Mehr Präzision für Patienten

Das Gesundheitswesen steht vor einem Paradigmenwechsel. Unter dem Stichwort „personalisierte Medizin“ wollen Expertinnen und Experten aus Medizin, Genforschung, Pharmazie und IT Therapien und Medikamente gezielt auf einzelne Individuen ausrichten. Insider assoziieren mit den neuen Technologien gewaltige Umbrüche, die auf alle Stakeholder im Gesundheitswesen zukommen. Das „Porsche Consulting Magazin“ hat renommierte Expertinnen und Experten um ihre Einschätzung zu diesem Thema gebeten.

Kranke Menschen sehnen sich nach einer Behandlung, die auf ihre individuellen Bedürfnisse zugeschnitten ist. Doch aufgrund der bisher verfügbaren Technologien bestimmen derzeit noch bestenfalls teilindividualisierte Verfahren die Therapien im Gesundheitswesen. Dabei wird immer deutlicher, dass ein Anteil der Medikamente nicht bei allen Menschen anschlägt. Und während manche Patientinnen und Patienten einen Wirkstoff gut vertragen, löst er bei anderen massive Nebenwirkungen aus.

Dr. Roman Hipp, Senior Partner bei Porsche Consulting und hier verantwortlich für den Bereich Life Science Practice, sieht deshalb große Chancen in der zunehmenden Personalisierung von Therapien. „Der Umfang verfügbarer Gesundheitsdaten nimmt ständig zu. Sie lassen sich mit künstlicher Intelligenz auswerten. Hinzu kommen die Fortschritte in der Genforschung. Beides zusammen schafft enorme Potenziale, damit eine noch individualisiertere Behandlung schon bald Realität werden kann.“

„Die Zukunft der personalisierten Medizin hat längst begonnen“ Dr. Roman Hipp, Senior Partner bei Porsche Consulting

Der Schlüssel zu einem noch größeren Behandlungserfolg ist die „personalisierte Medizin“: Den Patientinnen und Patienten soll jeweils die richtige Medizin in der richtigen Dosierung zum richtigen Zeitpunkt verabreicht werden. Das sei keine ferne Utopie, sagt Hipp, das Gegenteil sei der Fall. „Die Zukunft dieser neuen, präzisen Medizin hat schon längst begonnen.“

Patientinnen und Patienten profitieren schon heute

Ein Beispiel ist die Behandlung von an Brustkrebs erkrankten Patientinnen: Rund 20 Prozent der Patientinnen mit Mammakarzinom sind Träger eines stark überexprimierten HER2-Rezeptors. Wird dieser im Rahmen einer genetischen Analyse festgestellt, steht den Betroffenen eine personalisierte Therapie mit dem Antikörper Trastuzumab zur Verfügung. Der Wirkstoff bindet an den HER2-Rezeptor und hemmt so das Wachstum der Krebszellen. Für Patientinnen, die keinen überexprimierten HER2-Rezeptor aufweisen, ist die Therapie hingegen wirkungslos.

Das Beispiel steht für immer mehr Fälle, in denen die Prinzipien einer noch individualisierteren beziehungsweise noch stärker auf bestimmte Personengruppen ausgerichteten Therapieform bereits umgesetzt werden. „Wir schätzen, dass Methoden der personalisierten Medizin schon ab 2030 in der Breite angewendet werden“, sagt Hipp, der bei Porsche Consulting den Bereich Life Sciences verantwortet. „Bis dahin wird sich das Gesundheitswesen als Ganzes weiter transformieren – es bahnt sich ein echter Umbruch an.“

Digitalisierung treibt die Entwicklung

Ein wesentlicher Treiber der Entwicklung ist die zunehmende Digitalisierung. So wird es laut Hipp durch die Analyse großer Informations- und Datenmengen zukünftig möglich sein, Ursachen von Krankheiten zu identifizieren, die bis dato unbekannt sind. Schon jetzt generieren Patientinnen und Patienten durch den Einsatz von Smartwatches, Smartphones oder anderen Wearables von Tag zu Tag neue individuelle Informationen. „Real World Data ermöglichen es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, noch effektivere Therapien zu entwickeln, und Ärztinnen und Ärzten, ihre Diagnosen immer weiter zu präzisieren.“

Doch das ist erst der Anfang. Denn während Deutschland noch über die digitale Gesundheitsakte diskutiert, sprechen viele Expertinnen und Experten bereits von einem digitalen Zwilling. Hierbei handelt es sich um ein digitales Abbild des Menschen mit Informationen über biologische Funktionen, Expressionsmuster von Genen und den individuellen Bedarf für Präventionsmaßnahmen einer und eines jeden Einzelnen. Hipp: „In der Zukunft werden potenzielle Therapien im Hinblick auf ihre Wirksamkeit, aber auch mögliche Nebenwirkungen zunächst am digitalen Ich getestet werden.“

Neue Chancen für Unternehmen

Die personalisierte Medizin formuliert aber nicht nur ein Versprechen für Patientinnen und Patienten – sie eröffnet auch neue Chancen für Unternehmen. „Die Bedeutung personalisierter Medizin wird in den kommenden Jahren für alle Akteure im Gesundheitswesen noch weiter zunehmen und letztlich dazu führen, dass das Thema Gesundheit ganz neu gedacht wird“, erklärt Hipp. „Bis es so weit ist, müssen sich Unternehmen, politische Entscheidungsträger und die Gesellschaft als Ganzes den Herausforderungen stellen, die das Neue wie immer mit sich bringt.“

Mit dem Drei-Phasen-Modell zum Erfolg

Als Berater und Wirtschaftsexperte konzentriert sich Roman Hipp in erster Linie auf die Unternehmen, die in der Umbruchssituation neue Chancen realisieren wollen. Diese müssten im Wesentlichen drei Phasen durchdenken, bevor sie in personalisierte Medizin als Geschäftsfeld investieren (siehe Infokasten): Am Anfang steht die strategische Entscheidung, inwieweit das Unternehmen personalisierte Therapien, wie beispielsweise Zell- und Gentherapien, in das Portfolio aufnehmen soll. „Die zentrale Frage lautet hier, ob das eigene Unternehmen die nötigen Kernkompetenzen bereits besitzt beziehungsweise Partnerunternehmen findet, um sich den neuen Markt zu erschließen – denn nur dann machen Investitionen überhaupt Sinn“, erklärt der Porsche Consulting-Experte. Könne man an diese Frage einen Haken machen, müssen im zweiten Schritt „Prozesse, Organisationsstruktur und die Fähigkeiten der Mitarbeitenden auf das zu erreichende Ziel hin ausgerichtet werden. Für die erfolgreiche Umsetzung sind dann auch kleinteiligere Herstellungsprozesse und eine komplexere Supply Chain effizient zu managen.“

Inga Bergen: „Wir brauchen einen ganzheitlichen Gesundheitsbegriff“

Inga Bergen, Unternehmerin und Expertin für Innovationen und Digitalisierung im Gesundheitswesen, 2022, Porsche Consulting
Inga Bergen, Unternehmerin und Expertin für Innovationen und Digitalisierung im Gesundheitswesen. Credit: Katja Hentschel

Inga Bergen ist Unternehmerin und Expertin für Innovationen und Digitalisierung im Gesundheitswesen. Als Geschäftsführerin hat sie den Digital-Health-Software-Dienstleister welldoo und das Start-up Magnosco aufgebaut, das die Hautkrebsdiagnostik mittels Laser-Technologie und künstlicher Intelligenz voranbringen will. In ihrem Podcast „Visionäre der Gesundheit“ diskutiert sie zukunftsweisende Themen mit anderen Expertinnen und Experten. Im Herbst 2022 erscheint ihr neues Buch „Visionäre der Gesundheit“. 

Produktion im Wandel

Laut Inga Bergen funktioniert das Gesundheitswesen heute nach dem Motto „One Size Fits All“. Bestenfalls werde in der therapeutischen Anwendung das Geschlecht und/oder das Alter einbezogen, sagt die Unternehmerin und Expertin für Innovationen und Digitalisierung im Gesundheitswesen. „Kaum Beachtung erfahren individuelle Bedürfnisse, Lebensumstände, individuelle Biologie und Genetik.“ Genau hier setzt aber die personalisierte Medizin an. „Sie berücksichtigt alle persönlichen Dispositionen von der sozialen Ebene bis hin zum genetischen Set-up, um Menschen durch ihre Gesundheit zu begleiten, ihnen im Krankheitsfall beizustehen und um ihre Therapie fortlaufend anzupassen.“

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Dr. Bernd Boidol: „Was vor 20 Jahren ein Todesurteil war, ist jetzt eine chronische Erkrankung“

Dr. Bernd Boidol, CEO, Proxygen, 2022, Porsche Consulting
Dr. Bernd Boidol, CEO, Proxygen. Credit: Proxygen

Dr. Bernd Boidol ist seit September 2020 CEO beim Pharmazie-Start-up Proxygen in Wien. Zuvor war er Berater bei Porsche Consulting in den Bereichen Medizintechnik und Pharma. Proxygen kreiert eine Plattform zur systematischen Erforschung sogenannter Molecular Glue Degraders. Diese könnten die Entwicklung von Medikamenten revolutionieren, indem sie krankheitserregende Eiweiße gezielt ansteuern, „verkleben“ und damit unschädlich machen. Im Juni 2022 hat das Start-up eine 500-Millionen-Euro-Partnerschaft mit dem deutschen Pharmariesen Merck unterzeichnet, um die Glue Degraders weiter zu erforschen.

Was Daten leisten

„Der Begriff ,personalisierte Medizin‘ ist schwer zu definieren“, sagt Dr. Bernd Boidol, CEO beim Pharmazie-Start-up Proxygen in Wien. „Wenn wir darin eine medizinische Behandlung sehen wollen, die auf den individuellen Menschen zugeschnitten ist, stellt sich die Frage, ob es sich wirklich um einen gänzlich neuen Ansatz handelt.“ Aus seiner Sicht kommt bereits die Auswertung einer Zell- bzw. Gewebeprobe in der Pathologie einem personalisierten Verfahren gleich. Ähnlich verhalte es sich bei morphologischen Auswertungen: „Wenn ich mir Zellen von Patienten unter dem Mikroskop anschaue und daraufhin ein ‚individuelles‘ Medikament verabreiche, ist das nicht weniger personalisiert – gemacht wird das seit Hunderten von Jahren.“

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Dr. Dorothee Brakmann: „Wir werden Krankheiten aufhalten, bevor sie ausbrechen“

Dr. Dorothee Brakmann, Mitglied der Geschäftsführung, Janssen Deutschland, 2022, Porsche Consulting
Dr. Dorothee Brakmann, Mitglied der Geschäftsführung, Janssen Deutschland. Credit: Alexandra Malinka

Dr. Dorothee Brakmann ist Mitglied der Geschäftsleitung bei Janssen Deutschland und verantwortet dort als Direktorin den Geschäftsbereich Onkologie / Hämatologie. Ihre Karriere bei Janssen Deutschland begann sie bereits 2008 als Leiterin Gesundheitspolitik, zuvor war Dr. Brakmann unter anderem als Krankenhausapothekerin in Großbritannien sowie für Kostenträger im Gesundheitswesen tätig und entwickelte pharmaökonomische Softwarelösungen für Apotheken. Das Pharmaunternehmen Janssen gehört zum weltweit agierenden Gesundheitskonzern Johnson & Johnson.

Anreize für Innovationen

Wenn es um ihre Zukunftsvision für das Gesundheitswesen geht, muss selbst Dr. Dorothee Brakmann einräumen, dass es sich manchmal ein bisschen anhört wie Science-Fiction. Dabei ist Brakmann keine Träumerin, sie ist Mitglied der Geschäftsführung beim Neusser Pharmazieunternehmen Janssen und hat im Laufe ihrer Karriere so ziemlich jede Station in der Branche kennen gelernt: von der Krankenhausapotheke über die Kostenträger im Gesundheitswesen bis zum forschenden Pharmaunternehmen. Die Pharmazeutin weiß also, wovon sie spricht, wenn sie sagt: „In der Zukunft werden wir Krankheiten aufhalten, bevor sie überhaupt ausbrechen – wir sind gar nicht mehr so weit davon entfernt.“

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Prof. Dr. Christoph U. Herborn: „Personalisierte Therapien sind bei uns bereits Realität“

Prof. Dr. Christoph Herborn, CEO, Bergman Clinics Deutschland, 2022, Porsche Consulting
Prof. Dr. Christoph U. Herborn, CEO, Bergman Clinics Deutschland. Credit: Porsche Consulting/Andreas Laible

Professor Dr. Christoph U. Herborn ist seit August 2022 CEO der Bergman Clinics in Deutschland. Bergman Clinics, mit Hauptsitz in Naarden in den Niederlanden, sieht sich als eine internationale Plattform für hochspezialisierte, planbare medizinische Versorgung und will gemeinsam mit Herborn vor allem in Deutschland weiteres Wachstum generieren. Herborn war zuvor Medizinischer Direktor und einer von fünf Konzerngeschäftsführern der Asklepios-Gruppe, die allein in Deutschland rund 170 Einrichtungen in 14 deutschen Bundesländern unterhält. Das Interview für diesen Artikel gab Herborn noch in seiner Funktion als Asklepios-Geschäftsführer.

Anwendung in der Praxis

Oft ist von der Medizin der Zukunft die Rede, wenn die neuen, präzisen Behandlungsansätze zur Sprache kommen. Doch mancherorts scheint die Zukunft bereits angekommen zu sein. „Bei uns, aber auch in anderen Kliniken, sind personalisierte Therapien und entsprechende diagnostische Verfahren bereits Realität“, sagt Professor Dr. Christian U. Herborn.

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Professor Ariel Dora Stern: „Personalisierte Medizin wird Standardtherapie“

Prof. Ariel Dora Stern, Associate Professor Business Administration, Harvard Business School, 2022, Porsche Consulting
Prof. Ariel Dora Stern, Associate Professor Business Administration, Harvard Business School. Credit: Jan Pauls

Ariel Dora Stern ist Associate Professor für Business Administration bei der Harvard Business School in Boston und hält parallel eine Gastprofessur am Digital Health Center des Hasso-Plattner-Institutes in Potsdam. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt im Gesundheitssektor, insbesondere in den Bereichen Innovation-Management, Digital Health und der Gesundheitsökonomie im Allgemeinen. Sie ist Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Gesellschaft für Digitale Medizin und berät Start-ups im Healthcare-Bereich. Vor ihrer akademischen Laufbahn arbeitete sie unter anderem als Ökonomin an der Wall Street, bei der Federal Reserve Bank in New York und am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. 

Studiendesign neu gedacht

Die Idee einer individuell ausgerichteten Therapie ist im Grunde nichts Neues. Seit jeher versuchen Mediziner, auf die spezifischen Probleme ihrer Patienten und Patientinnen einzugehen, und berücksichtigen beispielsweise bei der Medikamentendosierung Alter, Geschlecht und Konstitution des/der Einzelnen. Für Professorin Dr. Ariel Dora Stern ist der Begriff „personalisierte Medizin“ deshalb nur schwer abzugrenzen.

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Dr. Yacine Hadjiat: „Wir überführen neue technische Möglichkeiten in konkrete Lösungen“

Dr. Yacine Hadjiat, Global Head of Digital Health Solutions, Biogen Digital Health (BDH), 2022, Porsche Consulting
Dr. Yacine Hadjiat, Global Head of Digital Health Solutions, Biogen Digital Health (BDH). Credit: Biogen

Dr. Yacine Hadjiat ist Global Head of Digital Health Solutions bei Biogen Digital Health (BDH). Zuvor war er für führende Life-Science-Unternehmen sowie Start-ups und staatliche Behörden in der EU, den USA und Asien tätig. Biogen Digital Health wurde 2021 gegründet und ist eine globale Einheit von Biogen, die sich der Pionierarbeit in der personalisierten und digitalen Medizin in der Neurowissenschaft widmet.

Neue Apps geben Sicherheit

„Die richtige Behandlung für den richtigen Patienten zum richtigen Zeitpunkt – das bedeutet personalisierte Medizin für mich“, meint Dr. Yacine Hadjiat. Als Global Head of Digital Health Solutions bei Biogen Digital Health (BDH) konzentriert sich Hadjiat vor allem auf technische Anwendungen: „KI-gestützte Bildgebungsverfahren, Smartphones, Smartwatches und andere mit Sensoren ausgestattete Wearables erfassen Daten, um die Behandlung exakt an den jeweiligen Patienten anzupassen. Bewegungs-, Sprach-, Schreib- und Lesegewohnheiten – all diese Dinge funktionieren als digitale Biomarker.“

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Susanne Baars: „Personalisierte Therapien sollten für alle Menschen auf dem Planeten verfügbar sein“

Susanne Baars, Senior Global Thought Leadership Manager, Siemens Healthineers , 2022, Porsche Consulting
Susanne Baars, Senior Global Thought Leadership Manager, Siemens Healthineers. Credit: Erik van't Woud

Susanne Baars ist Senior Global Thought Leadership Manager bei Siemens Healthineers in Erlangen und verantwortet als solche den Ausbau der Präzisionsmedizin. Parallel dazu leitet sie ihr im Jahr 2018 gegründetes Start-up SocialGenomics, das Patientinnen und Patienten unterstützt. Hierzu werden mithilfe KI-gesteuerter Netzwerke Informationen über Erkrankungen und Tumore extrahiert, die wiederum digital mit ähnlichen Erkrankungen verknüpft werden. Auf diese Weise sollen bewährte Praktiken geteilt werden, um geeignete personalisierte Therapien zu finden.

Globale Probleme lösen

Susanne Baars ist eine Frau mit einer Mission. Ihr Ziel: nichts Geringeres, als personalisierte Therapien für jeden Menschen auf dem Planeten verfügbar und bezahlbar zu machen. Dafür wirbt sie auf hochkarätigen Veranstaltungen, tritt in TED-Talks auf und hat nicht zuletzt ein eigenes Start-up gegründet, das Krebspatientinnen und -patienten zur für sie geeigneten Therapie verhelfen soll. Gleichzeitig ist sie seit Anfang 2021 als Senior Global Thought Leadership Manager für Siemens Healthineers im Einsatz, wo sie den Ausbau der Präzisionsmedizin verantwortet.

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Chancen und Risiken für Unternehmen

Die von den Expertinnen und Experten skizzierten Umbrüche verdeutlichen, dass die personalisierte Medizin einen echten Paradigmenwechsel im Gesundheitswesen mit sich bringt. „Das bietet Chancen für diejenigen, die sich frühzeitig strategisch darauf einstellen, und gleichzeitig Risiken für diejenigen Unternehmen – aber auch Gesellschaften –, die die Entwicklung verpassen“, sagt Berater Hipp.

Das Drei-Phasen-Modell zum Erfolg

Will ein Unternehmen im neuen Markt für personalisierte Medizin erfolgreich sein, muss es Chancen evaluieren, Risiken abschätzen und jeden Schritt strategisch planen. Porsche Consulting hat ein Drei-Phasen-Modell entwickelt, mit dem das möglich ist.

1. Strategie: In einem ersten Schritt gilt es zu entscheiden, ob ein Unternehmen überhaupt einen Markt im Rahmen der personalisierten Medizin für sich definieren kann und wo sich dieser voraussichtlich entwickeln wird. „Investitionen machen nur dann Sinn, wenn Unternehmen eigene Kernkompetenzen einbringen und diese nutzbar machen können“, so Dr. Roman Hipp, Senior Partner bei Porsche Consulting. Wenn eine solche Kernkompetenz grundsätzlich existiert, gelte es, sich gegebenenfalls mit weiteren Partnern zu stärken, „um Investitionen abzusichern und die Erfolgsaussichten durch gebündeltes Know-how und Synergien zu steigern“. Sei ein Partner gefunden, müsse über die Form der Kooperation entschieden werden: Joint-Venture, strategische Allianz, Forschungskooperation sind einige der Möglichkeiten. Weitere wichtige strategische Fragen betreffen die Market-Entry-Strategie. In welcher Region kann das Unternehmen erfolgreich sein und wie stellt sich der Go-to-Market Approach dar, das heißt, wie findet die Therapie konkret Zugang zu Patientinnen und Patienten? Wie findet die Skalierung im Markt statt?

2. Operating Model: In dieser Phase müssen Prozesse, Organisationsstruktur und Fähigkeiten der Mitarbeitenden auf das zu erreichende Ziel hin ausgerichtet werden. Sprich: Kann das Unternehmen mit dem bestehenden Operating Model seine Strategie umsetzen? „Viele Unternehmen haben vielversprechende Strategien entwickelt und scheitern dann aber an der Umsetzung. Die richtigen Prozesse, Strukturen und insbesondere die benötigten Fähigkeiten der Mitarbeitenden sind wesentliche Erfolgsfaktoren für die Implementierung“, so Hipp.

3. Operations: Alle Prozesse, die es dem Unternehmen zukünftig ermöglichen, seine Leistungen im Rahmen der personalisierten Medizin zu erbringen, sollten vorab systematisch durchdacht werden. Zu klären ist beispielsweise die Frage, wie unter den Voraussetzungen der Personalisierung von Medikamenten überhaupt effizient produziert werden kann, da die Stückzahlen meist deutlich geringer sind. „Eine große Herausforderung ist es zudem, die sehr gut ausgebildeten Mitarbeitenden in der richtigen Quantität für das Unternehmen zu gewinnen“, sagt Hipp. Zu klären sei auch, inwieweit Digitalisierung die Herstellprozesse verbessern kann. Eine weitere Herausforderung ist Hipp zufolge zudem die Supply Chain, die bei der personalisierten Medizin ganz anders strukturiert ist als bei der bisherigen Produktion von Pharmazeutika. „Hier gilt es, bereits im Vorfeld einer Investition geeignete und praxistaugliche Prozesse zu definieren – nicht nur im eigenen Unternehmen, sondern beispielsweise auch gemeinsam mit den Krankenhäusern.“

Info

Text erstmalig erschienen im Porsche Consulting Magazin.

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