Günter Steckkönig: König der Kreise

Günter Steckkönigs Motorsport-Leidenschaft beginnt an der Solitude-Rennstrecke, und seine Rennfahrer-Karriere zündet schließlich so richtig in einem 914/6. Nun, Jahrzehnte später, kehrt er zurück in Stuttgarts Westen – im frisch restaurierten 914/6 von Achim Kächele.

Manchmal schließen sich Kreise auf wundervolle Weise. Wenn sich das Leben wie eine Rennstrecke durch Kurven, Höhen und Tiefen windet und der Mensch dann am Anfang vorbeischaut – verändert und doch mit intensivem Bewusstsein für das, was zum Start schon wichtig war. An diesem Tag im Frühsommer 2023, als Günter Steckkönig in einem 914/6 im Westen Stuttgarts hinter dem Lenkrad Platz nimmt, schließen sich zwei wichtige Kreise für einen der herausragenden Porsche-Rennfahrer des vergangenen Jahrhunderts.

„Der 914 ist mir sehr ans Herz gewachsen.“ Günter Steckkönig

Es ist rund 70 Jahre her, da besucht der junge Günter mit seinem Vater Rennen auf der Solitude-Rennstrecke bei Stuttgart. Sie haben es nicht weit, sie wohnen im Vorort Degerloch. Als Günter Steckkönig im Westen von Stuttgart seine Motorsport-Leidenschaft entdeckt, begibt er sich auf eine Reise, die ihn weit herumführt. Der Kreis öffnet sich.

Achim Kächele, Porsche 914/6, Solitude, Stuttgart, 2023, Porsche AG
Liebhaber: Achim Kächele kaufte seinen 914/6 2019 nach langer Suche in den USA und hat in drei Jahren Arbeit seine Vision eines GT umgesetzt – mit viel Liebe und stundenlanger Detailarbeit. Er freut sich unglaublich, dass Günter Steckkönig nun in seinem »Volks-Porsche« Platz nimmt. „Was für eine tolle Ehre für das Auto – und für mich“, so Kächele.

Günter Steckkönig sitzt nun am Ende dieses Kreises am Start-und-Ziel-Turm im Mahdental und erzählt, wie sich alles entwickelt hat. „Ab dem Tag auf der Rennstrecke hatte ich diesen Traum: Wie kann ich Rennfahrer werden?“ 1953 beginnt er eine Lehre als Kfz-Mechaniker bei Porsche. Oft sitzt er später für Fahrversuche hinterm Steuer, optimiert und testet, sammelt Erfahrung und lernt als Techniker bei Rennen wichtige Menschen im Umfeld des Motorsport-Betriebs kennen. All das hilft ihm, als er Mitte der 1960er-Jahre seine Bemühungen intensiviert, selbst um Siege zu fahren. Er schafft es ins Cockpit und dann tatsächlich 1970 beim 1.000-Kilomter-Rennen auf dem Nürburgring zu seinem ersten Langstreckenrennen in der Sportwagen-Weltmeisterschaft – in einem Porsche 914/6 GT. Im selben Jahr kommen beim Marathon de la Route auf dem Nürburgring alle drei Porsche 914/6 nach 86 Stunden fast gleichzeitig ins Ziel.

Stammgast auf dem Podium

„Ich bin das Auto sehr gern gefahren“, erzählt Steckkönig. „Der Grenzbereich war nicht so weit ausgedehnt. Viele Fahrer hatten Respekt wegen der Gefahr des Drehens. Ich hatte aber keine Probleme. Aber nicht nur deswegen ist mir der 914 ans Herz gewachsen.“ Vielleicht auch, weil er seine ersten großen Erfolge mit dem Mittelmotor-Rennwagen feiert. Er ist schnell Stammgast auf dem Podium, beim 1.000-Kilometer-Rennen von Zeltweg wenige Monate später siegt er gleich in der Gruppe GT2.0 – für das Team Strähle Autosport im nahen Schorndorf. Aus der 40.000-Einwohner-Stadt östlich von Stuttgart, und hier schließt sich ein weiterer Kreis, kommt an diesem Tag im Mai 2023 Achim Kächele mit seinem restaurierten 914/6, in dem Steckkönig nun Platz nimmt und ein wenig die Zeit zurückdreht. „Wenn man dem 914 so viel Liebe und so viel Entwicklung hätte angedeihen lassen wie dem 911, wäre es vielleicht sogar das bessere Rennauto gewesen“, findet Steckkönig. „Rennautos haben heute gern Mittelmotoren. Warum? Die Gewichtsverteilung zu gleichen Teilen auf Vorder- und Hinterachse ist meiner Meinung nach einfach ein Vorteil“, so der inzwischen 87-Jährige.

Günter Steckkönig, Solitude, Stuttgart, 2023, Porsche AG
Unterschätzt: »Wenn man dem 914 so viel Liebe und so viel Entwicklung hätte angedeihen lassen wie dem 911, wäre es vielleicht sogar das bessere Rennauto gewesen“, sagt Steckkönig.

Mit dem 914/6 ging es auch zur Targa Florio 1971, ein inzwischen zweiter Sehnsuchtsort Steckkönigs, eine bedeutende Wegmarke seiner Karriere. „Ich bin ein unheimlicher Freund der Targa, diese lange schmale Bergstrecke, das hat mir sehr gefallen. Für mich galt: Je länger, desto besser. Ich habe mir meine Schnelligkeit mit der Zeit erarbeitet und war dann sehr schnell. Peng und da, das war für mich schwierig.“

„Ich fahre nicht schnell. Ich fahre sauber und präzise“

Günter Steckkönig ist bis heute ein überaus höflicher und einnehmender Mann, der strahlend davon erzählt, wie der Motorsport sein Leben geprägt und bestimmt hat. Der Schwabe sagt: „An feiner Kerle.“ Steckkönig hat sein besonderes Wesen auch auf der Rennstreck zur Geltung gebracht. „Ich fahre nicht schnell. Ich fahre sauber und präzise. Und das ist dann schnell“, habe er immer gesagt. Er lacht, wenn er das erzählt. Sein Leben gibt ihm recht. 1973 reist er im Ersatzteilflugzeug nach Sizilien zur Targa und erfährt dort, dass sein Wettbewerbsauto nicht fahrtüchtig ist. „Also bin ich in den Übungs-RSR gestiegen und habe ihn im Rennen kennengelernt.“ Er wird tatsächlich Sechster – und zur Legende, als er den Wagen anschließend wegen eines Elektrikdefekts ohne Unterbrechung nach Stuttgart fährt.

Ab 1976 ist Steckkönig auch in Le Mans aktiv, anfangs noch mit zweitem Fahrer, »ohne die Assistenzsysteme wie heute, dafür nicht ganz so schnell«. Der Ausdauertest kommt ihm entgegen, gleich zur Premiere wird er sensationell Siebter im Porsche 908/03 Turbo gemeinsam mit Ernst Kraus. Die Reise führt nun an die wichtigsten Rennstrecken der Welt, in Daytona, Silverstone, Brands Hatch, Kyalami. Steckkönig fährt nahezu alle Porsche-Rennwagen, als Werksfahrer und bei Privatteams. Nicht nur seinen Liebling 914 und den 908/03. Natürlich den 911, zudem 930, 935, 928 und viele mehr. Immer wird neben seinem Können als Rennfahrer seine unglaublich große technische Expertise geschätzt.

Sogar so sehr, dass seine Rennkarriere irgendwann vorbei ist. Für Steckkönig ist das bitter, auch wenn er es heute verstehen kann. Nach einem gewonnenen Rennen eröffnet ihm der damalige Porsche-Chef Ferdinand Piëch: „Gute Rennfahrer kann ich an jeder Ecke kaufen, gute Techniker nicht. Sie sollten sich mehr um ihren Job kümmern.“

30 Jahre lang arbeitet er im Fahrversuch von Porsche

Dass Steckkönig deswegen dem Rausch der Geschwindigkeit abschwören muss, seine Kunst am Lenkrad nicht mehr gebraucht wird, ist dennoch falsch. Insgesamt 30 Jahre lang arbeitet er im Fahrversuch von Porsche. Für Tests bei der Entwicklung rauscht er manchmal mit 260 km/h über die deutsche Autobahn, unsicher, ob ihn jeder andere Verkehrsteilnehmer auch wahrnimmt. „Manche schnelle Kurve war aber wichtig für uns“, erinnert sich Steckkönig, der anfügt: „Das war manchmal aufregender, als Rennen zu fahren.“

Günter Steckkönig, Porsche 914/6, Solitude, Stuttgart, 2023, Porsche AG
Günter Steckkönig wäre gern noch länger Rennfahrer geblieben – ein Machtwort des Porsche-Chefs beendete die erfolgreiche Karriere, auf die der 87-Jährige heute glücklich zurückblickt.
Porsche 914/6, Solitude, Stuttgart, 2023, Porsche AG
Sonderweg: Achim Kächele macht, was ihm gefällt, und schaut nicht, was historisch einwandfrei angesagt wäre. Der Interieur-Stoff stammt beispielsweise aus dem 911.
Achim Kächele, Günter Steckkönig (l-r), Porsche 914/6, Solitude, Stuttgart, 2023, Porsche AG
Doppelter Traum: Für Achim Kächele ist Günter Steckkönig der Traumfahrer seines Traumporsche.

Dennoch ist er trotz aller Zufriedenheit über seine erfolgreiche Rennfahrer-Karriere traurig, als seine Zeit bei Porsche zu Ende geht. Der Vater zweier Töchter, der heute mit seiner Frau Ellen in Vaihingen an der Enz lebt, fährt 1992 ein letztes Mal den 917/30 von Mark Donohue beim Nürburgring-Oldtimer-Grand-Prix. Dieser Auftritt ist ein passender Schluss, der die Besonderheiten der Karriere von Günter Steckkönig gut zusammenfasst. Weil beim Fahrzeug aus dem Museum noch jahrzehntealte Reifen aufgezogen sind, muss er kurz vor dem Rennen Ersatz finden. Seine Beziehungen aus alten Technikertagen helfen ihm. Ein Freund bei Goodyear besorgt ihm Ersatz. Er schafft es in die erste Startreihe. Und viel wichtiger: Er bringt den Wagen sicher zurück ins Museum. Ganz der Techniker mit dem feinen Fahrstil eben.

Dieser Rennfahrer sitzt nun wieder an der Solitude-Rennstrecke. Wieder in einem 914/6, wie 1970, als seine Karriere den ersten großen Schwung bekam. „Dieser Wagen ist echt besonders“, sagt er. „So viele gute Erinnerungen.“ Ein Kreis, der sich schließt für Günter Steckkönig – noch viele, die offen bleiben.

Info

Text erstmalig erschienen im Magazin Porsche Klassik 28.

Autor: Frieder Pfeiffer

Fotografie: Markus Bolsinger

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