Der Mann blickt auf die transparente Verpackung in seiner Hand: „Der Käse ist so frisch, als wäre er erst vor fünf Minuten aufgeschnitten worden“, sagt Ingo Müller, lässig in Hoodie und Jeans gekleidet. Er steht vor den langen, verglasten Kühlregalen in einem modernen Rewe-Supermarkt, im Mühlenviertel der norddeutschen Stadt Bremen. Die Nordseeküste ist nicht weit entfernt. Flaches, fruchtbares Land mit saftigen Wiesen, auf denen Kühe grasen, umrahmen die Hansestadt. Müller kennt das, ist auf dem elterlichen Bauernhof groß geworden. Mit Begeisterung. Die Kühe mochten ihn schon immer und er sie. Heute ist Müller der Chef einer der größten europäischen Molkereien – „aus Liebe zur Milch“, sagt er. Und aus Solidarität mit den Landwirten. 4.700 Bauern sind die gemeinsamen Eigentümer der genossenschaftlich organisierten Molkerei DMK Deutsches Milchkontor GmbH. Milram ist das bekannteste Markenzeichen des spezialisierten Lebensmittelherstellers.
Ein Treffen mit dem Porsche Consulting Magazin? Okay für Ingo Müller. „Aber statt im Büro am Flughafen lieber an der Basis, im Einzelhandel. Am besten gleich frühmorgens.“ Beste Laune, Tatendrang und bloß kein Chefgehabe. Müller krempelt die Ärmel hoch und füllt für den Magazinfotografen seinen Einkaufswagen: Obst, Gemüse und na klar: Milchprodukte aus eigener Herstellung. Da zeigt er gleich eine Innovation: „Der neue dünnere Deckel unseres Joghurtbechers ist sogar noch stabiler als der bisherige“, sagt er.
„Qualität ist nicht verhandelbar“
Ingo Müller ist neugierig. Der Sprecher der Geschäftsführung will wissen, in welcher Qualität die Produkte aus seinem Unternehmen und denen der Wettbewerber im Einzelhandel angeboten werden. Was ist neu im Regal? Ist unsere Verpackung am besten recyclebar? Kann die Präsentation noch besser sein? Bei der größten deutschen Molkereigenossenschaft wird Qualität gelebt – in allen Unternehmensbereichen, von der Erzeugung über die Verarbeitung, Lagerung und den Transport bis hin zur Präsentation im Kühlregal des Einzelhändlers. Müller sagt: „Was dort steht, ist entscheidend. Qualität ist nicht verhandelbar.“
Die Verantwortung für die Gesamtqualität trägt bei DMK Müllers Kollege Dr. Marcus Krapp. Position: Global Head of Quality. Den hat der Chef gleich in den Supermarkt mitgebracht. „Die Zufriedenheit unserer Kunden steht an oberster Stelle. Wir wollen ihre Erwartungen an unsere Produkte erfüllen“, sagt Dr. Krapp. Dafür hat DMK als Teil seiner „Vision 2030“ eine Qualitätsstrategie erstellt. Beraten und begleiten ließ sich die Genossenschaft durch ein spezialisiertes Team von Porsche Consulting.
Landwirte ernähren die Bevölkerung. Statistisch sorgt in Deutschland ein einzelner Landwirt dafür, dass 139 Menschen mit Lebensmitteln aus der Agrarwirtschaft versorgt werden. Das sind dreimal so viele Abnehmer wie im Jahr 1960. Ein Produkt, das bei der Versorgung mit Lebensmitteln immer eine Schlüsselrolle spielte, ist Milch. Das Konsum- und Einkaufsverhalten hat sich in den vergangenen Jahrzehnten aber verändert. „Convenience“ betrat die Bühne. Die Kundschaft möchte es einfach haben, bequem, kleine Mengen und Verpackungen, komfortabel, ready-to-use. „Das widerspricht jedoch dem Nachhaltigkeitsgedanken“, gibt Müller zu bedenken. „Und der spielt bei der Diskussion um Lebensmittel aktuell eine große Rolle.“ Müller: „Im Verpackungsbereich wird noch eine Menge passieren.“
Sind Lebensmittel immer noch zu günstig?
Es mute indes skurril an, wenn die gesamte Landwirtschaft als klimaschädlich diskreditiert werde, „denn zum einen sind sich Bauern ihrer Verantwortung für die Natur bewusst, und außerdem stellen sie Lebensmittel her, also Mittel zum Leben“. Ein zweites Spannungsfeld ist das Delta zwischen hart umkämpftem Lebensmittelpreis und Ansprüchen an die Lebensmittelqualität. Zur Einordnung: In den 1950er- und 1960er-Jahren musste ein Bundesbürger etwa 50 Prozent seines Gehaltes für Lebensmittel ausgeben, heute nur noch etwa zehn Prozent. „Und die Qualität ist gleichzeitig gestiegen. Wir haben noch nie so qualitativ hochwertige, so gesunde Lebensmittel in den Regalen gehabt wie heute“, sagt Müller. „Diese Verbesserungen müssen bezahlt werden. Qualität hat ihren Preis. Das gilt auch für Bioprodukte. Wenn sich deren Erzeugung nicht lohnt bzw. ein Großteil der Bevölkerung dafür heute noch nichts extra zahlen möchte – dann investiert keiner mehr.“
Als Chef eines genossenschaftlichen Lebensmittelunternehmens bewegt sich Müller zudem im Spannungsfeld zwischen herkömmlichen Milchprodukten und veganen Alternativen. Die Ernährungsgewohnheiten der Konsumenten haben sich verändert, der Anteil derer, die als Flexitarier Wert auf pflanzliche Produkte legen oder sich vegan ernähren möchten, wird bis 2030 weiter steigen. „Da können wir als Erzeuger nicht sagen, das ist aber schlecht, das machen wir nicht mit“, stellt Müller klar. Im Gegenteil: Die Molkerei bringe die nötige Expertise auch für alternative Produkte mit. Langfristig gehe es darum, dass Landwirte als Rohstofflieferanten an Innovationen partizipieren können. „Klar ist aber auch“, sagt Müller, „dass wir nach wie vor eine Molkerei sind und auch bleiben.“
Ausgleichend muss er sein, der Geschäftsführer der DMK. Den vielen, häufig konträren Anforderungen an seine Position versucht Müller durch „Kommunikation auf Augenhöhe“ gerecht zu werden: „Menschen als Menschen begegnen, ob Reinigungskraft oder CEO – das ist mir wichtig. Und ich will Feedback, möchte hören, wenn etwas nicht läuft oder jemand sich an etwas stört.“ Diese Offenheit für Kritik erwartet Müller auch von seinen Führungskräften: „Dafür haben wir auch Strukturen verändert. Was etwa der Qualitätssicherungs-Ingenieur sagt, hat heute höchstes Gewicht.“ Diese Unternehmenskultur komme, davon ist Ingo Müller überzeugt, „der Qualität unserer Produkte zugute“. Die steht im Zentrum des Zukunftsbildes der DMK Group. „Wir tragen als Lebensmittelerzeuger eine große Verantwortung. Die lässt sich nicht allein durch Arbeitsabläufe regeln, sondern nur, indem jeder Mitarbeiter Freude daran hat und in der Lage ist, das Beste zu geben, um die Qualität zu steigern. Und das bekommen Sie nur hin, wenn Qualität im gesamten Unternehmen den höchsten Stellenwert hat, Sie den Menschen auf Augenhöhe begegnen und ihn auf ihre Reise mitnehmen.“ Ein Beispiel dafür: Die DMK-Qualitätsstrategie. „Sie stärkt ein unternehmerisches Handeln, das zu risikobasierten und präventiven Entscheidungen führt“, sagt Dr. Krapp. Er hat die Strategie mit einem umfangreichen Continuous-Improvement-Projekt verknüpft, bei dem die Produktion genau beobachtet wird und diverse Sensoren an den Maschinen helfen, sofort noch mehr relevante Informationen über die Milch, den Käse und den Quark zu erhalten.
Auf dem Hof fängt es an
Auch bei den Landwirten, als Genossen, ist Qualität oberstes Gebot. Dr. Krapp: „Unser Fachbereich Landwirtschaft ist im engen Austausch mit unseren Landwirten. Wir bieten Schulungen, Weiterbildungen und Informationen an. Im seltenen Fall von Qualitätsproblemen gehen wir direkt auf den Erzeuger zu, um Ursachen zu klären und Korrekturmaßnahmen zu besprechen.“ Er betont, dass DMK seit 2021 insbesondere von der Expertise und Erfahrung von Porsche Consulting bei der Prozess- und Kostenoptimierung sowie der Weiterentwicklung von Qualitätsmanagementsystemen profitiert habe: „Uns kommt zugute, dass Porsche Consulting 25 Jahre Erfahrung in der Lebensmittelbranche hat. So erhalten wir ein Benchmarking, das uns hilft, uns weiter zu verbessern.“ Die Berater von Porsche Consulting seien bei den DMK-Mitarbeitern „absolut anerkannt und respektiert“. Das sei auch darauf zurückzuführen, „dass sie uns nicht nur theoretische Konzepte geliefert, sondern vor allem auch bei der praktischen Umsetzung von Maßnahmen begleitet haben“.
Mit Blick auf die Zukunft gerichtet, sagt Ingo Müller: „Wir wollen auch morgen und übermorgen überragende Produkte anbieten und gleichzeitig die Herstellungskosten im Auge behalten. Dafür gilt es, ständig darüber nachzudenken: Was können wir optimieren? Wie können wir zusätzliche Effizienzen heben? Wie können wir im Labor die richtigen Analysen vornehmen, damit wir Ergebnisse erhalten, die uns wirklich weiterhelfen?“ Den Erfolg in den unterschiedlichen Handlungsfeldern lässt Müller messen. Er sagt: „Die Kundenzufriedenheit ist gestiegen und unsere Qualitätskosten sind gesunken.“ Und dann dreht er sich beim Abschied noch einmal um. „Die Milch“, sagt er, „ist meine Leidenschaft. Die begleitet mich mein Leben lang.“
Die Vita
Ingo Müller: Erst das Eis, dann der Hof
Ingo Müller (Jahrgang 1972) wuchs auf dem landwirtschaftlichen Pachtbetrieb seiner Eltern im norddeutschen Landkreis Wesermarsch (Niedersachsen) auf. Er absolvierte zunächst eine Ausbildung als Molkereifachmann im Milchwerk Botterbloom in Strückhausen, das später in der DMK Deutsches Milchkontor GmbH aufging. Sein Herz schlägt für die Landwirtschaft. Als Kind saß er im Alter von zwölf Jahren bei einer Demonstration gegen die Einführung der Milchquote neben seinem Vater auf dem Trecker, mit 14 Jahren erstmals in der Generalversammlung der Molkerei. Müller studierte Milch- und Molkereiwirtschaft. „Ich war überzeugt, dass es auch in der Molkerei Menschen braucht, die Verständnis für die Landwirtschaft haben und sich dafür einsetzen“, begründet er diesen Schritt. Während seiner Ausbildungsjahre arbeitete er in der Eisabteilung der Molkerei und nebenbei auf dem elterlichen Hof. Ende der 1990er Jahre wurde Müller, der privat gerne grillt, Leiter des Qualitätsmanagements der DMK, später Werkleiter und 2016 schließlich CEO des größten genossenschaftlichen Molkereiunternehmens in Deutschland.
Im Porträt: DMK Group
Die DMK Group beschäftigt rund 6.600 Mitarbeitende. DMK ist Deutschlands größte Molkereigenossenschaft und zählt weltweit zu den Top-20-Unternehmen der Branche. Das Unternehmen verarbeitet jährlich 6,3 Milliarden Kilogramm Milch, beliefert die Industrie, Großverbraucher und den Einzelhandel und erzielte 2022 einen Umsatz von 5,5 Milliarden Euro. Als Genossenschaft gehört das Unternehmen rund 4.700 Landwirten. Das Motto „Wir versorgen Millionen von Menschen nachhaltig mit hochwertigen Lebensmitteln“ steht für Qualität, Vielfalt und Innovation. Das Angebot umfasst Käse und Molkereiprodukte, Babynahrung, Eis und Vorprodukte für die Industrie. Die verwendet diese beispielsweise für Pizzakäse und die Füllung von Schokoriegeln. Eigene DMK-Marken sind Milram, Oldenburger, Uniekaas, Alete bewusst und Humana. Diese genießen bei Verbrauchern im In- und Ausland großes Vertrauen und machen die DMK Group zur festen Größe in den Heimat- und ausgewählten Zielmärkten rund um den Globus. Ein Ziel des Unternehmens ist es, das Angebot immer wieder an die Bedürfnisse der Konsumenten und Kunden anzupassen. Dafür investiert DMK dauerhaft in Forschung und Entwicklung, um innovative und erfolgreiche Produkte anbieten zu können, die auch in Zukunft begeistern. DMK hat den selbstgestellten Anspruch, „das Beste aus der Milch herauszuholen“. Was dafür geleistet werden muss, hat das Unternehmen im eigenen Leitbild, der „Vision 2030“, festgesetzt. Die darin festgeschriebenen Werte sind Fairness, Innovation und Unternehmergeist.
Kommentar von Florian Haasis:
„Diese Medaille glänzt nicht von allein"
Qualität ist übersetzt die Summe aller Eigenschaften. Im täglichen Gebrauch hat der Begriff einen hohen Stellenwert als Merkmal für die Güte von Produkten oder Dienstleistungen. Oft basieren Kaufentscheidungen und Beauftragungen auf dem Vertrauen in die Qualitätsversprechen der Anbieter. Doch dieser Vertrauensvorschuss ist schnell verspielt, wenn Marketing-Superlative wie „Top-Qualität“ nicht dauerhaft und durchgängig halten können, was sie versprechen.
Für Unternehmen bedeutet das: Als Gütesiegel taugt Qualität nur dann, wenn sie sorgfältig gepflegt und ständig weiterentwickelt wird. Und zwar in allen Unternehmensbereichen und von allen Mitarbeitenden. Aus meiner Praxis kann ich sagen: Das funktioniert nur, wenn die individuellen Ansprüche an die Qualität in der Unternehmensstrategie verankert werden. Verständlich formuliert, mit hoher Priorität, breit kommuniziert und insbesondere vom Führungspersonal jeden Tag vorgelebt.
Für uns als Managementberater mit Einblick in unterschiedlichste Branchen ist klar: Ein durchgängiges, auf sämtlichen betrieblichen Ebenen eingebettetes Verständnis für gelebte Qualität ist die beste Grundlage für erfolgreiche Innovationen. Das Beispiel DMK Deutsches Milchkontor zeigt, dass Innovation ein wesentlicher Wachstumstreiber ist. Gerade bei klassischen, oft traditionsreichen Produkten und Dienstleistungen erfordert gutes Management Selbstreflexion. Dazu gehören regelmäßiges Hinterfragen und der Wille, immer noch etwas besser zu werden, den sich verändernden Wünschen der Kundschaft zu folgen und disruptive Ideen zuzulassen. So entsteht ein aussichtsreiches Innovationsklima.
Damit Neuerungen dann auch schnell und erfolgreich auf den Markt gebracht werden können, sind zum Beispiel kurze Zulassungszyklen und erstklassige Wertschöpfungsketten entscheidend. Voraussetzung dafür ist ein unternehmensweit hoher Qualitätsanspruch, der zum Standard des gesamten Handelns wird. Um innovative und hochwertige Produkte zu konkurrenzfähigen Preisen anbieten zu können, bedarf es effizienter Prozesse und Strukturen. Im Einkauf, in der Produktion, im Transport – in allen Bereichen.
Gerade heute, im technologischen Wandel, bietet der Einsatz neuer Methoden und Techniken nie gekannte Potenziale. Unter dem sogenannten Future-Factory-Ansatz entwickelt und implementiert Porsche Consulting gemeinsam mit seinen Klienten Use Cases zur schnell wirksamen Optimierung der Wertschöpfungskette. Dabei werden die größten Effizienzsteigerungen durch das Zusammenspiel von Digitalisierung und Automation möglich. Das geschieht beispielsweise im Bereich Qualität: bei zukunftsgerichteter Prüfplanung auf Basis der Künstlichen Intelligenz oder bei Daten, die sich mit smarter Analytik erheben lassen.
Qualität ist ein Innovationsmotor und ein Gütesiegel. Aber keine Medaille, die von allein glänzt. Qualität will jeden Tag neu erzeugt und weitergedacht werden.
Info
Text erstmalig erschienen im Porsche Consulting Magazin.