Wenn Unternehmen oder Organisationen heute an die Öffentlichkeit treten, dann brauchen Sie dazu immer seltener Pressemitteilungen. Vorbei ist auch die Ungewissheit, ob die vorbereiteten Botschaften von den Medien überhaupt aufgegriffen und veröffentlicht werden. Inzwischen kann jeder über die digitalen Kanäle der sozialen Medien selbst kommunizieren und seine Zielgruppe ohne Umwege direkt erreichen – in der gewünschten Form und Aufmachung, jederzeit und rund um den Globus. Die Akzeptanz ist erstaunlich hoch – insbesondere bei unkritischen, eher informativen Inhalten.
Geschäftsführer und Vorstände, die in die Öffentlichkeit treten möchten, müssten nicht mehr darauf warten, dass „die Bild Zeitung oder die FAZ anruft“, ein Interview vereinbart und dann auch noch „die richtigen Fragen stellt“, sagt ausgerechnet Kai Diekmann. Der Journalist war 16 Jahre Chef der Bild-Zeitung. Er hat die Seiten gewechselt, hilft inzwischen Menschen aus Wirtschaft und Politik, auf Kanälen wie Twitter, LinkedIn und Instagram eine gute Figur zu machen und die gewünschte Zielgruppe möglichst treffsicher zu erreichen. Seine Dienste bietet er als digitaler „Ghostwriter“ für Persönlichkeiten an, bleibt selbst meist verdeckt im Hintergrund und hat für dieses Geschäft die Berliner Agentur Storymachine gegründet.
Die digitalen Möglichkeiten haben die Rolle der Medien und ihrer Journalisten verändert
Sie sind Teilnehmer in den sozialen Netzwerken, beziehen ihre Informationen zum Beispiel via Twitter und verarbeiten sie weiter. Erste Quelle exklusiver Nachrichten sind sie jedoch seltener. Diekmann beschreibt den Verlust des „Veröffentlichungs-Monopols“ so: „Als Chefredakteur der Bild-Zeitung habe ich früher darüber entschieden, wer mit welchen Botschaften ein Massenpublikum erreicht. Ich war der Gatekeeper, der Agenda Setter. Das ist vorbei. Jetzt kann sich jeder selber in der Öffentlichkeit inszenieren und sein Publikum ansprechen.“ Diekmann gibt ein prominentes Beispiel: „Ein Fußballverein wie der FC Bayern München macht es vor, wie er Interviews mit sich selber führt.“ Die Rolle der Journalisten sieht Diekmann nun darin, solche Inhalte „unabhängig zu überprüfen“.
Welcher Kanal der Beste ist, macht Diekmann vom Nutzen abhängig: „Twitter ist ein Eliten-Medium, erreicht Journalisten und eignet sich für wirtschaftspolitische Debatten. Linkedin fördert den Austausch von Erfahrungen. Und Instagram ist wie eine Hochglanz-Illustrierte unter den sozialen Medien.“ Egal welcher Kanal bespielt werden soll – der Erfolg hänge von gutem Handwerk ab: Ohne journalistische Fähigkeiten in der Darstellung bliebe die Wirkung aus. Hinzu käme der technische Sachverstand, besonders in Bezug auf den Umgang mit Algorithmen, die von den Plattformen eingesetzt werden, um zu ermitteln, was dem Nutzer gefallen könnte. Diekmann: „natürlich braucht man Reichweite, aber noch wichtiger als die Zahl der Follower ist es, die richtigen Follower fürs Thema anzusprechen.“
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