Bei den Tennis-Stars steht hinter dem Hand-Werk auf dem Platz eine kleine Firma. Turniererfolge sind daher immer auch das Gemeinschaftswerk eines Kompetenzteams unterschiedlicher Größe. Sie sind die Stars hinter den Stars.
Als sich die Players Lounge der US Open noch unter dem Dach einer alten, etwas angejahrten Trainingshalle befand, nannte der Impresario Ion Tiriac diesen provisorischen Tummelplatz des Tourbetriebs mal die „Hölle auf Erden“: „Hier geht es zu wie beim Schlussverkauf oder auf dem Basar“, klagte der rumänische Multimillionär mit einem Augenzwinkern, „so viele Menschen, die gar nicht selbst Tennis spielen. Ich weiß gar nicht, wie ich hier Geschäfte machen soll.“
Längst ist das Rückzugsterrain für die weltbesten Tennisspielerinnen auch bei den Offenen Amerikanischen Meisterschaften größer und komfortabler geworden. Es gibt draußen vor den Toren New Yorks, im Billie Jean King-Tenniscenter, ein modernes Restaurant, eine kuschelige Loungefläche, einen bemerkenswerten Computerraum und einen lauschigen Players Garden. Doch wer gerade an den ersten Tagen des Major-Wettbewerbs eine kleine Inspektionstour ins Privatissimum der Tourkarawane unternimmt, stellt fest: Es ist immer noch sehr voll, es herrscht immer noch großes Gedrängel. Und Glück muss haben, wer überhaupt einen Sitzplatz oder einen halbwegs ruhigen Gesprächsplatz ergattern kann. Der Grund ist so simpel wie einleuchtend: Viele Profispielerinnen reisen inzwischen mit einer noch viel stattlicheren Entourage durch die Welt, besonders jene Superstars, die sich von einer weiter spezialisierten Betreuung die entscheidenden Vorteile im harten Konkurrenzkampf um Titel und Trophäen versprechen. „Die Zeiten, in denen auch die Besten der Szene mit bloß einem Trainer und vielleicht einem Elternteil herumgejettet sind, die sind vorbei“, sagt Martina Navratilova, eine der beherrschenden Marktführerinnen und Trendsetterinnen der 80er-Jahre.
Porsche-Markenbotschafterin Maria Sharapova als Leitfigur
Als Leitfigur im Hier und Jetzt muss Maria Sharapova gelten, die Russin, die einst mit sieben Jahren vom Schwarzen Meer aus aufgebrochen war, um in einer unwahrscheinlichen Mission die Tenniswelt zu erobern. Inzwischen ist die 27-jährige Blondine eine prägende Erscheinung im Wanderzirkus der Tennisnomaden und zugleich die bestverdienende Sportlerin des Planeten. Es sind nicht nur die harten Schläge oder die verzehrende Leidenschaft, mit der Sharapova immer neue Comebacks nach immer neuen Verletzungen schafft, die inspirierend für viele jüngere Kolleginnen sind. Es ist auch ihre kühle Weitsicht als Tennisunternehmerin, die fasziniert – die strategische Kraft, immer wieder ein Kompetenzteam zu formen, das ihr geräuschlos als Servicemaschinerie zuarbeitet. Gerade erst hat Sharapova wieder einmal Veränderungen vorgenommen, um sich für die Herausforderungen des Jahres 2014 und darüber hinaus zu wappnen. „Wenn ich mit dem Team auf Reisen gehe, dann sind schon einige Hotelzimmer nötig“, sagt die Porsche-Markenbotschafterin, „aber diese Manpower lohnt sich.“
Sharapovas Begleitteam ist in seiner Größe und Zusammensetzung ohnehin nicht besonders ungewöhnlich. Die zentrale Leitungsfunktion hat der Schwede Sven Groeneveld als Cheftrainer inne. Dazu kommen der französische Physiotherapeut Jerome Bianchi, der japanische Athletik- und Fitnesscoach Yutaka Nakamura und der deutsche Sparringspartner Dieter Kindlmann. Sharapovas cleverer Geschäftemacher, der IMG-Agent Max Eisenbud, nennt die Truppe augenzwinkernd die „Vereinten Nationen von Maria“. Eisenbud, einer der intimsten Kenner des Tennistrosses und dessen Geschäftsabläufen, sagt über die gewachsene Angestelltenzahl nicht nur bei der Russin: „Die Anforderungen sind heute so umfassend und komplex, dass eine Person als Trainer das allein nicht mehr leisten kann, auf keinen Fall bei einer Spitzenspielerin.“ Der Amerikaner weiß: „Diese Arbeitsteilung ist sinnvoll und produktiv.“
Kein Wunder, dass auch Nummer-1-Spielerin Serena Williams mit einem ähnlich strukturierten Firmenportfolio ans globale Hand-Werk geht – darunter auch mit einem ständigen Hitting Partner aus Deutschland, dem Münchner Sascha Bajin. „Tennis auf diesem Niveau ist heute auch eine Art Gemeinschaftswerk. Ein großes Puzzle von Leuten, die in den verschiedensten Aufgaben zusammenwirken und zusammenpassen müssen. Sie schaffen die Plattform für den Triumph des Stars“, sagt die ehemalige Weltranglisten-Erste Chris Evert und findet: „Da ging es in unseren Zeiten noch fast romantisch und beschaulich zu.“
Alle sind auf ein Ziel fixiert
Gewandelt hat sich über die Jahrzehnte auch bei vielen Hauptdarstellerinnen der Charakter jener Entourage, die man in den Fernsehübertragungen von Centre-Courts in der Players Box wahrnimmt – jene Unterstützer, die der Tochter oder der Chefin in allen Tennislebenslagen Mut und Kraft zusprechen wollen und müssen. Einst waren viele der Begleiter, manchmal auch Freunde und Bekannte, eine Art Familienersatz – und somit auch eine menschliche Vorbeugemaßnahme gegen die mögliche Vereinsamung im Tourleben. Heute ist die Reisegemeinschaft noch immer bestenfalls eine verschworene, auf ein Ziel fixierte Einheit.
Aber es gibt eben sehr oft auch eine Ebene und Atmosphäre des nüchternen, zweckorientierten Zusammenarbeitens. Ganz businesslike. Sharapova gilt sowieso als eine, die Arbeit und Privatleben strikt trennt. „Sie geht sozusagen in die Firma, macht ihren Job. Und geht dann wieder nach Hause“, sagt die Deutsche Andrea Petkovic. Sie, die ehemalige deutsche Nummer 1, gehört wie viele Berufskolleginnen zum gehobenen Mittelstand, arbeitet mit vielen exzellenten Spezialisten zusammen und wird auf der Tour meist von Trainer und Physiotherapeut begleitet. Selektiv stoßen bei ihr und anderen noch Familienmitglieder hinzu, bei Petkovic ist das Papa Zoran, bei der deutschen Top-Ten-Größe und WM-Teilnehmerin Angelique Kerber ist es Mutter Beata. „Sie braucht mich manchmal schon noch als Bezugsperson. Sie ruft auch oft an und sagt: Mama, komm doch noch zum Turnier“, sagt die selbst als Tennislehrerin ausgebildete Mutter Kerber. „Es gibt eben auch Dinge, die man nicht mit dem Trainer oder anderen besprechen kann. Oder will.“ Eine wahre Freude sind die Tribünenbesuche dann nicht immer für die Familienangehörigen. Als Kerber bei den US Open 2011 in einem sensationellen Vormarsch bis ins Halbfinale einzog, starb die Mama in der Ehrenloge zwischendurch mal „tausend Tode“: „Ich dachte, ich sterbe vor Aufregung. Immer brauche ich das nicht, diesen Stress. Aber ich mache es trotzdem gerne, Angie zuliebe eben.“
Bei Murry, Federer und Djokovic heißt es: Zurück in die Zukunft
Wie erbittert das Machtgerangel im Tennis der Gegenwart ist, der Fight um die schönsten und lohnendsten Hauptpreise der Tour, das zeigte in der Adventszeit und dann noch einmal rund um die Weihnachtsfeiertage auch die personelle Aufrüstung im Spitzentennis der Herren. Obwohl die männlichen Großmeister schon bestens versorgt waren mit dienstbaren Geistern, einige von ihnen sogar noch mit Ernährungsberatern und Mentalcoaches, zogen sie auf einmal die Stars vergangener Epochen als Asse aus dem Ärmel – Motto: Zurück in die Zukunft. Andy Murrays inzwischen zwar beendete Allianz mit Ivan Lendl führte zum Wimbledonsieg des Schotten und wirkte wohl stilbildend, provozierte Novak Djokovic zur Verpflichtung von Boris Becker. Und animierte Roger Federer zum Deal mit Stefan Edberg. Selbst der japanische Newcomer Kei Nishikori holte noch ein bekanntes Gesicht von früher: den kleinen, großen US-Amerikaner Michael Chang. „Ich könnte mir vorstellen, dass die ein oder andere Topspielerin diesen Spuren folgen wird“, sagt jetzt die ehemalige WTA-Chefin und TV-Kommentatorin Pam Shriver, „alle sind ja auf der Suche nach dem kleinen Extra, dem besonderen Kick. Dem letzten Plus, das einen großen Sieg einbringt.“
Es gibt natürlich auch noch die Gruppe der aufstrebenden Spielerinnen, jüngere und ganz junge Profikräfte, die sich kraftvolle Investitionen nach dem Vorbild der Firma Sharapova noch längst nicht leisten können. Auch deutsche Talente wie Annika Beck oder Mona Barthel zählen dazu. Nicht nur für sie eröffnen sich dieser Tage aber auch kreative Modelle, um in Reichweite zu den Großen des Geschäfts zu bleiben – etwa Sharingarbeit eines Physiotherapeuten oder eines Fitmachers. Mehr Köpfe im Team bringen fast zwangsläufig Mehrwert. Und wer zu klein und zu kleinmütig denkt, bleibt wahrscheinlich auf der Strecke.