Herr Blume, ist ein guter Manager eher ein Optimist oder ein Pessimist?

Blume: Ganz klar Optimist. Ich selbst bin von Natur aus ein optimistischer Mensch. Als Manager denke ich immer in Chancen. Ich will auf Erfolge aufbauen. Und aus Niederlagen lernen. Entscheidend ist es, den Mut zu haben, entschlossen das Richtige zu tun. Und andere dafür zu begeistern. Autos bauen ist Mannschaftssport. Und Erfolg ist Teamwork. Wenn alle zusammenhalten und für ein Ziel kämpfen, kann man gemeinsam Berge versetzen. Gleichzeitig gilt es, die Geschäftslage kontinuierlich objektiv und realistisch einzuordnen, um die richtigen Schlüsse abzuleiten.

Das hört sich nach der Führung eines Sportteams an – das müssen Sie uns erklären …

Blume: Die Analogie passt gut. Erfolgreiche Mannschaften gewinnen mit Teamgeist, mit Fairness, mit Leidenschaft. Das ist im Sport der Fall und das ist in erfolgreichen Unternehmen ganz genauso. Es geht darum, die Extrameile zu gehen. Um jeden Meter zu kämpfen. Auch für alle Mitglieder im Team.

Weiblen: Gerade in herausfordernden Zeiten hat man als Manager die Verpflichtung, optimistisch zu sein. Wir sind „Führungskräfte“. Wie ein guter Bergführer sind wir dafür verantwortlich, dass wir mit dem Team den Gipfel erreichen. Und das gelingt nur, wenn man selbst davon überzeugt ist, auf dem richtigen Weg zu sein und die gesteckten Ziele erreichen zu können. Es gibt Unternehmer, die jammern viel. Aber Jammern hat noch keinen Kunden gewonnen. Man muss negative Entwicklungen offen ansprechen, kein unangenehmes Thema liegen lassen. Aber man darf nicht lamentieren, sondern muss die Dinge anpacken. In Zeiten wie diesen braucht man Geschwindigkeit, muss im richtigen Moment Tempo machen können. Mir gefällt Dein Vergleich mit einer Sportmannschaft, Oliver: Wenn der Gegner im Fußball antritt, muss man mitsprinten. Das gilt auf dem Fußballfeld wie in Unternehmen.

Ist es so einfach? Wer an den Erfolg glaubt, hat ihn auch?

Blume: Zumindest gilt: Wer an den Erfolg glaubt, hat die große Chance, ihn zu erreichen. Erfolg ist planbar. Das habe ich in meiner Zeit als Vorstandsvorsitzender der Porsche AG immer wieder erlebt. Wir sind Strategen und Umsetzer. Rückschläge bleiben nie aus, aber man darf sich nicht davon beirren lassen. Jeder Mensch macht Fehler. Es ist wichtig, daraus zu lernen, zu wachsen und sich zu verbessern. Deshalb sehe ich selbst in Fehlern Chancen.

Weiblen: Optimismus ist mehr als nur die Hoffnung, dass es schon gut gehen wird. Optimismus gründet immer auch auf dem eigenen Können, darauf, dass man seinen Fähigkeiten vertraut. Erfahrungen, aus denen man gelernt hat, sind dabei ein wesentlicher Baustein.

Haben Sie ein Beispiel für uns?

Weiblen: Ich habe als ganz junger Berater mal bei einem Fahrzeughersteller in Spanien ein Projekt gemacht, bei dem es große Probleme in der Produktion gab. Die Führungskräfte vor Ort waren überzeugt, es laufe alles bestens und man brauche nichts zu verändern. Ich hatte aber am Abend vorher die Problembereiche im Werk gefilmt und konnte nun der gesamten Mannschaft – es waren nur Männer – zeigen, dass das nicht stimmte. Ich gebe zu: Das war etwas besserwisserisch. Und diese Bloßstellung kam bei den stolzen Spaniern natürlich nicht gut an. Und das wäre sie vermutlich auch in keinem anderen Land. Den Fehler, so aufzutreten, habe ich nie wieder gemacht.

Eberhard Weiblen, CEO von Porsche Consulting, 2024, Porsche Consulting GmbH
„Die Zeiten einsamer Management-Entscheidungen sind vorbei. Nur wenn das Team an der Spitze des Unternehmens zusammenarbeitet und füreinander einsteht, kann man die immer komplexer werdenden Aufgaben lösen und erfolgreich sein“, sagt Eberhard Weiblen, CEO von Porsche Consulting. © Porsche Consulting/Florian Generotzky

Und was machen Sie, wenn die Probleme größer sind als ein kulturelles Missverständnis?

Weiblen: In jeder Krise liegt eine Chance. Und sie zu sehen und zu nutzen, ist die Aufgabe guter Führungskräfte. Ich benutze hier bewusst den Plural, denn die Zeiten einsamer Management-Entscheidungen sind vorbei. Nur wenn das Team an der Spitze des Unternehmens zusammenarbeitet und füreinander einsteht, kann man die immer komplexer werdenden Aufgaben lösen und erfolgreich sein.

Blume: Ein gutes Beispiel dafür ist die Elektrifizierung unserer Fahrzeuge. Bei Porsche haben wir schon 2015 und damit früher als manche Wettbewerber die Entscheidung für die Elektromobilität getroffen. Das brauchte eine gute Portion Mut. Heute wissen wir, dass der Taycan ein voller Erfolg ist. Unser Mut wurde belohnt. Und jetzt bauen wir auf diesen Erfolg weiter auf. In diesem Jahr kommen die zweite Generation des Taycan und der vollelektrische Macan zu den Kundinnen und Kunden. Unsere Produktstrategie ist darauf ausgerichtet, in 2030 mehr als 80 Prozent vollelektrische Fahrzeuge ausliefern zu können – abhängig von der Kundennachfrage und von der Entwicklung der Elektromobilität in den Weltregionen.

Das klingt kämpferisch. Aber was für Auswirkungen hat der Wandel der Antriebstechnologie denn auf den Standort Deutschland? Ist unsere Vorzeigeindustrie gefährdet?

Blume: Nein. Auch da bin ich Optimist. Die deutsche Automobilbranche ist in vielen Bereichen weltweit führend. In den nächsten fünf Jahren wird sich die Industrie aber mehr verändern als in den vergangenen 50 Jahren insgesamt. Unsere Chancen, als Gewinner aus dieser Transformation hervorzugehen, stehen gut. Wir haben in Deutschland im globalen Wettbewerb viele Trümpfe auf der Hand: qualifizierte und motivierte Menschen in unseren Unternehmen, das System der dualen Berufsausbildung, hoch angesehene Universitäten, Forschungseinrichtungen mit Weltruhm. Die Innovationskraft unseres Landes ist ungebrochen. Der Erfindungsreichtum unserer Unternehmen ist abzulesen an der Vielzahl ihrer Patente. Der Pioniergeist ist seit jeher ein deutsches Erfolgsrezept, geprägt von großer Erfahrung und Qualität unserer Industrien.

Weiblen: Diese positive Sicht auf die Welt gefällt mir. Denn auch wenn es in der Diskussion manchmal anders erscheint, so ist Europa gerade beim Auto längst nicht von China abgehängt. Klar: Das Rennen ist härter geworden. Und auch das Tempo ist gestiegen, allein schon wegen der Größe Chinas: Dort gibt es mehr Menschen, mehr Studienabgänger. Wir in Europa müssen einfach unsere Ressourcen besser nutzen – und natürlich auch versuchen, die besten Talente weltweit für uns zu gewinnen. Als globales Beratungsunternehmen fällt uns das leichter als anderen. Aber auch uns würde es helfen, wenn Deutschland attraktiver für hoch qualifizierte Zuwanderer wäre. In unserem Team sind mehr als 30 Nationalitäten vertreten. Ich fand es großartig, Oliver, als Du in Wolfsburg bei einer Kundgebung gegen Ausgrenzung und Hass und für ein besseres Miteinander auf der Bühne gestanden hast. Es ist wichtig, Flagge zu zeigen und nicht nur zu meckern. Demokratie und gesellschaftlicher Zusammenhalt leben vom Mitmachen.

Blume: Der Auftritt bei der Kundgebung in Wolfsburg war mir eine Herzensangelegenheit. Auch Manager müssen aktiv werden, wenn es um das gute Zusammenleben in unserer Gesellschaft geht. Wer dieser Tage nach Deutschland schaut, der sieht ein Land in Bewegung. Viele gehen auf die Straße, um Haltung zu zeigen – für Demokratie, Zusammenhalt und Freiheit. Es ist ihnen ein Anliegen, Position zu beziehen und sich zu engagieren. Sie wollen mitmachen in einer Debatte, die um ganz Wesentliches, ganz Grundsätzliches geht: unser Zusammenleben. Es geht um unser Zuhause, um unser Land, um unsere Gemeinschaft. Genauso zeigen wir Haltung: Wir treten ein für Demokratie und Freiheit. Für Vielfalt und Offenheit. Für Respekt und Toleranz. Gemeinsam mit anderen stehen wir ein für all das, was unser Land in den vergangenen Jahrzehnten stark gemacht hat – und weiterhin stark machen soll.

Oliver Blume, Volkswagen- und Porsche-Vorstandschef, 2024, Porsche Consulting GmbH
„Entscheidend ist es, die eigenen Stärken auszuspielen, mit einer zukunftsgerichteten Strategie global zu agieren, regional zu handeln und in Chancen zu denken“, sagt Oliver Blume, Vorstandsvorsitzender der Porsche AG und der Volkswagen AG. © Porsche AG

Und es geht um die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschland.

Blume: Wir stehen fest zum Industriestandort Deutschland, investieren in unsere Unternehmensstandorte und sichern damit Arbeitsplätze. Entscheidend ist es, die eigenen Stärken auszuspielen, mit einer zukunftsgerichteten Strategie global zu agieren, regional zu handeln und in Chancen zu denken. Was wir brauchen, sind noch bessere forschungs- und industriefreundliche Rahmenbedingungen. Insbesondere die Transformation der Automobilindustrie ist eine Gemeinschaftsaufgabe von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Insgesamt verharrt Deutschland noch zu sehr in gewohnten Strukturen. Mit attraktiven Förderkulissen für Arbeitsplätze, Steuereinnahmen und Wohlstand können wir unseren Standort wieder nach vorn bringen. Wichtig ist, dass wir uns fokussieren und Tempo machen.

Sie haben den internationalen Wettbewerb angesprochen. Wie beurteilen Sie beide die Abschottungstendenzen, die wir derzeit vielerorts erleben?

Weiblen: Nehmen Sie das Beispiel Halbleiter: In komplexen Chips, wie sie auch in Autos verbaut werden, stecken bis zu 1.200 Arbeitsschritte vom Rohstoff bis zum fertigen Produkt. Die Einzelteile und Materialien überqueren bis zu 70 Ländergrenzen und pendeln teilweise mehrfach zwischen Europa und Asien. Solche hochtechnischen Produkte lassen sich längst nicht mehr „lokal“ herstellen. Kein Land der Welt kann das völlig eigenständig stemmen. Nicht einmal die USA und auch nicht China. Hochleistungschips sind globale Produkte. Insofern sind auch die gerade sehr modernen Gedankenspiele zur Autarkie, die es in vielen Staaten gibt, Augenwischerei. Je erfolgreicher Unternehmen und Wirtschaft als Ganzes werden, desto stärker vernetzt und, ja, auch abhängiger sind wir voneinander.

Was also tun?

Blume: Letztlich geht es darum, Perspektiven aufzuzeigen und Orientierung zu geben. Wir müssen uns in Deutschland jetzt auf die richtigen Themen konzentrieren. Auf die Zukunftsthemen. Wir müssen strategisch entscheiden, welche Technologiefelder wir künftig in unserem Land besetzen wollen: Halbleiter, Software, Autos, Chemie, Medizin- und Batterietechnologien. Erneuerbare Energien natürlich. Nachhaltigkeit ist eine der wichtigsten Verantwortungen unserer Zeit.

Produkte bestehen nicht nur aus Materialien, sondern benötigen auch Arbeitskraft. Sehen Sie beide da Probleme, angesichts einer alternden Gesellschaft und Stichworten wie „Work-Life-Balance“ und „Generation Z“?

Blume: Ich habe das Glück, ein Unternehmen zu leiten, das immer großen Wert auf die Qualifikation seiner Mitarbeitenden gelegt hat – übrigens an allen Standorten, nicht nur in Deutschland. Wer lebenslang lernt, kann auch in höherem Alter noch hoch qualifizierte Tätigkeiten ausüben. Und in der Produktion haben wir konsequent in die Verbesserung der Arbeitsbedingungen investiert und alle gefährlichen, gesundheitsschädlichen und körperlich anstrengenden Arbeiten abgeschafft oder stark automatisiert. Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt.

Weiblen: Dass es zwischen den Generationen Reibung gibt und sich Ansprüche verändern, ist etwas ganz Normales. Auch ich habe mit meinen Eltern viel diskutiert und dabei meine eigene Einstellung zu Arbeit und Erfolg gefunden. Abgesehen davon hat sich bei der Gesundheit der Menschen etwas verbessert. Vor 100 Jahren war ein 50-jähriger Arbeiter oft nicht mehr fit, fühlte sich als „alter Mann“. Das würde kein moderner 50-Jähriger mehr von sich behaupten. Die heute 50-Jährigen sehen sich eher in der Blüte ihres Lebens. Und das ist gut so. Dass Menschen älter werden, ist auch eine Folge des Fortschritts in Medizin und Technologie. Das kann man auch als Erfolg sehen.

Trotzdem gibt es in der Gesellschaft in Deutschland viel Kritik. Gerade von jungen Menschen, denen ihre Zukunft angesichts des Klimawandels große Sorgen bereitet.

Weiblen: Für die Ängste der jungen Generation habe ich Verständnis. Wir haben die Verpflichtung, ihr eine bessere Welt zu hinterlassen. Die Bekämpfung des Klimawandels kostet Geld. Dazu kommen Kosten aufgrund des demografischen Wandels, für den Erhalt und Ausbau von Infrastruktur, für die Ertüchtigung der Streitkräfte und die Integration der Migranten – um nur ein paar Beispiele zu nennen. Diese Aufgaben können nur gemeinsam bewältigt werden. Jede Generation muss ihren Beitrag dazu leisten. Wichtig ist, dass wir Innovationskraft und Produktivität deutlich steigern. Nur so können die notwendigen Investitionen finanziert werden. Die Geschichte hat gezeigt, dass der technologische Fortschritt im positiven Sinne immer neue Kräfte freisetzt. Noch nie hatten wir so viele Forscher und Entwickler. Täglich entsteht Neues. Wir müssen nur dafür sorgen, dass aus der Forschungsarbeit auch marktfähige Produkte entstehen. Das stimmt mich gerade im Hinblick auf unsere Zukunft zuversichtlich.

Blume: Unser aller Aufgabe ist es, die Welt für künftige Generationen lebenswert zu erhalten. Wir bei Porsche verstehen Nachhaltigkeit ganzheitlich: ökonomisch, ökologisch und sozial. Für uns bedeutet das: Ökonomischer Erfolg, ökologisches Bewusstsein und soziale Verantwortung ergänzen sich. Hierfür steht die Elektrifizierung unserer Fahrzeugpalette. Zusätzlich arbeiten wir bei Porsche auf eine bilanziell CO₂-neutrale Wertschöpfungskette unserer neu produzierten Fahrzeuge im Jahr 2030 hin. Im Volkswagen-Konzern erarbeiten und optimieren wir gemeinsam mit Partnerfirmen Verfahren zum Recycling von Hochvoltbatterien. Diese enthalten große Mengen wertvoller Rohstoffe, die wir wieder- und weiterverwenden wollen.

Sie setzen auf Technologie bei der Lösung der Klimaprobleme?

Blume: Ich bin überzeugt, dass der intelligente Einsatz von Technologie der beste Weg ist. Elektromobilität ist die Zukunft. Ich bin ein großer Fan. Und wir denken Klimaschutz ganzheitlich. Deswegen setzen wir auf ein doppeltes E: Elektromobilität und ergänzend E‑Fuels. Dank regenerativer, synthetischer Kraftstoffe können Ottomotoren potenziell nahezu CO₂-neutral betrieben werden. Dabei denken wir auch an die Bestandsflotte, die Fahrzeuge, die heute und in den kommenden Jahren noch mit Verbrennern fahren. Auf den Straßen sind rund 1,3 Milliarden Bestandsfahrzeuge mit Verbrennungsmotor unterwegs. Viele davon noch lange. Als Beimischung im Kraftstoff können E‑Fuels den CO₂-Ausstoß senken. Die Entwicklung treibt Porsche als ein Pionier voran: In einer Pilotanlage in Chile zeigen wir gemeinsam mit Partnern, wie die Produktion im Industriemaßstab funktionieren kann.

Solche Technologien sind teuer: Können wir uns das als Gesellschaft leisten?

Weiblen: Es geht hier eher um die Frage der Prioritätensetzung: Wir können nicht alles machen, sondern müssen in die richtigen Themen investieren. Als jemand, der viel reist, wünsche ich mir zum Beispiel ein europäisches Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnnetz, das die Innovationszentren miteinander verbindet. Oder eine funktionierende Wasserstoff-Infrastruktur, die unsere Industrie zuverlässig und nachhaltig mit Energie versorgt. Wenn wir in die richtigen Technologien investieren, gibt es Wachstum.

Blume: Das Bild von Wachstum durch Technologien, die der Erderwärmung entgegenwirken, passt für mich. Hier wollen wir vorn mit dabei sein. Porsche steht für Pioniergeist und Sportlichkeit. Der Kern von Porsche sind unsere Produkte. Wir verbinden darin unsere einzigartige Heritage mit modernsten Technologien. Innovativ. Nachhaltig. Exklusiv. Mit jedem Fahrzeug erfüllen wir Kundinnen und Kunden einen Traum.

Info

Text erstmalig erschienen im Porsche Consulting Magazin.

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