Neben dem verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen verfolgt Porsche im Rahmen der Strategie 2025 das Ziel, seine Kompetenz im Bereich Leichtbau kontinuierlich auszubauen. Ohnehin ist ein möglichst geringes Gewicht oberste Prämisse bei einem modernen Sportwagen wie dem neuen Porsche 911 Carrera. Daher wurden die Karosserie sowie das Chassis konsequent in einer innovativen Aluminium-Verbund-Schalenbauweise konstruiert: Der Anteil der aus Alulegierungen gefertigten Komponenten im Kastenrohbau des 992 ist gegenüber dem Vorgängermodell deutlich gewachsen.
Aluminium-Strangpressprofile werden unter anderem bei den vorderen und hinteren Längsträgern, den inneren und äußeren Schwellern sowie den Bodenversteifungen verwendet. Aluminium-Druckgussteile kommen bei der vorderen Federbeinaufnahme, der Tunnelglocke hinten oder den Pralldämpferaufnahmen zum Einsatz. Die Außenhaut des neuen 911 ist mit Ausnahme des Bug- und Heckteils komplett aus Aluminium gefertigt. Lediglich jene Bauteile, die die Fahrgastzelle umschließen, bestehen aus warmgeformten Stählen, um die Insassen maximal und bestmöglich zu schützen.
Intelligenter Materialmix
Dank diesem intelligenten Materialmix ist die Rohkarosserie der achten 911-Generation trotz leicht gewachsener Dimensionen und höheren Sicherheitsanforderungen nicht schwerer als die seiner Vorgänger geworden: „Wir liegen hier je nach Ausführung bei lediglich 240 bis 280 Kilogramm“, wie Steffen Soyez, der Leiter des Karosseriewerks, erläutert.
Porsche hat zwar bereits vor 15 Jahren mit dem Prinzip Mischbauweise begonnen. Doch die Verbundkonstruktion des neuen 911 erforderte innovative, moderne Produktionstechnologien. Daher hat Porsche unter Einbeziehung der Anwohner das bestehende Karosseriewerk auf dem Gelände in Zuffenhausen ab Mai 2015 um einen neuen Anbau erweitert: „Da uns hier in der Stadt nur eine begrenzte Fläche zur Verfügung steht, mussten wir zwangsläufig in die Höhe wachsen“, erläutert Steffen Soyez. „Die Fertigung läuft nun über drei Stockwerke und ist vor allem in Sachen Fördertechnik eine besondere Herausforderung.“ In dem rund 69.000 Quadratmeter großen Gebäude werden bereits seit September 2018 die ersten Karosserien des 992 produziert.
Hoher Automatisierungsgrad
Die bereits bei der Produktion des Vorgängers bewährte „Best-fit“-Montagetechnik – mit dem automatisierten, sensorgeführten und damit passgenau gesteuerten Montieren der Karosserieanbauteile – wurde für den neuen 911 ausgeweitet und optimiert: „Wir arbeiten hier mit einem gesteigerten Automatisierungsgrad“, erklärt Soyez, „bei der die bereits vereinzelt eingesetzten Mensch-Roboter-Kollaborationen (MRK) mit komplett neuen Sicherheitsfeatures konzipiert wurden. Die Sensorik der Roboter ist so programmiert, dass sie ihre Bewegung sofort stoppen, sobald ein Mensch der Sicherheitszelle zu nahe kommt.“
Die Mitarbeiter des Karosseriewerks sind bereits nicht nur auf den Umgang mit den kollaborativen Robotern geschult, sondern haben auch eine Grundausbildung für die innovative Mischbauweise erhalten. „Für Fachkräfte, die sich auf einen Arbeitsbereich spezialisieren wollen, bieten wir entsprechend weiterführende Kurse an“, sagt Soyez. Bewährte und hochspezialisierte Handarbeit ist übrigens für die Montage der Hauben und für das Finish gefordert: „Die Oberflächenbearbeitung ist eine wahre Kunst.“
Schritt für Schritt
Die Rohkarosserie des 911 wird im neuen Vollwerk in rund neun Aufbauschritten montiert. Wer als Kind einst Modellautos aus Bausätzen zusammengeklebt hat, kennt das Prinzip: Aus vielen Einzelteilen entsteht ein Ganzes. Im Falle der 91-Karosserie fängt es mit der Zusammenführung des Vorder- und Hinterwagens sowie der Bodenmitte zum Unterbau an, die von den Robotern um die vorderen Radhäuser samt der Federbeinaufnahmen und der Längsträger ergänzt wird. Die Aluminium- und Stahlblechteile, aus denen sich der Aufbau zusammensetzt, werden von den Zulieferpartnern termingerecht ins Stammwerk Zuffenhausen geliefert. Von dort bringt sie ein Routenzug taktgenau an die Anlagenstationen im Karosseriewerk.
Dazu wird der Unterbau des neuen Porsche 911 von den Robotern per Handlingsgreifer auf einen Transportschlitten gehoben, der das vorbereitete Chassis den Karosseriebau-Stationen etappenweise zuführt. Schritt für Schritt entsteht aus den Rohteilen ein nahezu kompletter 911er: Den Seitenteilen folgen das Moduldach, die Türen, die Kotflügel, die Kofferraum- und die Motorhaube. Als weitere neue Techniken wurden zudem das Reibelement-Schweißen, Vollstanznieten sowie Rollfalzen (für die Verbindung der Alu- auf die Stahlkomponenten) installiert. Bei den Klebeverbindungen kann die achte Generation des 911 übrigens einen neuen Rekord vermelden: Die Länge der Klebenähte ist gegenüber dem Vorgänger auf 180 Meter gewachsen.
Taufe mit Geburtsurkunde
Kommt eine nun schon als neuer Porsche 911 erkennbare Rohkarosse schließlich an der letzten Station an, folgt die sogenannte Taufe des Fahrzeugs mit der Erstellung seiner Geburtsurkunde: Das Exemplar wird mit einem Transponder versehen, der den fahrzeugspezifischen Identifizerungscode enthält. Zum Abschluss kontrollieren erfahrene Karosseriebauer im Finish sowohl die Oberflächen als auch alle Anbauteile auf ihre Passgenauigkeit: „Die Fahrzeuggeometrie muss stimmen, damit in der Montage letztendlich alles perfekt läuft“, erläutert Soyez das Procedere. Anschließend wandert die Rohkarosse in die Lackiererei.
Info
Autor: Egbert Schwartz
Text erstmalig erschienen in „Automobil Produktion“ – Sonderausgabe 2018 „Der neue Porsche 911“
Verbrauchsangaben
Baureihe 911 (Typ 992): Kraftstoffverbrauch kombiniert 9,1 – 8,9 l/100 km; CO2-Emission 208 – 205 g/km