Die neuen Modelle waren ein Volltreffer. Mit der Einführung des Boxsters im August 1996 und dem im Jahr darauffolgenden 911 der Generation 996 hatte man in Zuffenhausen die Probleme der Vergangenheit gut im Griff. Baureihenübergreifende Komponentenverwendung, eine deutlich modernere Produktion und wegweisende Technologie-Entwicklungen bildeten die Basis für starkes Wachstum. Mit dem Erscheinen des Cayenne übertraf man in Stuttgart schließlich nicht nur die Erwartungen des Marktes, sondern dank der überwältigenden Nachfrage vor allem auch die eigenen Stückzahlpläne. Raum für eine weitere Baureihe war geschaffen.
Die Entstehung der ersten Panamera-Generation
Die Entwickler hatten freie Hand, als es an die Planungen einer vierten Baureihe ging. Die Optionen waren vielfältig, diskutiert wurden nicht nur ein kleineres SUV unterhalb des Cayenne in der Größe des späteren Macan, sondern auch ein kompaktes Fahrzeug im C-Segment, das in der Größe mit dem heutigen Taycan vergleichbar gewesen wäre. „Die Entscheidung fiel dann aber doch relativ schnell“, so erinnert sich Dr. Michael Steiner, Vorstand Forschung und Entwicklung Porsche AG und damals der erste Leiter der Baureihe Panamera. „Eine sportliche Limousine sollte es letztlich werden, am Anfang in der Planung noch kompakter als das spätere Auto, denn der Anspruch an Chauffeurstauglichkeit kam erst später im Prozess dazu.“
Dabei war bei Porsche die Idee eines viertürigen und viersitzigen Sportwagens nicht neu. Schon in der Vergangenheit gab es Versuche und Prototypen in diese Richtung, doch Serienreife erlangte keines der Konzepte. Am ehesten noch der Porsche 989, doch das Projekt „Viertürer“ war nicht nur deutlich teurer als erwartet, das unternehmerische Risiko wurde Anfang der Neunziger Jahre angesichts des nötigen Verkaufspreises als zu hoch eingestuft.
Zehn Jahre später war es dann soweit, die Planungen und Entwicklungen zum Panamera, dem großen Viersitzer, wurden aufgenommen. Im Gegensatz zum 989 stand beim Panamera von Anfang an der Verzicht auf Einmalaufwendungen im Vordergrund. Das Unternehmen hatte von den Synergien der Baureihen 986 und 996 gelernt und wollte diese nun auf den Panamera übertragen.
Der Vorstand prüfte sogar die Nutzung einer Konzernplattform als technische Basis für den Panamera. Zu einer Kooperation kam es aber nicht, da alle möglichen Limousinen-Plattformen deutlich zu hoch gebaut hätten und der Schwerpunkt eines solches Fahrzeugs nicht mit den fahrdynamischen Anforderungen an einen echten Porsche in Einklang zu bringen gewesen wären.
„Unternehmerisch war die Entscheidung für eine eigene Plattform sicher ein großer und mutiger Schritt“, erinnert sich Dr. Gernot Döllner, der damals die Konzept- und Entwicklungsphase der ersten Panamera-Generation G1 und später als Leiter der Baureihe Panamera G2 auch den Nachfolger verantwortete. „Unser Ziel war deshalb die maximale Komponentennutzung von Cayenne und 911.“ So war der V8-Motor mit Benzin-Direkteinspritzung aus dem großen SUV genauso gesetzt, wie ein Großteil der Elektrik- und Elektronik-Architektur. Die Sitze wurden vom 911 abgeleitet und auch beim Antriebsstrang sind viele Komponenten von den Geschwistern entnommen.
Freie Hand hatte das Team hingegen beim Design. Nicht zuletzt auf Wunsch des damaligen Vorstandsvorsitzenden Dr. Wendelin Wiedeking sollte der Panamera eine Luxuslimousine werden, ein Statement, eine Ikone. Er sollte seine außergewöhnliche Fahrdynamik zeigen, generöse Platzverhältnisse im Innenraum bieten und mit schneller Dachlinie und charakteristischem Fließheck auf den ersten Blick als Porsche erkennbar sein.
Sprung ins Jetzt
Das ist er noch heute. Auch zehn Jahre nach seinem Debüt ist der Porsche Panamera der ersten Generation eine außergewöhnliche Erscheinung. Die flache Motorhaube, flankiert von den beiden aufgestellten Kotflügeln erinnern mehr als nur zart an die Sportwagen der Marke; die flache Dachlinie und die klare, unterbrechungsfreie Fensterlinie bilden mit dem sportlich ausgeformten und sanft ohne Rückschwung auslaufenden Heck unmissverständlich die Dynamik eines echten Porsches.
Im Interieur empfängt der Panamera seine Fahrer mit einer bisher aus Stuttgart nicht gekannten Großzügigkeit bei gleichzeitiger Fokussierung. Alles ist hier ganz klar auf das Fahren ausgerichtet. Die Instrumente, teils digital und voll ins Infotainment-Konzept eingebunden, tragen klassisch den analogen Drehzahlmesser in der Mitte. Auf der Mittelkonsole gruppiert sich alles um den PDK-Wählhebel, der das eigens für den Panamera entwickelte Siebengang-Porsche-Doppelkupplungsgetriebe steuert. Mit der bewussten Entscheidung für ein reines Viersitzer-Konzept verfügt der G1 Panamera wie gewünscht über großzügigen Bewegungsraum für alle Passagiere und bietet dank der großen Mittelkonsolen und der tiefen Sitzposition für ein unvergleichlich integriertes Raumgefühl.
Dieses Konzept hat Porsche beim Panamera der Generation G2 beibehalten und so empfängt auch dieser den Fahrer zehn Jahre später in einer Innigkeit, die in dieser Klasse Maßstäbe setzt. Beim Bedienkonzept mit der neusten Generation des Porsche Communication Management-Systems und den Black-Panel Schalterfläche auf der Mittelkonsole hat sich auf den ersten Blick auch viel geändert, die Philosophie ist aber doch gleich geblieben: die Fokussierung auf den Fahrer und das Fahrerlebnis bei größtmöglichem Komfort.
Nicht nur auf der Langstrecke, sondern auch im engeren Kurvengeläuf zeigt sich die mögliche Spreizung zwischen großem Komfort und absoluter Sportlichkeit noch immer ohne Gleichen. Der Aufwand der bei der Entwicklung der PASM-Abstimmung und der adaptiven Luftfederung – im Panamera Turbo erstmals mit schaltbarem Zusatzvolumen für eine anpassbare Federkennlinie – beeindruckt auch zehn Jahre nach seinem Debüt. Wer vom G1 direkt in den G2 umsteigt, ist deshalb überrascht, wie sich die Fähigkeiten in allen Dimensionen noch einmal steigern lassen.
„Durch die komplett neue Chassis-Abstimmung und den abermaligen Verzicht auf die Nutzung einer bestehenden Plattform konnten wir in der zweiten Generation mit der Dreikammer-Luftfederung und dem eigenen Fahrwerksregler die Latte noch ein gutes Stück höherlegen“, ist Dr. Gernot Döllner spürbar stolz auf den Entwicklungsschritt der neuen Generation.
Ob der Autobahndauerlauf nahe der Höchstgeschwindigkeit, oder das lockere Wedeln über die Landstraße, der Panamera zeigt hier Fähigkeiten, die man kaum für möglich halten würde. Dass er dabei stets zurückhaltend bleibt, sein Talent nicht in den Vordergrund drängt und jederzeit souverän in sich ruht, ist Zeugnis des gelungenen Konzepts. Er kann jederzeit und muss doch nie. Er ist voll da, wenn es nötig ist und gibt Raum, wenn nicht.
Der Panamera ist ein echter Gran Turismo – damals und heute noch mehr.
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Text: Fabian Mechtel