Ein Porsche 911 auf nasser Fahrbahn. Spritzwasser wirbelt auf. Akustische Sensoren in den vorderen Radhäusern erkennen, dass Aquaplaning droht. Eine Einblendung auf dem Display warnt den Fahrer vor der Gefahr. Er aktiviert den Porsche Wet Mode, um größtmögliche Fahrstabilität zu erhalten. Verschiedene Assistenzsysteme und Einstellungen des Elfers werden automatisch an die gefährliche Situation angepasst. Die Technologie ist seit Frühjahr 2019 in der achten Generation der Porsche-Ikone erhältlich. Innovationen wie diese haben immer eine lange Vorgeschichte. Jahre bevor der Wet Mode in Serie gehen konnte, wurde die Idee im Bereich Vorentwicklung Fahrwerk auf Machbarkeit geprüft. Wer also heute wissen will, was ein Porsche im Jahr 2030 alles können wird, der spricht am besten mit den Innovationsmanagern von Porsche in Weissach bei Stuttgart. Uwe Reuter arbeitet hier mit seinem Team aus Ingenieuren und Data Scientists an den Neuheiten, die erst in zehn Jahren serienreif werden.

Um innovativ zu sein, brauchen die rund 30 Mitarbeiter auch innovative Arbeitsmethoden, davon ist Reuter überzeugt. Design Thinking, Scrum, Ideation Workshops, Communities und Hackathons gehören selbstverständlich zu ihrem Repertoire. Doch für eine innovative Arbeitsatmosphäre reicht das allein nicht. Besonders deutlich spürte das die Abteilung, als sie 2017 in ein neues Gebäude auf dem Gelände des Porsche-Entwicklungszentrums einzog. „Wir haben schnell festgestellt, dass wir dort nicht so arbeiten konnten, wie wir es wollen und müssen, um unserer Rolle als Innovationstreiber gerecht zu werden“, so Reuter. Zu starr und klassisch kamen Raumaufteilung und Einrichtung daher. In nur zwei Wochen setzten sie deshalb gemeinsam mit Porsche Consulting Sofort-Maßnahmen für flexibleres und produktiveres Arbeiten um und entwickelten ein Konzept für den Umbau der Räume.

Der perfekte Arbeitstag für Entwickler

„Begonnen haben wir unseren Zwei-Wochen-Sprint mit der Frage, wie der perfekte Arbeitstag für die Entwickler aussehen müsste“, so Porsche-Berater Wolfgang Freibichler. Die Analyse der Ist-Situation zeigte, an welchen Stellen Veränderungen nötig waren, um dieses Ideal zu erreichen. Wie viel Zeit verbringen die Mitarbeiter am Arbeitsplatz, wie viel in Meetings? Wie viele Personen nehmen daran teil? Wie gut gelingt konzentriertes Arbeiten im Büro? Nach einem Tag hatten die Entwickler alle Fakten zusammengetragen. Und die waren erstaunlich: „Viele Schreibtische blieben stundenlang leer, weil wir uns oft in kleinen Teams zusammensetzen“, so Reuter. „Von den persönlichen Ablageflächen war die Hälfte ungenutzt. Die Zusammenarbeit mit Kollegen aus anderen Bereichen ist für die Innovationsmanager enorm wichtig. Ständiger Besucherverkehr lenkt aber diejenigen ab, die gerade konzentriert und in Ruhe arbeiten wollen.“

Uwe Reuter, Porsche-Entwickler, 2019, Porsche Consulting GmbH
Uwe Reuter arbeitet gern an ausgefallenen Orten. Diese von Porsche Design entwickelte Ski-Gondel steht im Entwicklungszentrum Weissach. Foto: Porsche Consulting

In wenigen Tagen entwickelten die Mitarbeiter maßgeschneiderte Lösungen für die Schwachstellen. „Bei der Lösungssuche haben wir uns auf vier Kernbereiche von New Work konzentriert“, sagt Reuter. Konzentration, Kollaboration, Kommunikation und Kontemplation bilden die vier wichtigsten Bedürfnisse der Innovationsmanager ab. Alle vier haben ihre Berechtigung. Gesucht – und gefunden – wurde der ideale Mix. Die Zahl der Einzelarbeitsplätze konnte reduziert werden, um Platz für flexible offene Flächen zu gewinnen. Statt riesiger Konferenzräume, die ständig von wechselnden Teams gebucht werden, brauchen sie kleinere Besprechungszimmer, in denen die an die Wand geschriebenen Ideen einige Zeit stehen bleiben können. Rückzugsorte wie Lesesessel, Fokusräume und abgeschottete Arbeitsplätze bieten die Möglichkeit, in Ruhe und konzentriert zu arbeiten.

Neue Arbeitsatmosphäre nach zwei Wochen

„Viele Maßnahmen konnten wir sofort und ohne Umbau umsetzen“, sagt Reuter und nennt ein paar Beispiele: „Große Sanduhren am Arbeitsplatz, die symbolisieren, wenn jemand gerade für eine halbe Stunde nicht gestört werden möchte, fördern die Konzentration des Einzelnen. Wir haben unsere Räume mit Magnet- und beschreibbaren Wänden ausgestattet, an denen agil und interaktiv zusammengearbeitet werden kann. Und neue digitale Kommunikationstools helfen uns dabei, unsere Arbeitsergebnisse besser zu teilen.“ Eine beliebte Neuerung sind die „Walking Meetings“ auf dem Gelände des Entwicklungszentrums. Statt eines Besprechungsraumes kann über den digitalen Kalender auch eine Spazierstrecke als Ort für ein Meeting ausgesucht werden – denn Bewegung fördert die geistige Leistungsfähigkeit.

Die Lösungen basieren auf dem von Porsche Consulting entwickelten Ansatz „Nudge Management“. Seine Wirksamkeit beruht darauf, dass gezielt die Instinkte angesprochen werden. Kleine Veränderungen der Rahmenbedingungen, so genannte „Stupser“, machen es den Mitarbeitern leicht, sich effizient zu verhalten. „Nudge Management ist besonders hilfreich, wenn dauerhafte Verhaltensänderungen erreicht werden sollen“, so Freibichler. Schon nach zwei Wochen stellte sich bei den Porsche-Entwicklern eine spürbare Verbesserung der Arbeitsatmosphäre ein. Diese lässt sich auch messen: Die Produktivität der Beschäftigten stieg um mehr als zehn Prozent. Gleichzeitig sind die Fachkräfte zufriedener mit Ihren Arbeitsbedingungen, denn sie erleben nun weniger Stress und mehr Flow, können sich also besser in ihre Aufgaben vertiefen – ein wichtiger erster Erfolg für das Pilotprojekt, das auch Vorbildfunktion für andere Bereiche bei Porsche hat.

Unterdessen heißt es im Bereich Vorentwicklung Fahrwerk wieder volle Konzentration auf die Innovationen von übermorgen. Dann sollen die Fahrzeuge nicht nur aktuell gefährliche Situationen wie Aquaplaning erkennen, sondern vorausdenken, kommunizieren und auf Wunsch auch autonom handeln. Kameras, Radar- und Lasersensoren werden mit der Cloud verknüpft. Daten über den Straßenverkehr und die Witterung werden blitzschnell ausgewertet und unter den vernetzten Fahrzeugen ausgetauscht. Sie warnen sich gegenseitig vor Blitzeis oder Stau-Enden, verbessern so den Verkehrsfluss und reduzieren die Zahl der Unfälle. Jede Menge Innovationen also, an denen Uwe Reuter und sein Team in ihrer modernen Arbeitsumgebung heute schon arbeiten.

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Fotos: Porsche Consulting GmbH

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