Bitte zurücklehnen. Wer das Fahrpedal eines Porsche Taycan Turbo S voll durchtritt, erlebt 12.000 Gründe für eine stabile Sitzposition. Fahrer und Passagiere werden in geradezu atemraubender Weise in die Polster gedrückt, wenn das Topmodell des Elektrosportwagens sein versammeltes Drehmoment von 12.000 Newtonmetern an allen vier Rädern auf einmal freisetzt (Taycan Turbo S (2023): Stromverbrauch* kombiniert (WLTP) 23,4 – 22,0 kWh/100 km, CO₂-Emissionen* kombiniert (WLTP) 0 g/km, CO₂-Klasse A ). Die geballte Kraft entlädt sich ohne jegliche Verzögerung in vollem Umfang – und der Schub aus den beiden Elektromotoren an der Vorder- und der Hinterachse hält bis zur Höchstgeschwindigkeit praktisch unverändert an.
Diese Dosis Adrenalin ist Wirkstoff der einzigartigen Antriebstechnologie von Porsche. Nicht von ungefähr erklärte das renommierte Center of Automotive Management (CAM) den Taycan zum weltweit innovationsstärksten Modell des Jahres 2020. Innovation bedeutet bei Porsche schon immer, Technologien auf die Spitze zu treiben. In diesem Fall heißt das nichts weniger, als das Potenzial des Elektroantriebs so auszuschöpfen, wie es zuvor noch nie jemand getan hat.
Gelenkte Radnabenmotoren von Ferdinand Porsche
Dieses Porsche-Konzept entstand nicht gestern. Auch nicht vorgestern. Sondern schon vor über 120 Jahren. Damals entwickelte der junge Ferdinand Porsche seine ersten Elektrofahrzeuge mit gelenkten Radnabenmotoren – eine Weltneuheit. Die Möglichkeiten der Elektromobilität stachelten seinen sportlichen Ehrgeiz an, sein mit vier elektrischen Radnabenmotoren ausgerüsteter Rennwagen wurde zum ersten allradangetriebenen Personenwagen der Welt.
Die einfachen Gleichstrommotoren von damals sind längst von hoch entwickelten Maschinen abgelöst. Das physikalische Grundprinzip ist allerdings gleich geblieben: Magnetismus. Ein Magnet besteht immer aus einem Nord- und einem Südpol. Ungleiche Pole ziehen sich an, gleiche Pole stoßen sich ab. Es gibt zum einen Permanentmagnete, die auf der Wirkung von Elementarteilchen beruhen. Zum anderen entstehen Magnetfelder auch bei jeder Bewegung einer elektrischen Ladung. Um den Elektromagnetismus zu verstärken, wird bei einem Elektromotor der stromdurchflossene Leiter zu einer Spule angeordnet. Elektromagnete – und je nach Ausführung des Motors auch Permanentmagnete – sind auf zwei Komponenten angeordnet. Das feststehende Teil heißt Stator, das drehende Teil ist der Rotor. Durch periodisches An- und Abschalten der elektrischen Spannung entstehen Anziehungs- und Abstoßungskräfte, welche die Drehbewegung des Rotors erzeugen.
PSM statt ASM
Nicht jeder Typ Elektromotor eignet sich für den Einsatz als Fahrzeugantrieb. Porsche setzt auf die permanenterregte Synchronmaschine (PSM). Gegenüber der vorwiegend verwendeten Bauart der kostengünstigeren Asynchronmaschine (ASM) bietet die PSM eine höhere Dauerleistung, weil sie weniger leicht überhitzt und ergo nicht runtergeregelt werden muss. Die PSM von Porsche wird über eine Leistungselektronik mit dreiphasiger Wechselspannung versorgt und gesteuert: Über die Frequenz der Wechselspannung, mit der sie um den Nullpunkt von Plus zu Minus pendelt, wird die Drehzahl des Motors bestimmt. Der Pulswechselrichter gibt bei den Taycan-Motoren die Frequenz des Drehfeldes im Stator vor und reguliert so die Drehzahl des Rotors.
Der Pulswechselrichter gibt bei den Taycan-Motoren die Frequenz des Drehfeldes im Stator vor und reguliert so die Drehzahl des Rotors. Der Rotor verfügt über hochwertige Dauermagnete mit Legierungen aus Neodym-Eisen-Bor, die im Fertigungsverfahren über ein starkes gerichtetes Magnetfeld dauerhaft aufmagnetisiert werden. Die Dauermagnete ermöglichen auch eine sehr hohe Energierückgewinnung durch die Rekuperation beim Bremsen. Im Schubbetrieb geht die E-Maschine in den generatorischen Betrieb und lässt die Magnete Spannung und Strom in die Statorwicklung induzieren. Die Rekuperationsleistung des Porsche-E-Motors ist die höchste im Wettbewerb.
Hairpinwicklung als Besonderheit der Taycan-Maschinen
Technologie auf die Spitze getrieben: Dieses Porsche-Gen spiegelt sich in einer Besonderheit der Taycan-Maschinen – der sogenannten Hairpinwicklung. Bei ihr bestehen die Spulen des Stators aus Drähten, die nicht rund, sondern rechteckig sind. Und im Gegensatz zu den klassischen Wicklungsverfahren, die den Kupferdraht von einer endlosen Rolle beziehen, ist die Hairpintechnologie ein sogenanntes umformbasiertes Montageverfahren. Das bedeutet: Der rechteckige Kupferdraht wird in einzelne Abschnitte unterteilt und u-förmig gebogen – ähnlich wie eine Haarnadel oder auf Englisch hairpin. Diese einzelnen Klammern werden in die Statorbleche, in denen die Wicklung gelagert ist, so eingeschoben, dass die Flächen des rechteckigen Querschnitts aufeinanderliegen.
Darin liegt der entscheidende Vorteil der Hairpintechnologie: Sie erlaubt, die Drähte dichter zu packen und dadurch mehr Kupfer in den Stator zu bringen. Während herkömmliche Wicklungsverfahren einen sogenannten Kupferfüllfaktor von rund 50 Prozent aufweisen, liegt er bei der von Porsche angewandten Technologie bei fast 70 Prozent. Dadurch steigen Leistung und Drehmoment bei gleichem Bauraum. Die Enden der Drahtklammern werden per Laser verschweißt, wodurch die Spule entsteht. Ein weiterer wichtiger Vorteil ist, dass der homogene Kontakt der benachbarten Kupferdrähte die Wärmeübertragung verbessert und ein Hairpinstator deutlich effizienter gekühlt werden kann. Elektromotoren setzen zwar die Energie zu über 90 Prozent in Vortrieb um. Aber wie bei einem Verbrennungsmotor werden die Verluste in Wärme umgewandelt, die abgeführt werden muss. Deshalb tragen die Maschinen einen Kühlwassermantel.
Geballtes Porsche-Know-how im Pulswechselrichter
Um einen permanenterregten Synchronmotor exakt ansteuern zu können, muss die Leistungselektronik die exakte Winkelposition des Rotors kennen. Dazu dient der Resolver. Er besteht aus einer Rotorscheibe aus feldleitendem Metall, einer Erreger- sowie zwei Empfängerspulen. Die Erregerspule erzeugt ein Magnetfeld, das über den Drehgeber zu den Empfängerwicklungen übertragen wird. In den Empfängerspulen wird dadurch eine Spannung induziert, deren Phasenlage proportional zur Rotorlage verschoben ist. Aus dieser Information kann die Steuerung die exakte Winkellage des Rotors errechnen. In dieser Steuerung, dem sogenannten Pulswechselrichter, steckt geballtes Porsche-Know-how. Er ist dafür zuständig, den Batteriegleichstrom mit 800 Volt Spannung in Wechselstrom umzuwandeln und den beiden E-Maschinen zuzuführen.
Als erster Hersteller überhaupt setzte Porsche eine Spannungslage von 800 Volt um. Einst entwickelt für den Rennwagen Porsche 919 Hybrid, reduziert sie nun in der Serie Gewicht und Bauraum durch schlankere Kabel und ermöglicht kürzere Ladezeiten. Die Elektromotoren erreichen bis zu 16.000 Umdrehungen pro Minute. Um diese Drehzahlspanne optimal für die Porsche-typische Spreizung zwischen Dynamik, Effizienz und Höchstgeschwindigkeit zu nutzen, haben die vordere und die hintere Antriebseinheit jeweils ein eigenes Getriebe. Als erster Elektrosportwagen überhaupt besitzt der Taycan an der Hinterachse ein Getriebe mit zwei schaltbaren Gängen, wovon der erste sehr kurz untersetzt ist. An der Vorderachse überträgt ein Eingang-Planetengetriebe die Kraft an die Räder.
Mit dieser Kombination entwickelt der Taycan Turbo S seine gewaltigen Kräfte. An der Vorderachse übersetzt die Gangstufe die 440 Newtonmeter des E-Motors zu rund 3.000 Newtonmetern an den Rädern. 610 Newtonmeter des Hinterachsmotors werden im ersten Gang zu etwa 9.000 Newtonmetern Achsmoment vervielfältigt. Aufgabe des länger übersetzten zweiten Gangs ist die Sicherstellung von Effizienz und Leistungsreserven bei hoher Geschwindigkeit.
Info
Text erstmalig erschienen im Porsche-Kundenmagazin Christophorus, Nr. 398.
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