„Mit dem Entwicklungszentrum Weissach setzen wir die Benchmark in der Automobilentwicklung. Hier gestalten wir die Mobilität von Morgen.“ Michael Steiner, Mitglied des Vorstandes – Forschung und Entwicklung
Entwicklungszentrum Weissach: seit 50 Jahren Motor von Innovationen
Am 1. Oktober 2021 hat Porsche das 50-jährige Bestehen des Forschungs- und Entwicklungszentrums Weissach gefeiert. 6.700 Mitarbeiter entwickeln in dieser Denkfabrik heute Technologien, Komponenten und Fahrzeuge. Das Spektrum reicht von Design und Konzeption über Modellbau bis hin zu ersten Prototypen. „Mit dem EZW setzen wir weltweit die Benchmark in der Automobilentwicklung. Hier gestalten wir die Mobilität von heute und morgen“, sagt Michael Steiner, Vorstand für Forschung und Entwicklung der Porsche AG.
Bereits Ende der 1950er-Jahre wuchs bei Porsche der Wunsch nach einer eigenen, werksnahen Teststrecke. Am 16. Oktober 1961 nahm Ferry Porsche den ersten Spatenstich zum Bauabschnitt 1 des neuen Testgeländes vor. Es entstanden zunächst verschiedene Versuchsstrecken, auf denen unter anderem der Porsche 911 bis zur Marktreife entwickelt wurde. In den 1960er-Jahren entstanden Pläne für den Bau eines integrierten Forschungs- und Entwicklungszentrums in Weissach. Die Kompetenzen, die bis dahin auf die Standorte Zuffenhausen und Weissach verteilt waren, sollten gebündelt werden. 1969 begannen die Bautätigkeiten für das eigentliche EZW. 1971 erfolgte der Umzug der Porsche Entwicklungsabteilung und zusätzlich auch des werkseigenen Motorsports nach Weissach. Bereits zu Beginn zählte das EZW rund 500 Mitarbeiter.
1972 folgte die Abteilung Porsche Style. Bis 1974 entstand das heute noch charakteristische Gebäude in der Gestalt eines Norm-Sechsecks, das mit Blick auf optimale Arbeits- und Kooperationsmöglichkeiten konzipiert worden war. Parallel erweiterte Porsche die Versuchskapazitäten des EZW. Bis Mitte der 1980er-Jahre entstanden unter anderem ein Messzentrum für Umwelttechnik und ein Prüfgebäude für Motoren und Aggregate. Im Mai 1986 eröffnete Porsche den seinerzeit modernsten Windkanal weltweit.
Mit der fortschreitenden Entwicklung der Fahrzeugtechnik änderten sich auch die Anforderungen an die Infrastruktur des EZW. Aktuell entstehen im Süden des Entwicklungszentrums eine zweite Zufahrt, ein Gesamtfahrzeugprüfgebäude, ein Zentrum für Sicherheitsversuche sowie ein Klimawindkanal. Bis 2025 wird der Standort um zwölf Hektar erweitert. Derzeit umfasst er rund 100 Hektar Fläche.
Heute ist das vom Vorstandsvorsitzenden der Porsche AG gegründete Innovationsmanagement ein Kernelement der Zukunftssicherung des Unternehmens.
„Turbo für Ideen“ – das Innovationsmanagement bei Porsche
„Ein Innovationsprogramm investiert nicht in Patente oder Erfindungen. Es investiert in Menschen.“ Diese beiden Leitsätze von Oliver Blume aus dem Jahr 2016 haben sich zu einem Erfolgsrezept entwickelt. Heute ist das vom Vorstandsvorsitzenden der Porsche AG gegründete Innovationsmanagement ein Kernelement der Zukunftssicherung des Unternehmens. Es ist seine Aufgabe, die Transformation von Porsche in eine digitale, elektrifizierte Zukunft zu unterstützen und den Widerspruch zwischen Premium, Performance und Luxus auf der einen sowie Nachhaltigkeit auf der anderen Seite aufzulösen.
Gesucht sind deshalb Ideen mit Zukunft. Jede einzelne ist ausdrücklich erwünscht. Dabei spielt es keine Rolle, woher sie aus dem Unternehmen stammt. Dafür wurden Organisationsstrukturen geändert und die Voraussetzungen für crossfunktionales, ressortübergreifendes Arbeiten geschaffen. Mitarbeiter erhalten den notwendigen Freiraum für kreatives Arbeiten. Dies schafft die Grundlage für das Entstehen von Innovationen. Das Konzept fällt auf fruchtbaren Boden: 80 bis 100 Teams oder Einzelmitarbeiter bringen sich jedes Jahr mit großem Engagement ein. Ihre kreativen Vorschläge reichen von Verbesserungen im Produkt über Neuerungen in der Fertigung bis hin zu innovativen digitalen Angeboten.
Die Mitarbeiter können Vorschläge entweder beim Innovationsmanager des eigenen Ressorts oder über ein spezielles IT-Tool einreichen. Daraufhin organisiert das Innovationsmanagement einen Termin, bei dem der Mitarbeiter seine Idee persönlich vorstellt und auch unmittelbar Feedback erhält. Eine Idee, die bei Porsche als Innovation zählt, muss grundsätzlich drei Bedingungen erfüllen: Sie muss neu und einzigartig sein, sie muss für das Unternehmen wirtschaftlich sein und sie muss einen relevanten Kundennutzen haben.
Fällt das Feedback positiv aus, beginnt ohne großen Vorlauf direkt die Projektarbeit. Tatkräftige Eigeninitiative ist bei der Weiterentwicklung der Idee gefordert. Der Ideengeber übernimmt auch die Projektleitung. Dabei wird er selbstverständlich unterstützt. Das Innovationsmanagement leistet methodische Hilfestellung, investiert gegebenenfalls Geld und stellt bei Bedarf Kontakte zu möglichen Entwicklungspartnern her. Diese können auch außerhalb des Unternehmens angesiedelt sein. Auf diese Weise stellt das Innovationsmanagement sicher, dass innovative Projektideen strukturiert validiert werden und im Erfolgsfall mit hoher Wahrscheinlichkeit bis zur Serieneinführung weiterentwickelt werden können.
Für möglichst kurze Wege haben die sieben Unternehmensressorts der Porsche AG sowie die Porsche Digital GmbH je ein bis zwei Mitarbeiter für das Innovationsmanagement benannt. Dabei folgt das Team einer definierten Innovationsagenda, um die Aktivitäten auf die relevantesten Zukunftsthemen von Porsche auszurichten. Die Zielsetzung ist dabei klar umrissen: Bis 2025 hält das Unternehmen 15 Milliarden Euro für Elektromobilität, digitale Transformation und nachhaltige Produktion vor. Mehr als 800 Millionen Euro davon gehen pro Jahr in die Digitalisierung.
Das Nachdenken über Innovationen bleibt nicht auf Porsche als Unternehmen beschränkt. Die Zusammenarbeit mit Start-ups und Universitäten steht besonders im Fokus. In manchen Fällen beteiligt sich Porsche auch direkt an aufstrebenden Unternehmen oder startet Initiativen, um die Digitalisierung voranzutreiben. Jährlich stehen mehr als 150 Millionen Euro bereit, um sich an Start-ups und Venture-Capital-Gesellschaften zu beteiligen. Mit Porsche Ventures wurde ein Ökosystem aufgebaut, das jedes Start-up unterstützen kann – unabhängig davon, ob es bislang nur eine Idee gibt oder bereits Finanzierungsrunden. Zu diesem Ökosystem gehören auch der Company Builder Forward 31 und der Frühestphasen-Investor APX, ein 50:50-Gemeinschaftsunternehmen mit Axel Springer, beide mit Sitz in Berlin. Mit der Risikokapital-Einheit Porsche Ventures und der Porsche Digital GmbH ist das Unternehmen ständig auf der Suche nach neuen Start-ups, die die Marke strategisch weiterbringen.
Der Pioniergeist von Porsche reicht weit über das Kernthema Sportwagen hinaus. Mit der Initiative für das Großprojekt eFuels hat der Sportwagenhersteller den Anstoß für die Produktion von synthetischen Kraftstoffen gegeben. Diese haben das Potenzial, nahezu CO₂-neutral zu sein.
eFuels ergänzen E-Mobilität
Strom tanken – eFuels machen es möglich: Im Spätsommer 2021 fiel der Startschuss für den Bau der ersten von Porsche mit initiierten Fabrik für die Produktion eines synthetischen Kraftstoffs. Dieser hat das Potenzial, nahezu CO₂-neutral zu sein. Das Gemeinschaftsprojekt „Haru Oni“ von Porsche, Siemens Energy und weiteren internationalen Partnern ist die weltweit erste integrierte und kommerzielle Anlage zur Herstellung synthetischer Kraftstoffe. Es nutzt die optimalen klimatischen Bedingungen für Windenergie in der südchilenischen Provinz Magallanes, um mithilfe von nachhaltig erzeugtem Strom synthetisches Benzin zu erzeugen.
Der Produktionsstart der Pilotanlage in Chile ist für Mitte 2022 vorgesehen. Neben Siemens Energy und Porsche beteiligen sich am „Haru Oni“-Projekt unter anderem der italienische Energiekonzern Enel, ExxonMobil sowie die chilenischen Energieunternehmen Gasco, ENAP und AME, das Hauptentwickler sowie Eigentümer der Projektgesellschaft HIF (Highly Innovative Fuels) ist.
Mit eFuels kann auch der Fahrzeugbestand einen Beitrag zur schnellen CO₂-Reduktion leisten. „Wir brauchen dringend eine Lösung für den nachhaltigen Betrieb der Bestandsflotten“, betont Michael Steiner, Vorstand für Forschung und Entwicklung der Porsche AG. „Mit grünen Kraftstoffen ist dieses Ziel zu erreichen. Sie sind eine sinnvolle Ergänzung zur Elektromobilität.“ Darüber hinaus gibt es andere Verkehrssektoren wie Luft- und Schifffahrt, die sich nicht oder nur schwer elektrifizieren lassen und in denen diese Kraftstoffe eingesetzt werden können.
Niedrige Kosten für regenerativ erzeugte Energie sind der Schlüssel für eine schnelle Wettbewerbsfähigkeit von eFuels. Am Standort der Pilotanlage liegt der Nutzungsgrad der Windanlage bei sehr hohen 74 Prozent Volllaststunden. Neben den daraus resultierenden niedrigen Energiekosten zur Erzeugung von eFuels in Chile entscheiden aber auch Steuern und Abgaben über den Preis und somit den wirtschaftlichen Erfolg. eFuels werden umso schneller wettbewerbsfähig, je mehr sich die Preise fossiler Energieträger in Zukunft durch regulatorische Maßnahmen wie Energiesteuern oder CO₂-Bepreisung und die von eFuels einander angleichen.
Mit dem im „Haru Oni“-Projekt vorgesehenen Methanol-to-Gasoline-Prozess (MtG) konzentriert sich das Konsortium zunächst auf Kraftstoffe für Benzinmotoren. Für die Produktion von eFuels werden grundsätzlich die beiden Rohstoffe Wasser und Kohlendioxid benötigt. Der Wasserstoff wird per Elektrolyse gewonnen, das Kohlendioxid wird über das sogenannte „Direct Air Capture“-Verfahren direkt der Luft entzogen. Dabei blasen große Ventilatoren Umgebungsluft durch Filter, an denen sich das in der Atmosphäre enthaltene Kohlendioxid anlagert. Aus H₂ und CO₂ wird per Methanolsynthese E-Methanol (CH₃OH) erzeugt und daraus wiederum per MtG-Synthese synthetisches Rohbenzin.
Der nahezu CO₂-neutral gewonnene Kraftstoff wird in einem weiteren Schritt so veredelt, dass er der aktuellen Kraftstoffnorm DIN EN 228 entspricht. Dadurch kann er sowohl direkt in jedem Fahrzeug mit Ottomotor eingesetzt als auch fossilem Kraftstoff beigemischt werden. Grundsätzlich ließe sich durch vergleichsweise geringe Modifikationen der Anlage aber aus E-Methanol zum Beispiel auch E-Kerosin für Flugzeuge herstellen.
Ab 2022 soll die Pilotanlage rund 130.000 Liter eFuels pro Jahr erzeugen. Diese Menge wird Porsche komplett abnehmen und den grünen Kraftstoff zunächst vor allem bei Motorsportaktivitäten einsetzen. Darüber hinaus setzt sich Chile im Rahmen seiner nationalen Strategie für grünen Wasserstoff ehrgeizige Ziele. Dazu zählt unter anderem, weltweit den preisgünstigsten Wasserstoff zu erzeugen und das Land zu einem führenden Exporteur von grünem Wasserstoff und dessen Derivaten zu entwickeln.
Bei Porsche Engineering werden künftig virtuelle Welten erzeugt, die alle relevanten Situationen auf der Straße abdecken und damit als Testfälle für die Algorithmen und Sensoren der Fahrerassistenzsysteme dienen. Dafür kommen Game Engines aus der Computerspielbranche zum Einsatz.
Digitale Absicherung von Fahrfunktionen
Sportliche Performance und automatisiertes Fahren in ein und demselben Wagen: Rund jeder vierte Porsche Kunde in den wichtigsten Porsche Märkten der Welt denkt an den Kauf eines Fahrzeugs, das die Fahraufgabe in bestimmten Situationen auch selbst übernehmen kann. Der Sportwagenhersteller arbeitet deshalb intensiv an Konzepten und Technologien, die automatisierte Fahrfunktionen ermöglichen.
Allerdings sind die Anforderungen an Sensorik und Datenverarbeitung so komplex, dass sie die Möglichkeiten konventioneller Entwicklungs- und Erprobungsmethoden mit physischen Testzyklen bei Weitem übersteigen.
Darum werden viele Testkilometer durch Digitalisierung und umfangreiche Computersimulationen ins Labor verlagert. Die Porsche Engineering ist Ingenieurdienstleister und hundertprozentige Tochtergesellschaft der Porsche AG. Sie hat dafür mit dem Aufbau des Porsche Engineering Virtual ADAS Testing Center (PEVATeC) begonnen. ADAS steht dabei für Advanced Driver Assistance Systems, also hoch entwickelte Fahrerassistenzsysteme. In diesem Labor werden künftig virtuelle Welten erzeugt, die alle relevanten Situationen auf der Straße abdecken und damit als Testfälle für die Algorithmen und Sensoren der Fahrerassistenzsysteme dienen.
Die Testfahrten in einer simulierten Umgebung sind nicht nur kostengünstiger, zeitsparender und mit geringerem Organisationsaufwand verbunden. Es lassen sich auch kritische Situationen aus dem realen Straßenverkehr während der virtuellen Probefahrten nach Bedarf reproduzieren und abwandeln.
Neben der Echtzeitfähigkeit der Simulationen ist es mindestens ebenso wichtig, dass die im Computer erzeugten virtuellen Welten physikalisch realistische Effekte produzieren. Die digital nachgebildeten Objekte wie Straßen, Gehwege, Häuserwände und Fahrzeuge müssen exakt jene Eigenschaften aufweisen, wie sie auch im realen Straßenverkehr vorkommen – nur dann können sie den Kamera-, Lidar-, Radar- und Ultraschallsystemen einen realistischen Input liefern.
Porsche Engineering nutzt dazu Game Engines aus der Computerspielbranche. Diese Rahmenstrukturen erzeugen fotorealistische Bilder und sorgen für physikalisch korrektes Verhalten von Objekten in Computer- und Videospielen. Mithilfe dieser Software-Pakete entwickelt und erprobt Porsche Engineering virtuell automatisierte Fahrfunktionen. Game Engines kommen dabei neben künstlicher Intelligenz eine entscheidende Rolle zu: Sie trainieren Fahrerassistenzsysteme mit synthetischen Sensordaten. So kann jedes Szenario und jede Eventualität im Detail durchgespielt werden.
Mithilfe von Game Engines simulierte Fahrten haben den Vorteil, dass sie sich beliebig oft wiederholen lassen, kontrollierbar sind und weniger Zeit beanspruchen. In der Fahrzeugkonstruktion werden sie zudem eingesetzt, um die Anzahl der realen Prototypen zu reduzieren und damit Zeit und Kosten zu sparen. Porsche Engineering nutzt hierfür das hausintern entwickelte Visual Engineering Tool. Damit können auf Basis von CAD-Daten anhand von Augmented Reality (AR) oder einer Virtual-Reality-Brille (VR) beispielsweise Fragen zur optimalen Anordnung von Bauteilen schnell und kostengünstig geklärt werden.
Um die optimale Batteriegröße zu finden, hat Porsche Prioritäten und Anwendungsfälle analysiert. Porsche Kunden legen großen Wert auf die Fahrdynamik. Gleichzeitig erwarten sie bei Langstreckenreisen kurze Fahrzeiten und schnelles Nachladen.
Hochvoltbatterie-Reparatur im Handel
Porsche denkt weiter: Seit Einführung der ersten Generation von Hybridmodellen im Jahr 2013 verfolgt der Sportwagenhersteller bei elektrifizierten Fahrzeugen mit Hochvoltbatterien einen ganzheitlichen Ansatz. Dieser reicht von Beschaffung und Herstellung über Beratung und Verkauf sowie Service bis hin zu Logistik und Recycling.
Auch das Reparaturkonzept für Hochvoltbatterien ist ein signifikanter Beitrag zu Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung. Porsche achtet bei der Batterieentwicklung von Beginn an nicht nur auf eine rationelle Fertigungsmöglichkeit, sondern auch auf einen so einfachen Aufbau, dass der Stromspeicher später in qualifizierten Porsche Zentren repariert werden kann. Abhängig von der Batteriekapazität des Taycan-Derivats sind 28 oder 33 Module verbaut. Das Batteriegehäuse kann geöffnet und die Zellmodule sowie andere Komponenten können ausgetauscht werden. Die individuelle Reparaturtiefe sorgt damit auch für einen Kostenvorteil des Kunden.
Zellmodule, die funktionsfähig sind, sich aber nicht mehr für einen Einsatz im Fahrzeug eignen, können für stationäre Aufgaben genutzt werden. Im Rahmen der Second-Life-Strategie arbeitet Porsche an einem Pilotprojekt, um Hochvoltbatterien weiterzuverwenden. Dafür werden sie auf Modulebene zerlegt und in stationären Energiespeichern verbaut. Eine Serienlösung ist entscheidend für die langfristige und nachhaltige Weiterverwendung der Altbatterien.
Gemeinsam mit dem Volkswagen Konzern und weiteren kompetenten Partnern optimiert Porsche fortlaufend bestehende Recycling-Prozesse mit dem Ziel, den Anteil an Rohstoffen im Kreislauf zu erhöhen und diese wieder in neuen Batterien einzusetzen.
Auch für den Service des vollelektrischen Porsche wurde ein umfassendes Konzept aufgesetzt. Denn der Taycan stellt deutlich andere Anforderungen an Service und Reparatur als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Reparaturarbeiten an Elektrofahrzeugen erfordern besonderes Fachwissen und Spezialwerkzeuge, mit denen die Porsche Zentren neu ausgestattet werden müssen. Das Servicekonzept für Elektrofahrzeuge umfasst deshalb mehrere Stufen. Grundlage ist der Hochvoltstützpunkt, eingerichtet in einem qualifizierten Porsche Zentrum. Wo heute noch kein Hochvoltstützpunkt in Reichweite ist, richtet der Sportwagenhersteller überregionale Hubs zur Reparatur von Hochvoltfahrzeugen ein.
Ist der Transport an einen geeigneten Reparaturort nicht möglich, springt ein sogenannter „Flying Doctor“ ein. Dieser mobile Hochvoltexperte repariert defekte Hochvoltbatterien vor Ort. Damit ist ein lückenloses Servicenetz für die Hochvoltbatterie-Reparatur geknüpft.
Zu guter Letzt ist für die Arbeit am Taycan als erstem Serienfahrzeug mit einer Systemspannung von 800 Volt auch eine klare Unterteilung der Aufgaben- und Verantwortungsbereiche erforderlich. Porsche hat dazu drei Qualifizierungsstufen definiert: elektrisch unterwiesene Personen, Hochvolttechniker und Hochvoltexperten. Elektrisch unterwiesene Personen verfügen über eine Basisqualifikation für Standardreparaturen. Hochvolttechniker sind für die Spannungsfreischaltung am Fahrzeug ausgebildet sowie für die Klassifizierung und Einlagerung von Lithiumbatterien. Ihre Qualifizierung umfasst weiterhin den Ausbau und das Verpacken von Hochvoltbatterien mit Status „Normal“ und „Warnung“. Hochvoltexperten verfügen über die höchste Qualifikationsstufe im Porsche Zentrum. Nur sie dürfen Arbeiten innerhalb der Hochvoltbatterien durchführen und zudem Hochvoltbatterien mit Isolationsfehler handhaben sowie diese für den Transport vorbereiten und verpacken.
Batterieentwicklung zwischen Reichweite, Performance und Nachhaltigkeit
Das Ziel ist klar definiert: Porsche strebt für das Jahr 2030 an, über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg bilanziell CO₂-neutral zu sein. Der Zeitplan für Produktion und Logistik des Unternehmens ist darauf konsequent abgestimmt. Die entscheidende Rolle spielt der Fortschritt in der Elektromobilität.
Fast die Hälfte aller CO₂-Emissionen im Lebenszyklus eines Elektrofahrzeugs entstehen heute bei seiner Herstellung. Dies schließt die Rohstoffgewinnung und -verarbeitung mit ein. Zweitgrößter Faktor ist der Betrieb, der vom Energiemix, der Lade- und Fahrzeugeffizienz sowie von der Fahrweise bestimmt wird. Verwertung und Recycling am Ende des Zyklus haben das geringste CO₂-Aufkommen.
Von den Einzelfaktoren hat vor allem die Antriebsbatterie im Lebenszyklus einen großen Einfluss auf die CO₂-Emissionen: Rund 40 Prozent des Kohlendioxids, das bei der Herstellung eines einzelnen Taycan entsteht, sind auf die Batterie zurückzuführen. Anders ausgedrückt: Die Größe des Energiespeichers ist wesentlich mitverantwortlich für die Emissionsbilanz eines Elektrofahrzeugs. Gleichzeitig beeinflusst sie den Markterfolg. Denn die Dimensionierung muss die Ansprüche und Erwartungen der Kunden erfüllen.
Die besten Ergebnisse lassen sich mit einer mittelgroßen Batterie erzielen, bei der Gewicht und Leistungsfähigkeit auf eine fahrdynamisch optimale Balance abgestimmt sind.
Die künftige Entwicklung wird sowohl die Fahrdynamik weiter verbessern als auch die Ladezeiten verkürzen. Noch größere Fortschritte sind in der Verringerung der CO₂-Emissionen zu erwarten. Die zweite Generation von Elektrofahrzeugen, die vor ihrer Markteinführung steht, wird in ihrem Lebenszyklus rund ein Viertel weniger Kohlendioxid freisetzen als die erste. Vor allem aber wird die Batterietechnologie die ökologische Bilanz signifikant entlasten: Neue Zelltechnologien werden den Energieverbrauch verringern, höhere Ladeleistungen die Effizienz verbessern. Der Anteil an recycelten Batterierohstoffen wächst absehbar. Dies unterstützt das gesteckte Ziel, die bilanzielle CO₂-Neutralität in der gesamten Wertschöpfungskette in 2030 zu erreichen.
Einstieg in Fertigung von Hochleistungsbatteriezellen
Über die Beteiligung an der Cellforce Group steigt Porsche aktiv in die Fertigung von Hochleistungsbatteriezellen ein. Die Cellforce Group ist ein Joint Venture zwischen Porsche und der Customcells GmbH. Eine geplante Produktionsanlage soll voraussichtlich ab Ende 2024 zunächst eine Kapazität von mindestens 100 MWh pro Jahr erreichen. Das entspricht Hochleistungsbatteriezellen für rund 1.000 Fahrzeuge. Bei den Zellen handelt es sich um spezielle Lithium-Ionen-Batteriezellen für den Einsatz im Motorsport und in Hochleistungsfahrzeugen. Die Chemie der neuen Hochleistungszellen setzt auf Silizium als Anodenmaterial. Damit ist es möglich, die Energiedichte gegenüber aktuellen Serienbatterien erheblich zu steigern. Die Batterie kann bei gleichem Energieinhalt kompakter ausfallen. Die neue Chemie verringert zudem den Innenwiderstand der Batterie. Dadurch kann diese mehr Energie bei der Rekuperation aufnehmen und ist zugleich beim Schnellladen leistungsfähiger.
Der sogenannte „Digital Twin“ bildet die virtuelle Kopie eines existierenden Fahrzeugs und ermöglicht eine datengetriebene Analyse, Überwachung und Diagnose – ohne die Aufwände und Zwänge der realen Welt.
Digitaler Fahrwerkzwilling für prädiktive Fahrfunktionen und Bauteilzustände
Mit jeder neuen Porsche Generation steigt die Leistungsfähigkeit von integrierter Sensorik, Vernetzung und Datenverarbeitung. Dadurch eröffnen sich immer neue Möglichkeiten, diese Informationen effektiv zu nutzen. Eine davon ist der sogenannte „Digital Twin“: Er bildet die virtuelle Kopie eines existierenden Gegenstücks und ermöglicht datengetriebene Analyse, Überwachung und Diagnose.
Der digitale Zwilling eines Fahrzeugs besteht nicht nur aus den gesammelten Betriebsdaten, sondern auch aus deren Konsequenzen: Informationen, die bei planmäßigen Wartungsaufenthalten und unplanmäßigen Reparaturen gesammelt werden. Bestandteile dieses „Digital Twin“ existieren damit bereits heute im Speicher von Steuergeräten und in den Datenbanken der Porsche Zentren.
Das große Potenzial der digitalen Zwillinge liegt darin, dass ihre Daten in einer zentralen Intelligenz zusammengeführt werden. Aus den Werten eines gesamten Felds lassen sich Rückschlüsse ziehen, die für jedes einzelne Fahrzeug und damit für jeden einzelnen Kunden von Vorteil sind. Auf Grundlage dieser Big Data kann ein Algorithmus beispielsweise anhand der Sensordaten von Antrieb und Fahrwerk die Fahrweise berechnen und nicht nur den individuell optimalen Servicezeitpunkt, sondern auch den Serviceumfang empfehlen. Noch wichtiger: Auf die gleiche Weise können auch Bauteilverschleiß oder sogar mögliche Ausfälle berechnet werden, noch bevor sie tatsächlich eintreten – ein erheblicher Sicherheitsgewinn.
Seit rund drei Jahren arbeiten Software-Spezialisten von Porsche am Konzept eines digitalen Zwillings mit dem Schwerpunkt Fahrwerk, einem sogenannten „Chassis Twin“. Mittlerweile wird dieses Projekt im Rahmen von CARIAD weitergeführt, dem eigenständigen Automotive-Software-Unternehmen im Volkswagen Konzern. Das hat den Vorteil, dass nicht nur Daten von Porsche Fahrzeugen herangezogen werden können, sondern von allen Konzernmarken – was den Pool auf die bis zu 20-fache Menge an Autos vergrößert.
Bei einem Porsche ist das Chassis den höchsten Belastungen ausgesetzt, insbesondere im Rundstreckenbetrieb. Deshalb setzt der Aufbau eines digitalen Zwillings beim Fahrwerk an. Durch Sensorik im Fahrzeug und die Nutzung intelligenter, selbstlernender Algorithmen bei der zentralen Auswertung werden Beanspruchungen sofort im Fahrzeug erkannt und an den Fahrer übermittelt. Damit erhöht sich die Insassensicherheit, weil gewisse Störungen direkt auffallen, noch bevor der Fahrzeugnutzer oder die Werkstatt einen Fehler beispielsweise durch Geräusche oder Vibrationen erkennt.
Der digitale Zwilling ermöglicht auch abseits des Fahrbetriebs Vorteile für die Kunden: Die digitale Fahrzeugakte kann den Restwert des Fahrzeugs belegen und erhöht die Transparenz für Gebrauchtwagenkäufer und -verkäufer.
Porsche erprobt bereits eine erste Anwendung des Digital Chassis in der Praxis. Bei der überwachten Komponente handelt es sich konkret um die Luftfederung des Porsche Taycan. In dem Pilotprojekt werden zunächst hauptsächlich aus den Daten der Aufbaubeschleunigung Schwellwerte errechnet. Werden diese überschritten, erhält der Kunde über das PCM eine Information, er möge sein Fahrwerk im Porsche Zentrum überprüfen lassen. Damit wird nicht nur das Überschreiten der Verschleißgrenze vermieden, durch die frühzeitige Reparatur können auch Folgeschäden verhindert werden. Sowohl in der Test- als auch in der Serienphase steht der Datenschutz über allem. Deshalb werden die Kunden per PCM um ihr Einverständnis für die Übermittlung der anonymisierten Daten gebeten. Rund jeder zweite Taycan-Kunde nimmt an diesem Pilotprojekt teil – eine sehr positive Resonanz für diese Anwendung des Digital Chassis.
Der digitale Zwilling ermöglicht auch abseits des Fahrbetriebs Vorteile für die Kunden: Die digitale Fahrzeugakte kann den Restwert des Fahrzeugs belegen und erhöht die Transparenz für Gebrauchtwagenkäufer und -verkäufer. Durch die lückenlose Dokumentation der Bauteile wäre zudem eine erweiterte Approved-Garantie durch den Hersteller denkbar, ja sogar eine Zertifizierung mit einer Preisempfehlung für den Wiederverkauf.