Im Interview spricht der 34 Jahre alte Spanier über seine Erwartungen, den Unterschied zwischen Rennen auf zwei und vier Rädern sowie eine mögliche Neuauflage des Duells mit seinem ehemaligen Erzrivalen Valentino Rossi.
Welchen Eindruck haben Sie vom Porsche 911 GT3 Cup?
Jorge Lorenzo: Ein wirklich anspruchsvoll zu fahrender Rennwagen, vor allem weil er kein ABS und keine Traktionskontrolle besitzt. Aber Kenner sagen, das ist das beste Auto zum Lernen. Wer im Porsche 911 GT3 Cup schnell ist, ist in jedem GT-Auto schnell. Jedenfalls macht es mir sehr viel Spaß, den Cup-Neunelfer zu fahren. Deshalb bin ich sehr glücklich, dass ich die Möglichkeit habe, in Imola mit dem VIP-Auto im Supercup zu starten.
Wie groß ist die Aufgabe?
Lorenzo: Sehr groß. Das wird mein erstes Autorennen überhaupt, und ich steige gleich im schärfsten Wettbewerb ein, in dem der Porsche 911 GT3 Cup eingesetzt wird. Es wird für mich extrem schwierig, mit Fahrern zu kämpfen, die praktisch im Rennwagen aufgewachsen sind und den Cup-Neunelfer seit Jahren kennen. Aber ich liebe Herausforderungen, und das ist definitiv eine große Herausforderung.
Wie schwierig ist es, von einer MotoGP-Maschine in einen Rennwagen umzusteigen?
Lorenzo: Zwar haben beide einen Motor, Bremsen und Räder, aber sie kommen aus völlig unterschiedlichen Welten. Zunächst einmal muss man auf einem Motorrad seinen Körper einsetzen, um das Gewicht nach vorne, nach hinten oder zur Seite zu verlagern. In einem Auto geht das natürlich nicht. Im Porsche 911 GT3 Cup nutzt du Gaspedal und Bremse, um das Fahrzeuggewicht auf Vorder- oder Hinterachse zu verlagern. In diesem Punkt muss ich noch viel lernen. Ich glaube, ein Motorrad-Rennfahrer kann im Automobil-Rennsport konkurrenzfähig sein. Umgekehrt ist es unmöglich.
Wenn Sie ein MotoGP-Motorrad mit einem Porsche 911 GT3 Cup vergleichen, wie unterscheidet sich das Fahrgefühl?
Lorenzo: Das Motorrad fährt auf den Geraden viel schneller und beschleunigt besser. Dagegen hat ein Auto in Kurven Vorteile. Die Rundenzeiten unterscheiden sich deswegen gar nicht so sehr. Die größte Hürde bei der Umgewöhnung stellt vielleicht die Temperatur dar, die du als Fahrer erlebst. Schon jetzt heizt sich das Cockpit des Porsche unglaublich auf. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie es im Hochsommer sein wird. Andererseits strengen MotoGP-Maschinen körperlich viel mehr an.
Was hat Sie motiviert, in den Automobilsport zu wechseln?
Lorenzo: Nach dem Ende meiner MotoGP-Karriere vor drei Jahren fehlte mir der Wettbewerb. Ich suchte nach etwas, das ein wenig ungefährlicher ist als Motorradrennen. Wenn du auf einem Motorrad einen Fehler machst, brichst du dir schnell das Schlüsselbein oder den Arm. Dieses Risiko ist im Rennwagen viel geringer. Das ist schon mal sehr gut.
Streben Sie eine zweite Karriere im Automobil-Rennsport an?
Lorenzo: Im Moment denke ich noch nicht so viel über die Zukunft nach. Ich gehe Schritt für Schritt vor, Rennen für Rennen. Ich habe in der MotoGP und generell auf dem Motorrad viel erreicht. Jetzt gebe ich mein Bestes im Rennauto.
Sie fahren den Porsche 911 GT3 Cup auch mindestens die nächsten beiden Jahre im Porsche Carrera Cup Italia. Wie lautet Ihr Ziel?
Lorenzo: Ich bin realistisch. Mein Ziel ist es nicht, den Titel zu gewinnen, zumindest nicht innerhalb kurzer Zeit. Ich war Weltmeister auf dem Motorrad, Autorennen sind ein Hobby. Ich möchte so viel wie möglich lernen und die Rennen genießen. Wenn ich auch noch konkurrenzfähig bin, umso besser.
Was erwarten Sie vom Supercup-Rennen in Imola?
Lorenzo: Es ist fantastisch, diese Gelegenheit zu bekommen. Ehrlich gesagt: Vielleicht kommt diese Chance ein bisschen früh für mich. Ich habe noch kein Rennen in Imola bestritten. Die Supercup-Fahrer gehören zu den besten der Welt im Porsche 911 GT3 Cup. Es wird sehr schwierig für mich, unter die ersten 20 zu kommen. Aber diese Gelegenheit konnte ich mir nicht entgehen lassen. In Imola vor einem Formel-1-Publikum zu fahren, ist eine Chance, die du nicht verpassen darf.
Welcher Kurs im Supercup-Kalender wäre Ihre Lieblingsstrecke?
Lorenzo: Monaco. Das ist eine legendäre Strecke voller Mythen. Man hat als Fahrer keinen Platz für Fehler. Ich glaube, es gibt keinen anderen Kurs, auf dem du so konzentriert sein musst wie in Monaco.
Wäre es nicht interessant, auch auf vier Rädern gegen Ihren ehemaligen MotoGP-Teamkollegen Valentino Rossi anzutreten?
Lorenzo: Warum eigentlich nicht? Seit wir uns beide aus der MotoGP zurückgezogen haben, ist unser Verhältnis viel besser geworden. Im Moment fährt Valentino in einer anderen Rennserie. Aber wer weiß, vielleicht sehen wir uns irgendwann im Rennwagen wieder.