Ein Stück Rennsport für zuhause

In seinem Garagenatelier komprimiert Marc Clormann Rennsport, Grafik, Formensprache und Patina auf Porsche-Hauben.

Er hatte gar keine andere Wahl, als sich der Ästhetik von Objekten zu widmen. Seine Verwandten sind Kirchenmaler, Kunstmaler, anderweitig Kreative. Marc Clormann ist mit der Liebe zum Designen und dem Kreieren künstlerischer Interpretation aufgewachsen. Noch während der Schulzeit verdient sich der heute 52-Jährige sein Taschengeld mit Farbe. »Damals war Airbrush angesagt, es gab eine riesige Szene dafür. Ich habe Motorhauben, Motorradtanks und Abdeckkappen für Geländefahrzeuge mit der Sprühtechnik designt«, erzählt Clormann.

Wenig später verziert er ein Wohnmobil mit Urlaubsmotiven. Links einen Drachenflieger im Himmel, rechts ein Kamel in der Wüste, hinten setzte er einen Surfer in Szene. »Mir hat es schon immer Freude bereitet, Farbe ins Spiel zu bringen.« Wir reden von den Achtzigerjahren, von einer Zeit in der es noch keine Möglichkeit gab, Fahrzeuge mehrfarbig zu folieren. Später studiert er Kommunikations- und Industriedesign, arbeitet als freier Designer und eröffnet schließlich seine eigene Designagentur.

Porsche-Treffen, Ausfahrten oder Fotoshootings

Er beschäftigt sich mit außergewöhnlichen Verpackungen und Corporate Designs, entwickelt Lösungen, die zum Kauf animieren und einen wichtigen Teil zur Markenbildung beitragen. Kurz gesagt, er verleiht mit seiner Arbeit Strahlkraft. Gemeinsam mit seinen zwei Kindern lebt er in einem mehr als hundert Jahre alten Bauernhaus im oberbayerischen Penzing bei Landsberg am Lech. »Ich liebe das Landleben, historischen Motorsport und luftgekühlte Porsche«, sagt er. Seine Social-Media-Gemeinde kennt ihn, passend dazu, unter dem Namen @911.landluft, dort nimmt er seine Follower mit zu Porsche-Treffen, Ausfahrten oder Fotoshootings im Sonnenaufgang.

Marc Clormann, Garagenatelier, 2024, Porsche AG
Marc Clormann arbeitet mit Pinseln und Acrylfarben.
Marc Clormann, Garagenatelier, 2024, Porsche AG
Nach der Grundierung und Bemalung schleift und patiniert er die Hauben.
Marc Clormann, Garagenatelier, 2024, Porsche AG
Anschließend veredelt er sie mit Haubengitter, Emblemen und Schriftzügen.
Marc Clormann, Garagenatelier, 2024, Porsche AG
Gebrauchte Hauben erhält er von Freunden, kauft sie online oder in Werkstätten.
Marc Clormann, Garagenatelier, 2024, Porsche AG
Viele Rennsportdesigns stehen für den Mut des Fahrers, für Teamwork und das Streben nach Perfektion.

Vor ein paar Jahren hat Clormann begonnen, alte Porsche-Hauben zu kaufen, um mit ihnen eine künstlerische Zeitreise zu starten. Eine Reise in den Motorsport vergangener Jahrzehnte. Er sammelt alte Rennsportanzüge und Jacken mit echten Emblemen, wie er sagt. Das sei sein Anspruch an Historie.

»Ich muss mir keinen Motor aufhängen, um an ein Rennen erinnert zu werden, das ich vor Ewigkeiten verfolgt habe. Aber die Emotionen von damals auf eine Motorhaube zu komprimieren, das ist doch spannend«, fasst Clormann zusammen. Er versucht, sich eine Geschichte auszudenken hinter allen Beulen, dem Rost und weiteren vermeintlichen Makeln, die gebrauchte Hauben mit sich bringen. »Das Metall ist meine Leinwand, darauf bilde ich historische Rennsportdesigns nach. Zuvor interpretiere ich künstlerisch«, erzählt er. 

„Ich bin ein großer Fan von Patina“ Marc Clormann

Die Vorgehensweise ist Folgende: reinigen, abschleifen, grundieren und eine perfekte Basis schaffen. Anschließend skizziert er das geplante Design auf die Haube, klebt die Konturen akkurat ab und beginnt, mit Acrylfarbe, Pinseln und vor allem handwerklichem Können und Präzision zu malen. Acrylfarbe haftet besonders gut auf Metall, wenn es dafür richtig vorbereitet wird. Außerdem trocknet sie schnell und lässt verschiedene Farbtöne perfekt miteinander mischen, um die richtige Nuance zu erlangen. »Bis eine Haube fertig ist, vergehen locker 30 Stunden. Ich bin ein großer Fan von Patina. Mich faszinieren alte Fahrzeuge mit Makeln und sichtbarer Historie mehr als hochglänzende Garagen-Queens«, verrät Clormann. Schließlich sei er kein Sammler, sondern ein Kreativer, der gern entwirft und verändert. »Ich bin ein Designer, ich fahre einen Porsche, weil mich seine Grundästhetik begeistert – aber ich optimiere eben auch gern.«

Je nach Kundenwunsch und Grad der Rostoptik schleift und patiniert er mehr oder weniger, manch einer bittet gar um die finale Veredelung mit 24 Karat Blattgold. Zum Schluss veredelt er seine bunten Werke zusätzlich mit Haubengittern, Emblemen und Schriftzügen, auch dafür verwendet er gern alte Teile.

Porsche-Wappen, Garagenatelier, 2024, Porsche AG
In die Jahre gekommen: Das Porsche-Wappen hat bestimmt schon viel erlebt in den vergangenen Jahren.
Marc Clormann, Garagenatelier, 2024, Porsche AG
Die obersten Farbschichten schleift Marc Clormann ab, um ihnen den sogenannten »Used-Look« zu verleihen.

Fasziniert von der sogenannten goldenen Ära des Motorsports möchte Clormann einen Hauch Rennsport mit seinen Hauben ins Hier und Jetzt zurückholen. In Garagen, Wohnzimmern, Büros, zum Träumen und Zeitreisen. »Ich erinnere mich beim Malen gern zurück an das Gefühl, als der Rennsport groß wurde. An die Zeit, als die Zuschauer noch einen halben Meter neben der Strecke standen. Das ist heute unvorstellbar im Motorsport.« Es begeistere ihn – trotz der Gefahren, deren er sich bewusst ist – wie viel damals erlaubt war, wie viel ein Fahrer entscheiden musste, ohne Funkverbindung mit einem Team zu haben.

Goldene Ära des Motorsports

»Diese Emotionen, die ich beim Malen spüre, möchte ich gern an meine Kunden weitergeben«, sagt Clormann über seine Wandschmuck. Der Motorsport hat in den vergangenen Jahrzehnten viele Epochen durchlebt, in den Sechziger- und Siebzigerjahren erreicht die goldene Ära ihren Höhepunkt. Sie ist geprägt von enormer Leistung, bahnbrechenden Technologien und legendären Rennen mit intensiver Rivalität. Die Fahrer und Ingenieure dieser Epoche sind Pioniere, die stets nach neuen Wegen suchen, um die Grenzen des bisher Machbaren zu erweitern.

Marc Clormann, Garagenatelier, 2024, Porsche AG
Struktur: Für eine täuschend echt wirkende Rostoptik verwendet er Schwämme mit verschiedenen Härtegraden.
Marc Clormann, Garagenatelier, 2024, Porsche AG
Mit dem Pinsel erfolgt der Feinschliff. Auf Kundenwunsch ab und an sogar mit 24 Karat Blattgold.

Clormann sieht sich gern alte Rennsportvideos an und lässt sich davon während des Entstehungsprozesses inspirieren. Ebenso von seinen eigenen Elfern, beispielsweise einem »G-Modell« aus dem Jahr 1984 in Hellbronzemetallic und einem individuell aufgebauten Backdate. »Porsche hat mit dem Elfer einen goldenen Wurf gelandet, die Outline und das Image sind legendär. Ein ikonisches Design hat eine unglaublich starke Wirkung«, sagt er. Er blättert durch gebrauchte Hauben, die an einer Backsteinwand in seinem Garagenatelier lehnen. Dort, inmitten einer alten Scheune,  hat er auch eine Lounge eingerichtet, als Treffpunkt für Fans luftgekühlter Boxermotoren.

Teamwork, Ehrgeiz und das Streben nach Perfektion

Sein Blick bleibt länger am Design von Gulf Racing hängen, ohne, dass er etwas sagt. Der hellblaue Hintergrund mit blauen und orangefarbenen Streifen ist eine Reminiszenz an eines der berühmtesten Rennautos aller Zeiten: den Porsche 917. Clormann zieht eine Haube raus mit dem Jägermeister-Hirsch und beginnt, von der legendären Jägermeister-Lackierung zu schwärmen. Der orangefarbene Porsche 911 RSR aus dem Jahr 1974 sei nicht nur ein historischer Rennwagen, sondern eine Legende aus einer vergangenen Epoche. Wie viele Rennsportdesigns damals, steht auch die Jägermeister-Lackierung stellvertretend für den Mut des Fahrers, für die Innovation des Herstellers, für Teamwork, Ehrgeiz und das Streben nach Perfektion. »Der Grello-Elfer von Manthey-Racing mit seiner Farbkombination aus leuchtendem Gelb und Grün wird ebenfalls eine solche Ikone werden, da bin ich mir sicher«, prophezeit Clormann.

Marc Clormann, Garagenatelier, 2024, Porsche AG
Individualisierung: Seine Kunden dürfen aus verschiedenen Basisentwürfen ihre Wunschnummer auswählen.
Marc Clormann, Garagenatelier, 2024, Porsche AG
Für die Montage liefert Clormann zwei Wandhaken mit.
Marc Clormann, Garagenatelier, 2024, Porsche AG
Landleben: Garage, Atelier und Treffpunkt in einem – für Porsche-Freunde und die, die es noch werden möchten.

Wenn es das Wetter zulässt, malt er gern draußen, mitten in der Natur, hinter ihm ein kleiner Bach, auf dem der Wassersportfan mit Vorliebe für historische Boote und Surfen gern mit seinen Kindern stehpaddelt. Nebendran parkt sein Porsche, es läuft Musik und vielleicht auch seine Katze Wuschel über den Hof. »Nach drei Jahrzehnten als meist digital schaffender Designer suche ich in meiner Freizeit vermehrt einen analogen Ausgleich. Ich möchte nicht mehr jeden Tag zwölf Stunden vor dem Bildschirm sitzen.« Nach dem überraschenden Tod seiner Frau Ulrike im vergangenen Frühjahr schöpft er Kraft aus dem Schaffensprozess, der damit verbundenen Zeitreise und der Ruhe, die er jenseits eines Bildschirms erlangt. Mit all den leisen und lauten Geschichten, die sich hinter seiner Leinwand verbergen. Von Siegen und Niederlagen, von harten Duellen und großen Rivalitäten, von Freundschaften und Ikonen.

Info

Text erstmalig erschienen im Magazin Porsche Klassik 29.

Autor: Christina Rahmes

Fotografie: Markus Bolsinger

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