Die ersten Gäste erscheinen auf der Dachterrasse des Design-Hotels Schwan Locke im Münchener Stadtteil Ludwigvorstadt. Einige haben sich noch am Tag zuvor in der Boxengasse des Nürburgrings beim Porsche Sports Cup Deutschland gesehen, andere beim Porsche Carrera Cup Deutschland im belgischen Spa-Franchorchamps oder auf dem Red Bull Ring in Österreich. Auf der Rennstrecke sind sie Rivalen, hier, weit hinter den Streckenposten eine eingeschworene Crew. Rennfahrer, Team-Manager, Mechaniker und Enthusiasten – alle mit einem Faible: den Sportwagen.
Sie alle sind hier, um sich auf das nahende Rennwochenende im Porsche Carrera Cup in Imola einzustimmen. Mit dem Porsche Passion Drive 2022: einer Fahrt von Bayern, über Österreich und Südtirol, vorbei am Gardasee mit Ziel Bologna, gespickt mit einer einzigartigen Fahrkulisse und außergewöhnlichen kulinarischen Stopps. Da ist Carlos Rivas, dreimaliger ProAm-Champion des Porsche Carrera Cup Deutschland, als auch Ahmad Alshehab aus Kuwait, es ist seine erste Tour inmitten klassischer Porsche und seine zweite Saison im deutschen Markenpokal.
Gemeinschaft von Rennwagen-Enthusiasten
Dann Jan-Erik Slooten, berühmt aus dem Motorsport und Social-Media, sowie Christof Langer, erfahrener Porsche-Rennfahrer, und David Prusa, Teamchef von CarTech Motorsport sowie langjähriger Porsche Kundensport-Partner. Weiter noch Alex Fach, Teamchef von Fach Auto Tech, seit zehn Jahren in den Porsche-Markenpokalen dabei und Kurt Ecke, erfahrener Rennmechaniker und Team-Manager, sowie Mike Essmann, der Porsche Sports Cup Deutschland Champion 2020.
Während die gemeinsamen Benzingespräche vertieft werden, ist der Parkplatzwächter ein paar Stockwerke weiter unten in der Tiefgarage des Hotels intensiv damit beschäftigt, die restlichen zwölf Sportwagen-Derivate behutsam auf ihre Plätze zu lotsen. Ob GT3 Touring der Generation 992, 992 Targa, Turbo S und Coupé, 991 Speedster, 991 Coupé, 993 Cabrio, das G-Modell oder der Boxster: die privaten Sportwagen der Rennfahrergemeinde und Fans des Motorsports könnten variantenreicher nicht sein. Die Lackkleider sind mindestens genauso aufregend: Racingelb, Achatgraumetallic, Indischrot und mehr – ein unterirdischer Candystore.
Eröffnung durch Hurui Issak
Am nächsten Morgen erscheint die schnelle Crew pünktlich um 8:29 Uhr an ihren Fahrzeugen. Hurui Issak, Projektleiter des Porsche Carrera Cup Deutschland, klebt nach einer motivierten Einleitung auch seinem 911 Targa das schwarzweiße Logo des diesjährigen Porsche Passion Drive an, den er soeben eröffnet hat.
Die Münchener Metropole verschwindet im Rückspiegel und mit der immer näher rückenden Bergkulisse kündigt sich allmählich auch der alpine Way of Life auf dem vorbeifliegenden Straßenbild an. Blumenkästen voller Geranien, Ski-Plakatwerbung, Holzschnitzereien und frischgebackene Brezeln, deren Form jeden Teilnehmer im Grunde nur an den Carrera-Bahn-Parcours aus früheren Tagen erinnert. Über Funkgeräte bleiben alle in ständigen Kontakt. Nach einem kurzen Dezibel-Check in einem Tunnel stellt sich heraus, dass das dazugestoßene G-Modell von Fabian Heydgen vom Rennteam CarTech Motorsport by Nigrin am lautesten röhrt. Mit 22 Jahren ist er der jüngste Teilnehmer des Passion Drive, sein Carrera des Typ 930 hingegen der älteste teilnehmende Porsche. Fabian reiste zuvor vom Porsche Sports Cup Deutschland am Nürburgring nach München im LKW seiner Crew – echter Teamspirit.
Von München nach Südtirol
Nach München folgt das erste Etappenziel: Südtirol. Die Lenkmanöver sind noch wenig anspruchsvoll, der Fahrtwind in den geöffneten Cabrios bewegt sich auf mittlerer Fönstufe. Alle Porsche bleiben in Reih und Glied, keiner bricht aus und macht den Passion Drive zum Egotrip. Kurz vor dem Mittagessen erreicht man den Reschenpass, den charakteristischen Teil des Südtiroler Vinschgaus. Aus dem Reschensee ragt der Turm der versunkenen Kirche St. Katharina, ein Motiv, das schon in einer Netflix-Serie weltweite Aufmerksamkeit fand und auch sicher heute tausendfach im Social-Media-Kosmos geteilt wird. Die Geschichte des versunkenen Kirchturms jedoch ist weniger idyllisch: im Jahr 1950 wurden die Schleusen des Reschensees aufgrund von Bauvorhaben gestaut. Grund und Boden vieler evakuierter Familien wurden überflutet. Einzig die Spitze der Kirche blieb.
Die Porsche Passion Crew zieht daher einen anderen Turm als mittägliche Einkehr vor: das naheliegende Gault Millau-Restaurant Flurin. Hier residierte schon Maximilian der Erste, König von Rom. In den Genuss des pochierten Eis, des gedünsteten Mangolds auf den Short Ribs heimischer Rinder, sowie einer Apfeltarte mit Rosenwasser und Thymian dürfte er hingegen nicht gekommen sein. Bastian Schramm, Leiter Marketing Porsche Deutschland, findet sich jetzt auch unter den Gästen. Trotz vollem Terminkalender lässt er sich die Gelegenheit zu diesem Treffen nicht entgehen. Ein Zeugnis seiner Leidenschaft für klassische Sportwagen – einen weiteren Beweis hat er gleich mitgebracht: ein G-Modell im US-Turbolook.
Nach der königlichen Mittagsvesper ist es Zeit für eine echte Königin: das Stilfser Joch. 48 Kehren warten auf alle Heckangetriebenen. „Endlich“, ist in vielen Gesichtern der Rennfahrer zu lesen, als Bastian Schramm die Gruppe auf den heiligen Berg einschwört. Ein Höhenunterschied von fast 1.900 Metern, den es bis zur Passhöhe auf 2.757 Metern zu überwinden gilt.
Schon um 1900 waren die ersten Automobilisten hier unterwegs. In den 1930er-Jahren erklommen Rennlegenden wie Hans-Joachim Stuck, Rudolf Caracciola und Tazio Nuvolari per Boliden den Gipfel. Und spätestens seit sich Fausto Coppi beim ersten Giro d’Italia mit einem unvergesslichen Bergsprint entlang meterhoher Schneewände in die Radsport-Geschichte einschrieb, muss jeder ernsthafte Rennradler mindestens einmal im Leben den Stelvio bezwungen haben.
Zwischenstopp in Bozen
Zurück im Tal nimmt auch der Druck aufs Trommelfell wieder ab. Es folgen erfrischende Geraden und endlose Apfelbaumplantagen zur zweiten Übernachtung: Hotel Hanswirth in Bozen. Unweit von Schloss Juval, Sommerwohnsitz und Museum der Bergsteigerlegende Reinhold Messner, befindet sich das 4-Sterne-Hotel. Der Eigentümer, selbst großer Porsche-Enthusiast, heißt die Crew mit einem kühlen Getränk am Pool willkommen. Die Teilnehmer sind sichtlich erschöpft, obgleich glücklich.
In den folgenden Tagen wechseln sich eindrucksvolle Fahrten unterhalb der Dolomiten mit Besuchen einzigartiger Restaurants ab, bis es schließlich kurz vors Ziel ihrer Reise geht: dem nächsten Rennwochenende im Porsche Carrera Cup Deutschland in Imola. Alles in allem sind es die Menschen, die diesen besonderen Ausflug ausgemacht haben.
Bologna als finales Ziel
Am letzten Abend in Bologna lässt der Erste endlich mal durchblicken, was alle beim Markenpokal in Imola erwarten und man während dieser Ausfahrt schon fast vergessen hat: den Wettkampf. Carlos Rivas ist als Erster in Bologna. Der Black-Falcon-Pilot sitzt bereits vor dem Restaurant San Viglio, genießt demonstrativ ein Kaltgetränk und begrüßt den eintreffenden Ahmad Alshehab aus Kuwait mit einem Augenzwinkern: „Das ist, warum wir im Porsche Carrera Cup fahren, wir sind schnell wie die Hölle!“ Kollektives Gelächter. Eine illustre Truppe, deren Charaktere einmal mehr unterstreichen, dass Leidenschaft von Leiden kommt – und sich dabei nie zu ernst nimmt.
Sei es Christof Langer, der seit 2016 in den Porsche Markenpokalen fährt. Oder die beiden Luxemburger Geschäftsmänner: der eine, der noch heute Brandblasen an seinen Fingern hat, weil er die Rollsplitschutzfolie seines 993 versucht hat zu entfernen und einfach nicht aufgeben wollte. Dann der andere, der für Geschäftsreisen nach Deutschland nie das Flugzeug nimmt, sondern den GT3. Oder Mike Essmann, der mit seinem Cup-Porsche auch schon mal ans Nordkap fährt, um dort die eisige Stille zu genießen. Schließlich noch Jan-Erik Slooten, der im zarten Alter von vier Jahren das erste Motorradrennen bestritt und im Porsche Carrera Cup Deutschland für das Team IronForce Racing by Phoenix antritt. Sie alle eint die Leidenschaft zum Motorsport für das nur der eine Sportwagen in Frage kommt.