„Die Beschaffung ist fit für die Herausforderungen der Transformation: Wir ergreifen die Chancen, gestalten aktiv die automobile Zukunft des Unternehmens.“ Uwe-Karsten Städter, Mitglied des Vorstandes – Beschaffung (bis 18. August 2021)
Das Ressort Beschaffung ist für Porsche eine zentrale Schnittstelle. Im abgelaufenen Geschäftsjahr betrug das Einkaufsvolumen mehr als neun Milliarden Euro. Das entspricht rund 80 Prozent der Wertschöpfung des Unternehmens. Damit nimmt die Beschaffung großen Einfluss auf Umweltschutz und Nachhaltigkeit jenseits der Werkstore. Porsche engagiert sich gemeinsam mit seinen Partnern für den Wandel in der individuellen Mobilität – hin zur bilanziellen CO₂-Neutralität. Die gute Zusammenarbeit mit den Lieferanten zeigt sich in den erfolgreichen Serienanläufen der neuen Pkw-Modelle: 911 GTS, 911 Targa GTS, 911 GT3, 911 GT3 Touring, Boxster 25 Jahre, Cayenne Turbo GT, Macan Facelift, Taycan Cross Turismo und Taycan Sport Turismo.
Volatile Lieferketten
Die gesamte Industrie war 2021 durch Engpässe auf dem Markt für Halbleiter geprägt. Gleichzeitig stieg die Nachfrage nach Mikrochips. In der Folge stockte die Fahrzeugproduktion in der Automobilindustrie. Porsche hat frühzeitig eine Taskforce in der Beschaffung ins Leben gerufen. Diese tauscht sich kontinuierlich mit dem Volkswagen Konzern sowie den Chip-Lieferanten und Tier-1-Lieferanten aus. Für die Zukunft wurden aus den Versorgungsengpässen Lehren gezogen: Durch eine steigende Transparenz in der Lieferkette soll die Wirkung von Materialknappheit, Schwierigkeiten in der Logistik und geopolitischen Einflüssen auf die Teileversorgung bei Porsche frühzeitig identifiziert und mitigiert werden. Mögliche Gegenmaßnahmen sind der Aufbau von Teilebeständen sowie der Einsatz von alternativen Komponenten. Die intensive Kommunikation mit potenziell kritischen Lieferanten spielt dabei eine wichtige Rolle.
Stabwechsel im Ressort
Im August 2021 wechselte die Ressortleitung: Uwe-Karsten Städter verabschiedete sich in den Ruhestand. Er war zehn Jahre lang im Porsche Vorstand für die Beschaffung zuständig. Insgesamt arbeitete Städter 47 Jahre für den Volkswagen Konzern. Seine Nachfolgerin ist Barbara Frenkel. Anlässlich des Stabwechsels sagt Oliver Blume, Vorstandsvorsitzender der Porsche AG: „Uwe-Karsten Städter zählt zu den erfahrensten Einkaufsexperten der Automobilbranche. Die Porsche Beschaffung wurde unter seiner Führung operativ und strategisch vorbildlich auf die Herausforderungen der Transformation vorbereitet. Mit Barbara Frenkel haben wir eine äußerst kompetente Nachfolgerin in den Reihen des Unternehmens gefunden.“
Barbara Frenkel begann ihre Laufbahn bei Porsche im Jahr 2001 als Leiterin Qualitätsmethoden und -systeme. Nach verschiedenen Funktionen im Management war sie seit 2017 Leiterin Vertrieb der Region Europa. Dort hatte sie das Retail-Volumen in der drittgrößten Vertriebsregion von Porsche um rund zehn Prozent gesteigert und einen wesentlichen Beitrag zum weiteren Ausbau der Handelsorganisation geleistet. Von 2019 an war Barbara Frenkel zudem Mitglied des Aufsichtsrats der Porsche AG. Dieses Amt legte sie mit der Übernahme des Vorstandsmandats nieder.
Porsche verankert seine Prozesse vermehrt in einer durchgängigen End-to- End-Logik. Dies stärkt das ressortübergreifende Arbeiten und stellt die gesamtunternehmerische Perspektive in den Vordergrund des Handelns.
Neue Art der Zusammenarbeit
Das vergangene Geschäftsjahr war für die Mitarbeiter des Ressorts durch mobiles Arbeiten geprägt. „Der Schutz der Gesundheit hatte wie schon 2020 Priorität. Deshalb hat ein großer Teil der Mitarbeiter auch 2021 fast durchgängig mobil gearbeitet“, sagt Barbara Frenkel, Vorständin für Beschaffung. „Das war eine Herausforderung für alle – hat aber sehr gut funktioniert. Wir sehen Chancen in der Krise: Beim Nutzen digitaler Kommunikationstechniken haben wir Vorteile für die Organisation identifiziert, die wir beibehalten und ausbauen wollen.“
Ein Beispiel dafür ist die Zusammenarbeit mit dem Lieferanten. Früher mussten mehrere Experten zum Lieferanten reisen, um die Prozesse zu optimieren oder zu auditieren. Heute ist nur noch ein Porscheaner unterwegs – im Gepäck eine Datenbrille. Am Bestimmungsort setzt er sie auf.
Per Livestream gewinnen dann die Kollegen in Rutesheim oder Weissach dieselben Eindrücke wie der Mitarbeiter vor Ort. Die digitale Lieferantenbegehung ist längst kein Notbehelf mehr, sondern bringt ausgezeichnete Ergebnisse. Sie wird von der Porsche Beschaffung auch in Zukunft eingesetzt werden.
Porsche hat seine Lieferanten im vergangenen Geschäftsjahr aktiv unterstützt. Die Partner liefern teils hochspezialisierte Teile, die gemeinsam entwickelt werden. Auch deshalb lässt Porsche seine Partner in der Krise nicht allein. Insbesondere bei kleinen und mittelständischen Zulieferern hat der Sportwagenhersteller beispielsweise Entwicklungskosten und Werkzeuge früher angezahlt, als es vertraglich vereinbart war.
„Die Beschaffung hat eine klare Nachhaltigkeitsstrategie, die wir gemeinsam mit unseren direkten Lieferanten umsetzen. Wir setzen wichtige Impulse auf dem Weg zur bilanziellen CO₂-Neutralität.“ Barbara Frenkel, Mitglied des Vorstandes – Beschaffung (seit 19. August 2021)
Eine nachhaltige und transparente Lieferkette
Partnerschaftlich gestaltet Porsche mit seinen Lieferanten auch den Weg zu mehr Nachhaltigkeit. Die Transformation hin zur Elektromobilität wird den Anteil der Lieferkette am CO₂-Fußabdruck des Unternehmens bis 2030 erhöhen: von heute 20 Prozent auf rund 40 Prozent. Um dem entgegenzuwirken, fordert Porsche seit Juli 2021 von seinen Serienlieferanten bei allen Neuvergaben den Einsatz von erneuerbaren Energien. Für die Batteriezellenlieferanten gilt dies schon seit 2020. Nun folgen sukzessive weitere rund 1.300 Serienlieferanten. Diese Maßnahme ist ein wichtiger Schritt, um die CO₂-Emissionen der Lieferkette weiter zu reduzieren.
Seit 2019 sind für die Zulieferer nicht länger nur Kosten und Qualität, sondern zusätzlich auch Nachhaltigkeitskriterien verbindlich. Dokumentiert wird dies im Sustainability Rating, kurz S-Rating. Ein Großteil der Lieferanten, die sich um einen Vergabezuschlag beworben haben, erfüllt schon heute die Anforderungen von Porsche. Darüber hinaus diskutierten die Porsche Beschaffer im vergangenen Geschäftsjahr bei den sogenannten Nachhaltigkeitsdialogen mit Lieferanten über Konzepte und Innovationen. Gemeinsam wurden konkrete Maßnahmen zur CO₂-Reduzierung definiert.
Im Rahmen der ganzheitlichen Nachhaltigkeitsstrategie von Porsche geht es in der Beschaffung auch um gute Arbeitsbedingungen, Korruptionsbekämpfung und das Einhalten der Menschenrechte entlang der gesamten Lieferkette. Deshalb ist das Unternehmen seit 2020 Mitglied in der „Responsible Mica Initiative“ (RMI). Sie setzt sich für bessere Abbaubedingungen des Rohstoffs Mica ein. Diese Pigmente kommen als Glimmerstoff unter anderem in Autolacken zum Einsatz. Sie werden vor allem in Indien abgebaut. Die RMI führte in den Hauptabbauregionen in Jahrkant und Bihar im vergangenen Geschäftsjahr Projekte in 80 Dörfern durch. Ihr Ziel: Verständnis für nachhaltigere Abbaumethoden zu schaffen und den Minenarbeitern eine bessere Lebensperspektive zu eröffnen. Seit 2021 übernimmt Porsche mit einem Sitz im Board of Directors der RMI Verantwortung: Das Unternehmen gestaltet die Strategie der Initiative aktiv mit. Unter anderem erarbeitet Porsche industrieübergreifende Standards für den Mica-Abbau.
Zusammen mit dem Reifenhersteller Michelin engagiert sich Porsche zudem für den nachhaltigen Abbau von Naturkautschuk. Mit dem Projekt „CASCADE“ (Committed Actions for Smallholders Capacity Development) setzen sich beide Unternehmen für Transparenz und bessere Arbeitsbedingungen bei der Rohstoffgewinnung in Sumatra (Indonesien) ein. Die lokalen Kleinbauern erhalten Schulungen zu Anbaupraktiken, Biodiversität und Arbeitssicherheit. Das soll die Lebensumstände und die wirtschaftliche Situation langfristig verbessern. Indonesien ist einer der weltweit wichtigsten Kautschukproduzenten. Im Rahmen von Analysen und Gesprächen vor Ort haben Porsche und Michelin mögliche Risiken für die Nachhaltigkeit der Lieferkette beim Kautschukabbau identifiziert. „CASCADE“ ist eines der weltweit ersten Projekte, das an der tiefsten Stufe der Naturkautschuk-Lieferkette ansetzt. Über 1.000 Kleinbauern werden geschult, um die Abbaumethoden umweltschonender und effizienter zu gestalten. Porsche und Michelin investieren rund eine Million Euro in das zunächst bis 2024 laufende Projekt.
Das innovative Pilotprojekt „Prewave“ unterstützt bei der Erkennung von Nachhaltigkeitsrisiken in der Lieferkette. Porsche nutzt dabei künstliche Intelligenz (KI). Das „Prewave“-System kann entsprechende Risiken in den tieferen Lieferketten prognostizieren: Die Technologie wertet dafür lieferantenbezogene Nachrichten in mehr als 50 Sprachen aus. Diese stammen aus öffentlich zugänglichen Medien und sozialen Netzwerken in über 150 Ländern. Die KI wird so zum proaktiven Frühwarnsystem für Verstöße gegen die Nachhaltigkeitsanforderungen des Unternehmens. Die Beschaffung prüft dann den Sachverhalt und leitet eventuell Gegenmaßnahmen ein.
2021 hat sich der Volkswagen Konzern der industrieübergreifenden Initiative „Catena-X“ angeschlossen. Das cloudbasierte Datenökosystem steht Unternehmen der europäischen Automobilindustrie, ihren Lieferanten und Partnern offen. Es geht darum, Daten und Informationen entlang der gesamten Wertschöpfungskette sicher auszutauschen. Ziel ist es, mit einheitlichen Standards und gemeinsamen Prinzipien Lieferketten transparenter, nachhaltiger und effizienter zu gestalten. 28 Unternehmen und Organisationen sind Konsortialpartner von „Catena-X“, darunter alle großen deutschen Automobilhersteller.
Prozesseffizienz und Innovationsmanagement
Um mehr Effizienz geht es auch bei der Digitalisierung im Beschaffungsressort selbst. Seit 2021 arbeiten die Mitarbeiter mit Chatbots. Diese kleinen Kommunikationsprogramme geben automatisierte Antworten auf Fragen – dadurch entfällt die Eigenrecherche der Mitarbeiter. Mit dem Porsche Procurement Assistant (PPA) ist die Bot-Technologie weiter ausgearbeitet worden. Auf dem komplexen SAP-System sind nun attraktiv gestaltete Bot-Programme im Einsatz, die den Porsche Beschaffern die Arbeit erleichtern. Sie unterstützen die gängigsten Bedienschritte und übernehmen die Standardroutinen bei Bedarf selbst. Mithilfe des PPA lassen sich bis zu 90 Prozent der Mausklicks einsparen. Das System ist nun deutlich nutzerfreundlicher. Insbesondere erleichtert es neuen Mitarbeitern den schnellen Einstieg in unternehmensspezifische Arbeitsprozesse.
Mit dem ressortübergreifend eingesetzten Innovationsmanagement verkürzt Porsche die Zeit zwischen Idee und Produkt. Das Beschaffungsressort leistet dazu mit der Innovationsplattform „Startup Autobahn“ einen wichtigen Beitrag. Sie stellt Kontakte zu innovativen jungen Firmen her. Die Gründer erhalten anschließend Gelegenheit, einige Monate zusammen mit Porsche Experten Ideen voranzutreiben. Zweimal im Jahr werden die ausgearbeiteten Konzepte beim „Expo Day“ präsentiert. Die Resonanz ist positiv: Porsche hat bislang ca. 80 Projekte im Rahmen der „Startup Autobahn“ initiiert. Rund ein Drittel davon ist zu einem konkreten Produkt oder einer Dienstleistung für Porsche Kunden geworden. Das Innovationsmanagement und die „Startup Autobahn“ sind essenzielle Bestandteile der Strategie 2030 und werden stetig weiterentwickelt.
Dasselbe gilt für die traditionellen Arbeitsschritte in der Beschaffung: Porsche verankert seine Prozesse vermehrt in einer durchgängigen End-to-End-Logik. Dies stärkt das ressortübergreifende Arbeiten und stellt die gesamtunternehmerische Perspektive in den Vordergrund des Handelns. Ein gutes Beispiel dafür ist „Purchase-to-Pay“: Über Beschaffung, Produktion und Finanzen hinweg gestaltet das Unternehmen einen durchgängigen Prozess, der sich von der Anforderung über das Einkaufen bis hin zu Wareneingang und Abrechnung zieht. Das erwartete Optimierungspotenzial dieser Methode bis 2030 beträgt rund zehn Prozent. Porsche plant, die End-to-End-Logik bis 2030 auf weitere zwölf Kernprozesse anzuwenden.