sage: „Das war nicht gut genug“, ist das nur meine Meinung, und wir geraten vielleicht in eine Diskussion. Wenn ich aber sage: „Das war nicht gut genug, wenn du gewinnen willst“, und die Daten zeige, dann reden wir plötzlich konstruktiv darüber, wie wir es besser machen können. Daten nehmen die Emotionen aus der Diskussion heraus und helfen, den Fokus auf konkrete Lösungen zu richten.

Haben Sie schon Rennen aufgrund besserer Daten gewonnen?

Svindal: Da bin ich mir ziemlich sicher. Im norwegischen Team hatten wir einige spezielle Methoden, um bessere Daten zu erhalten. Zum Beispiel haben wir immer einen Trainer mit einer Kamera auf die gegenüberliegende Talseite geschickt, um die Strecke aus einer Art „Helikopter“-Perspektive zu filmen. So konnten wir alle Skirennläufer aus exakt dem gleichen Blickwinkel aufnehmen und die Fahrten anschließend übereinanderlegen. Dadurch haben wir genau gesehen, an welcher Stelle jemand schneller oder langsamer war. Die Rennleitung gibt uns vielleicht fünf Zwischenzeiten – durch unsere Herangehensweise konnten wir fast fünfhundert daraus machen.

Haben die Daten Ihnen also gesagt, wo genau Sie fahren sollen?

Svindal: Meistens haben die Daten bestätigt, was ich ohnehin gespürt habe. Aber zu wissen, statt nur zu denken verleiht Selbstvertrauen – und genau dieses Selbstvertrauen hat mir definitiv dabei geholfen, Rennen zu gewinnen. Gute Leistung hängt von Entschlossenheit ab. Und Entschlossenheit fällt leichter, wenn man den Daten vertraut.

Ist Skifahren ein Technologiesport?

Svindal: Auf jeden Fall. Jedes Rennen ist zugleich Training und Equipment-Test. Wir erfassen ständig Schneebedingungen, Temperatur, Hangneigung – einfach alles. So erkennen wir Trends und wissen, welches Ski-Modell unter welchen Bedingungen am besten funktioniert. Technologie und Daten greifen hier perfekt ineinander.

Nutzen Sie auch in Ihrem privaten Alltag Daten?

Svindal: Im Alltag bin ich weniger datenfokussiert. Ich trage keine Smartwatch und tracke nicht ständig alles. Als aktiver Athlet habe ich Daten manchmal genutzt, um zu kalibrieren, wie ich mich fühle. Aber man kann es auch übertreiben. Manchmal ist es besser, einfach einmal den Kopf freizubekommen – joggen oder Skifahren zu gehen, ohne auf Zahlen zu schauen. Man kann lernen, auf den eigenen Körper zu hören – zu spüren, wann man zu viel gegeben hat oder zu wenig. Wenn man dieses Gefühl einmal mithilfe von Daten kalibriert hat, kann man danach wieder auf die Intuition vertrauen. Das gilt im Sport genauso wie im Leben.

Gesund ist Skifahren aber eigentlich nicht, oder?

Svindal: Nein, nicht wirklich. Kaum ein Spitzensportler würde behaupten, dass Leistungssport auf Weltklasse-Niveau gesund ist. Man geht körperlich an die absolute Grenze. Und beim Skifahren kommt das Risiko noch dazu. Aber mentale Gesundheit ist genauso wichtig. Sport hat für mich einen enormen Wert, was das betrifft. Wenn ich mich eine Zeit lang nicht bewege, fühle ich mich einfach nicht gut. Körperlich kann Skifahren hart sein, aber für den Geist ist es Gold wert.

Suchen Sie heute noch das Risiko auf der Piste?

Svindal: Ich fordere mich immer noch heraus – aber auf deutlich sicherere Weise. Wenn man keine Goldmedaille mehr jagt, gibt es keinen Grund, unnötige Risiken einzugehen.

Was können Unternehmen vom Sport lernen?

Svindal: Viele scherzen ja, dass Unternehmen Sportler engagieren, um über Motivation und Teamarbeit zu sprechen, und dass das ein bisschen klischeehaft ist. Aber ich finde das nicht. Sport ist unglaublich datengetrieben – das Ergebnis der Leistung ist messbar und live im Fernsehen sichtbar. Das macht den Sport zu einem großartigen Beispiel für die Geschäftswelt. Alles passiert in Echtzeit, vor Publikum. Die Teamarbeit ist völlig transparent. Wenn die Zusammenarbeit nicht funktioniert, sieht es jeder. Dieses Maß an Sichtbarkeit zwingt zur Kooperation – und genau das können viele Unternehmen vom Sport noch lernen.

Nach Ihrer Profikarriere sind Sie ins Start-up-Umfeld eingestiegen. Was reizt Sie daran?

Svindal: Unternehmertum fühlt sich sehr ähnlich an wie Leistungssport. Das ist kein klassischer „Nine-to-five“-Job, sondern eine Lebensweise. Du denkst ständig an dein Projekt, selbst wenn du nicht physisch bei der Arbeit bist. Diese Herausforderung liebe ich. Business ist eine andere Form von Wettkampf. Sich messen und besser werden – das treibt mich an.

Ist Unternehmertum mit Profisport vergleichbar?

Svindal: Absolut. Beides verlangt volle Hingabe und mentale Stärke. In beiden Welten musst du fokussiert, belastbar und risikobereit sein. Man gewinnt, man verliert – und lernt aus beidem.

Klingt nach einem neuen Karriereweg?

Svindal: Ich weiß nicht, ob ich mich im Moment als CEO sehe – das wäre eine große Verantwortung. Nach 17 Jahren Profisport brauche ich erst einmal eine Art „Cool-down“-Phase. Aber ich liebe es, von klugen Menschen aus der Wirtschaft zu lernen und mich auszutauschen. Das ist eine andere Form von Teamarbeit – aber eine, die genauso erfüllend ist.

Und wo sehen Sie sich in 20 Jahren?

Svindal: Zwanzig Jahre sind eine lange Zeit! Ich hoffe, ich bin dann immer noch in dieser „Hybrid“-Rolle: verbunden mit dem Sport, involviert in spannende Unternehmen und ständig am Lernen. Diese Balance macht mich glücklich.

Glauben Sie, es wird dann noch Live-Skirennen geben – oder übernehmen Roboter und KI?

Svindal: Ich bin absolut davon überzeugt, dass es Live-Sport immer geben wird. Die Emotionen im Sport – Freude, Enttäuschung, Gänsehaut – lassen sich nicht durch KI ersetzen. Der Faktor Mensch ist das, was Sport so einzigartig macht. Und das wird sich nie ändern.

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