Auf der Suche nach dem Herzstück eines fast vergessenen Meisterwerks

Die südafrikanische Sammlerin Michelle Hambly-Grobler möchte einen Scheunenfund wieder vervollständigen. Sie sucht nach dem Triebwerk, das einst den Porsche 718 RS 61 Spyder von Stirling Moss befeuerte.

Es gibt sie noch, die sagenhaften Scheunenfunde. Uns begegnet ein solcher in Südafrika. Entdeckt wurde der mehr als 60 Jahre alte Rennwagen der früheren südafrikanischen Formel-1-Meisterschaft in der Nähe von Hermanus. Wale lassen sich hier häufig beobachten. Der Wagen hingegen ist ein Solitär. 

Die Fundsache parkt heute – äußerlich restauriert – in der großzügigen Garage von Michelle Hambly-Grobler in Kapstadts Trendviertel Woodstock. Innerlich fehlt dem Wagen allerdings genau das, was ihn zum rechtmäßigen Teil der Sammlung werden lässt: der Porsche-Motor. Hambly-Grobler hat ihn trotzdem gekauft und instand setzen lassen. Jahrelang schon hatte sie sich um dieses Unikat bemüht, Anfang 2020 war der ursprüngliche Finder endlich zum Verkauf bereit. Seither sucht sie weltweit nach der originalen Kraftquelle, einem Carrera-Motor, Modellbezeichnung Typ 547. Hubraum: 1.587 Kubikzentimeter. 

Die Affinität zu Autos liegt im Blut

Der Rennwagen steht im Erdgeschoss einer ehemaligen Textilfabrik. In dieses Loft hat Michelle ihren Mann David und die sechs Kinder gelotst, um zwanzig Meisterstücken aus Zuffenhausen und neuerdings dem Formel-1-Boliden ein gemeinsames Zuhause zu schaffen. Die großgewachsene Michelle fällt auf mit ihrer Lockenmähne. Die Autoaffinität liegt ihr im Blut: Der Großvater managte eine Ford-Niederlassung, der Vater schraubte in der privaten Garage, der Onkel fuhr Rennen. Als Zwölfjährige klemmte sich Michelle erstmals hinters Lenkrad. In ihren Zwanzigern wurde Formel-1-Pilot Jochen Mass, der damals in Kapstadt lebte, ein enger und inspirierender Freund. Heute fährt sie Rallyes und Rennen. Die Passion für Autos nennt die erfolgreiche Projektmanagerin „einen Türöffner zu einer wunderbaren und in jeder Hinsicht vielfältigen Gemeinschaft.“ 

Maranda, David, Annette, Michelle and James Hambly-Grobler (l-r), 2021, Porsche AG
Die Familie: Porsche-Sammlerin Hambly-Grobler mit Ehemann David, den Töchtern Maranda (links) und Annette sowie Sohn James.

Als sie vor über zwei Jahrzehnten zu sammeln begann, lag ihr Fokus noch auf US-V8-Ikonen. Einem Mustang Fastback, Baujahr 1968, folgte eine Corvette von 1958, mit der sie zum Treffen der car community von Kapstadt fuhr. Das war der Tag, der alles veränderte. Ein Bekannter gab ihr den Schlüssel für seinen grünen Porsche 911 Carrera RS und den Tipp, deutsche Ingenieurskunst statt amerikanischer Big Blocks auszuprobieren. Die ausgedehnte Spritztour wurde zum Erweckungserlebnis. 

Ihr erster Porsche wurde ein 911 S. David sah anfangs etwas spöttisch auf den zarten Oldtimer herab, der – so befand er – fast in den Kofferraum seines Range Rover passen könne. Aber der Anfang war gemacht. Heute zählen zur Kollektion: ein Porsche-Diesel-Traktor „Junior“ von 1958, mit dem die Besitzerin gelegentlich zum Einkaufen fährt, ein Speedster in Fjordgrün aus dem gleichen Jahr, diverse 911-Variationen mit den Kürzeln S, T, E, SC, sowie zwei 911 Targa, ein 911 GT3 RS, ein Cayman GT4, zwei 911 Turbo der G-Serie und ein 928 S. Im Jahr 2015 wurde Michelle Hambly-Grobler international zur Porsche-Persönlichkeit des Jahres gewählt. 

Detaillierte Recherche zum 718 RS 61 Spyder von Stirling Moss

Über das jüngste Stück ihres Fuhrparks, den silbernen Rennwagen, hat die Sammlerin jedes Detail recherchiert. Während sie durch ein Album mit vielen historischen Fotos aus den 1960er-Jahren blättert, erzählt sie die Geschichte des Fahrzeugs.

Ein Südafrikaner namens Bill Jennings baute den Formelwagen in Eigenregie. Technisch wollte er ihn eng anlehnen an den Porsche 718 RS 61 Spyder, mit dem Stirling Moss erfolgreich Langstreckenrennen fuhr. Jener 718-Werkswagen, dessen Räder allerdings mit Kotflügeln verkleidet waren, wurde später der letzte und liebste Rennwagen im Besitz des berühmten Briten. Jennings jedenfalls schrieb damals nach Zuffenhausen, ob ihm Porsche nicht vielleicht einen Motor samt Getriebe aus dem 718 zur Verfügung stellen könne. Offenbar respektiert für sein Konstruktionstalent, erhielt Jennings tatsächlich einen originalen Porsche-Motor, dazu Getriebe und Hinterradaufhängung inklusive Räder. Alles Ersatzteile von Stirling Moss’ 718. Gebraucht, aber überholt.

Bill Jennings und Stirling Moss, 1960, Porsche AG
1960: Bill Jennings am Steuer seines Eigenbaus im Gespräch mit Stirling Moss.

„Hier sieht man die beiden beim südafrikanischen Formel-1-Grand-Prix in Kyalami“, sagt Michelle und deutet auf ein Schwarz-Weiß-Foto, das Moss und Jennings auf der legendären Rennstrecke zwischen Johannesburg und Pretoria zeigt. Nach einigen erfolgreichen Jahren mit seinem speziellen Eigenbau-Porsche beendete Jennings seine Rennkarriere und wurde Farmer. Dem Wagen wurde kurz darauf der Motor entnommen und verkauft. Die Aluminiumhaut verschwand unter roter Farbe und er bekam fremde Herzen eingepflanzt. Erst einen Volvo-Motor, dann ein Triebwerk von Alfa Romeo. 

Michelle hat mittlerweile fast alle Dokumente von Jennings Rennwagenprojekt mit Carrera-Motor und Stirling-Moss-Genen aufgestöbert. Ihr großes Ziel: Sie möchte den restaurierten Formelwagen mit einem der hoffentlich noch aufzutreibenden Originalmotoren eines Tages beim Festival in Goodwood an den Start bringen.

Info

Text erstmalig erschienen im Porsche-Kundenmagazin Christophorus, Nr. 399.

Autor: Dieter Loßkarn

Fotograf: Peet Mocke / Jennings Family Archives

 

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