Die Cherangani Hills heißen nur so. Denn „Hügel“ ist der blanke Hohn, die Dinger haben etwa Zugspitze-Format: 3.000 Meter Höhe. Die Nacht von Gründonnerstag auf Karfreitag ist pechschwarz, wie sich das hier draußen in der Wildnis gehört. Unten an einem Hang sitzen Roland Kussmaul und Jürgen Barth in ihrem mit Ersatzteilen vollgepackten Porsche. Kussmaul hat die Rallyewagen vom Typ 911 SC für diese Safari entwickelt, Barth schrieb den Masterplan, nach dem sieben VW Busse und zwei Land Rover übers Land zischen und beide Rallyeautos entlang der 5.000 Kilometer langen Route am Laufen halten.
Jetzt warten die Porsche-Männer darauf, dass der 911 SC mit dem Local Hero Vic Preston jr. und seinem Beifahrer John Lyall auftaucht. Preston hatte am Funk gemeldet: „Der Stoßdämpfer vorn rechts ist kaputt!“ Endlich brüllt der Dreiliter-Sauger durch die Tropennacht, der Porsche stürzt sich die steile Schotterstraße runter, stoppt kurz an der Zeitkontrolle, rollt die 50 Meter rüber zu Kussmaul und Barth. Kussmaul erinnert sich: „Wir mussten den ganzen Achsschenkel rausholen, weil der Dämpfer sich nicht mehr bewegte. Alles war so heiß, dass wir nichts anfassen konnten. Wir haben Vic und John gesagt, sie sollen jetzt bitte mal 20 Meter vom Auto weggehen. Wir hatten kein Wasser, um den Dämpfer, die Bremse und den Radträger abzukühlen. Also haben wir 20 Liter Benzin über die ganze Chose gekippt und dann repariert.“
Der Wechsel geht blitzartig, wirft den Porsche mit der Startnummer 14 aber nach der ersten von drei Etappen zunächst einmal aus der Spitzengruppe. Mehr Glück hat auf diesen ersten 1.800 Kilometern der Schwede Björn Waldegård im Werks-Porsche Nummer 5. In der frühen Nacht gehörte Waldegårds Elfer zu den fünf Wagen, die einen Fluss eben noch überqueren konnten, bevor die Fluten zu reißend wurden. Die anderen warteten auf Niedrigwasser oder ersäuften ihre Autos. Eine zweite Flussüberquerung wäre aber fast schon das Ende für den Vorjahressieger Waldegård gewesen:
Er fährt rein, die Strömung packt den Elfer, das Heck schwingt herum wie bei einem Boot in der Stromschnelle. Björn bleibt ohne Hektik am Gas und rettet den Porsche ans Ufer. Am Karfreitag-Mittag kommt er nach einer langen, nassen Nacht als führender Mann zurück nach Nairobi, von wo am Samstag kurz nach Sonnenaufgang die Hatz weitergehen wird. Verschnaufpause für die Werksteams von Porsche, Peugeot, Mercedes und Datsun, Durchatmen auch für Dutzende leidenswilliger Rallye-Amateure und ihre geschundenen Geräte.
Über Nacht ruhen die Rallyeautos auf dem großen Platz am Kenyatta Conference Centre mitten in Nairobi. Die Peugeot 504 V6, die Datsun 160 J, die Violet und Mitsubishi – auf den ersten Blick Familienkutschen, die aber eines gemeinsam haben: unendliche Nehmerqualitäten, Zähigkeit, die es hier braucht. Ein Lancer hat 1974 Björn Waldegård im Carrera RS auf Platz zwei verwiesen, und ein 504 schlug 1975 die Super-Rallyemaschine Lancia Stratos. Mercedes brachte jetzt den 280 SE, der aber mit zwei Tonnen Gewicht zu schwer erscheint.
Schwergewichtige Autos zerlegen sich auf den haarsträubend brutalen Pisten von selbst und 200 PS erscheinen mager für zwei Tonnen. Mit 1.180 Kilo Leergewicht steht der von Kussmaul entwickelte 911 SC Safari hingegen vielversprechend da. Die Kilos sind mit den 250 PS des bewährten Dreiliter-Saugers vom Typ 911/77 kombiniert, der bereits die 911 RS und RSR seit 1974/75 antrieb. Ein sechs Millimeter starker Alu-Unterfahrschutz verläuft vom Bug bis zum Heck. Kussmaul: „Wegen des kurzen Radstands nickte und tauchte der Wagen stark ein. Ein dicker Stein im falschen Augenblick hätte die Auspuffkrümmer oder den Motor schwer beschädigen können. Außerdem kann der Wagen auf dem Alublech wie auf Kufen durch tiefen Schlamm oder Staub gleiten.“
Karosserie und Fahrwerk sind verstärkt, die Hinterachsschwingen aus Aluguss mit zwei Lagen GfK und 1,5 Millimeter Stahlblech gepanzert. Mit einem Schaumstoffband ist der Motordeckel abgedichtet, denn „... der mehlfeine Staub schleift sogar die Kolbenringe runter. Deshalb stellten wir sicher, dass der Motor die Luft nur durch den Grill oberhalb vom Entenbürzel bekam. Hinter dem Spoiler staubte es durch die Verwirbelung mächtig.“ Die Kupplung ist für den rauen Einsatz modifiziert, dem Getriebe verpasste Kussmaul einen Extra-Ölkühler und einen leicht verlängerten fünften Gang.
28 Zentimeter Bodenfreiheit und lange Federwege zeichnen das verstärkte Afrika-Fahrwerk aus. Massive Abstreifer schützen die stählernen Bremssättel vor Schlamm, der sie bei Testfahrten in Kenia glatt abschmirgelte. Typische Rallye-Zutaten sind der Überrollkäfig, zwei Ersatzräder – eines unter dem Frontdeckel, eines hinter den Sitzen – ein riesiger Wagenheber, ein 110 Liter fassender Benzintank und 16 Liter Scheibenwaschwasser an Bord. Überflüssig zu sagen, dass Kussmaul den Safari-Wagen mit zahllosen Testkilometern auf dem Panzerprüfgelände und mit der hastigen Fahrt über eingegrabene Eisenbahnschwellen in Weissach prüfte.
Der Samstag kommt und bringt Björn kein Glück. Nach 2.500 Kilometern, also bei Halbdistanz, führt er das Feld noch an, als in den Taita Hills auf dem Weg runter zum Indischen Ozean eine Hinterachsschwinge trotz Panzerung den Geist aufgibt. Kussmaul und Barth brauchen auf den gebirgigen Knüppelpfaden mit dem zum rasenden Ersatzteillager umfunktionierten Trainings-Elfer fast eine Stunde zum Havaristen, reparieren in Rekordzeit, aber die Führung ist weg. Später begegnen Waldegård und sein Beifahrer Hans Thorszelius einem Geier im Tiefflug. Ziemlich genau auf Höhe der Windschutzscheibe schwebt der Aasfresser, als ihn der Porsche trifft. Kussmaul: „Als wir zu Björn kamen, lagen ein paar Einzelteile des Geiers hinten im Auto und rochen ziemlich stark. Hauptsächlich steckte der Vogel aber in der Windschutzscheibe.“
Dank Schnellverschlüssen hatte Waldegårds Auto nach ein paar Minuten die Windschutzscheibe des Kussmaul/ Barth‘schen Porsche. Weiter ging die Fahrt, Kussmaul und Barth röhrten jetzt mit 180 Sachen ohne Scheibe, aber mit Motorradbrillen auf der Nase durch die Nacht: „Man glaubt gar nicht, wie weh es tut, wenn ein daumengroßer Käfer mit 180 Sachen in dein Gesicht einschlägt“, erinnert sich Kussmaul. Die neue Scheibe kommt bald aus der Luft. Denn über dem Safari-Drama kreist der gecharterte Porsche-Flieger.
An Bord wechseln sich der Sportchef Peter Falk und der Versuchsleiter Helmuth Bott ab. Sie hocken da über Stapeln von Karten und Barths Serviceplan, führen per Funk Regie und haben größere Teile an Bord. Barth funkt Falk an, der fragt den Piloten, ob er eben unten auf der Landstraße aufsetzen kann. Kein Problem, sagt der Pilot. Barth und Kussmaul sperren die Straße, die Cessna landet. Alles freut sich, hält einen kurzen Plausch, dann geht es weiter.
Reißende Flüsse, unpassierbare Schlammlöcher, weggeschwemmte Straßen: Der Rückweg nach Nairobi wird beschwerlich. Waldegård repariert in einer halben Stunde selbst einen gebrochenen Stoßdämpfer. Preston hat unterdessen das Gaspedal eifrig runtergepresst und kommt als Dritter hinter zwei Datsun zurück nach Nairobi.
Am Ostersonntag um 16 Uhr öffnet sich der Vorhang zum letzten Akt. Von Nairobi Richtung Nordwest taucht die Rallye erst mal runter in den Backofen des Rift Valley, wo Waldegårds Gasgestänge 45 Minuten lang repariert wird. Dann erklimmt die Safari das Mau Escarpment rauf auf 3.000 Meter und weiter nach Norden zur Stadt Isiolo, von wo der Trans African Highway in die Unendlichkeit führt. Hier tragen Normalsterbliche ihren Namen und das Nummernschild in ein Buch ein. Für den Fall, dass sie in der Savanne verloren gehen.
Von 72 Autos werden am Ende nur 13 in der Wertung stehen.
Preston verliert Zeit, als er zweimal eine Halbwelle wechselt. Aber die Safari ist nicht nur zu Porsche-Fahrern hart, von 72 Autos werden am Ende nur 13 in der Wertung stehen. Timo Mäkinen verabschiedet sich und seinen Peugeot auf dem Heimweg nach Nairobi mit Halbwellenschaden, der führende Harry Källström zerlegt seinen Datsun bei der Landung nach einem zu optimistischen Weitsprung, die Trümmer sollen über 300 Meter verstreut gelegen haben. Rauno Aaltonen fährt einen weiteren 160 J wie besessen und kommt dem jetzt führenden Jean-Pierre Nicolas immer näher, bis sein Beifahrer ihn an einem Abzweig in die falsche Richtung schickt. So sortieren sie sich aus.
Nicolas ist sechs Kilometer vom Ziel entfernt, als ein Einheimischer sich vor dem Peugeot spontan zu einem Wendemanöver entschließt. Der 504 ist vorn tief eingedellt und weint Kühlwasser in Strömen. Nicolas gibt Vollgas und rettet seinen Havaristen zum Sieg vor Preston jr., der für die 5.000 Kilometer 37 Minuten länger brauchte. Björn Waldegård schafft Platz vier. Porsche verabschiedet sich vom Safari-Abenteuer. Das Thema „Afrika“ ist damit allerdings nicht erledigt. Ein paar Jahre später wird zuerst ein Elfer und dann ein 959 die 14.000-Kilometer-Rallye von Paris nach Dakar gewinnen. Verantwortlich für die Autos zeichnet Roland Kussmaul.
Porsche 911 SC Safari
Motor: 911/77 Sechszylinder-Boxer
Hubraum: 2.994 cm3
Bohrung x Hub: 95 x 70,4 mm
Maximale Leistung: 250 PS bei 6.800/min
Kraftübertragung: 915 Fünfgang modifiziert, Sperrdifferenzial
Leergewicht: 1.180 kg
Info
Text erstmalig erschienen im Magazin Porsche Klassik 13.
Text: Wilfried Müller // Fotos: McKlein Photography
Copyright: Alle in diesem Artikel veröffentlichten Bilder, Videos und Audio-Dateien unterliegen dem Copyright. Eine Reproduktion oder Wiedergabe des Ganzen oder von Teilen ist ohne die schriftliche Genehmigung der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG nicht gestattet. Bitte kontaktieren Sie newsroom@porsche.com für weitere Informationen.