Eine Flasche Shampoo oder eine Faltschachtel mit Medikamenten, ein Kosmetikartikel oder ein Glas mit Lebensmitteln: „Sechs Mal“, so schätzt Martin Kühl, „hat ein Verbraucher in Europa heute Tag für Tag ein Produkt in der Hand, auf das eine unserer Maschinen das Etikett aufgebracht hat.“ Martin Kühl ist Leiter des Geschäftsbereichs Etikettiermaschinen bei Herma, weltweit eine der ersten Adressen, wenn es um Selbstklebetechnik geht. Das Unternehmen mit Sitz in Filderstadt, einem Ort am Rande Stuttgarts, erwirtschaftete 2013 innerhalb der Herma-Gruppe mit 848 Mitarbeitern einen Umsatz von 261 Millionen Euro. „Wir sind mit diesem erneuten Rekordumsatz wiederum stärker gewachsen als der Markt“, bilanziert Herma-Geschäftsführer Sven Schneller. Das prozentual größte Wachstum erarbeitete sich dabei der Geschäftsbereich Etikettiermaschinen mit einem satten Plus von über zwölf Prozent. Und für genau diesen Geschäftszweig definierte Herma ein ambitioniertes Ziel: die Verdoppelung von Umsatz und Ertrag innerhalb von acht Jahren.

Angefangen hatte alles vor über hundert Jahren mit ein paar Etiketten für ein aufstrebendes Unternehmen im Fahrzeugbau namens Daimler, heute Weltkonzern für Autos der Premiumklasse. Druckereibesitzer und Firmengründer Heinrich Hermann setzte 1906 auf geprägte Etiketten und Warenanhänger für die Auszeichnung der stürmisch wachsenden Anzahl industriell produzierter Waren.

Die hochwertigen Produkte eroberten rasch den Markt und bereits 1913 eröffnete in England die erste Auslandsvertretung. Erfindergeist und neue Produktideen beflügelten in den 1920er-Jahren nicht nur den Aufschwung des Unternehmens, sondern legten auch den Grundstein für die Eigenentwicklung von Produktionsmaschinen. Einen weiteren entscheidenden Impuls für den langfristigen Erfolg des Unternehmens gab die Entwicklung eigener Verfahren zur Haftpapierbeschichtung und Haftgummierung in den 1950er-Jahren.

Die Branche ist von Sonderlösungen und kleinsten Stückzahlen geprägt

Bis heute gehört Herma im Geschäftsbereich Haftmaterial weltweit zu den Technologieführern. So hat das Unternehmen ein Verfahren entwickelt, mit dem mehrere unterschiedliche Klebstoffschichten gleichzeitig aufgetragen werden können. Dadurch sind beispielsweise Etiketten, deren Beschichtung nicht durch die Verpackung von Lebensmitteln diffundieren darf, auch mit herkömmlichen Haftklebern einsetzbar. „Nach unserem Wissen setzt derzeit niemand diese Mehrschichttechnologie im industriellen Maßstab ein“, sagt Herma-Chef Sven Schneller.

Bei den Industrieetiketten wächst Herma im Geschäft mit internationalen Großkunden, deren europaweite Standorte zentral von Filderstadt aus bedient werden. Ein Wachstumsmotor ist der Internet-Handel, der Versand-Etiketten immer stärker nachfragt. Bei Etikettierern, dem Herzstück jeder Etikettieranlage, gilt Herma ebenfalls als Technologieführer. Als erster Hersteller brachte das Unternehmen mit dem HERMA 400 eine Gerätegeneration mit integrierter Steuerung auf den Markt. Da Etikettierer häufig auf engstem Raum in bestehende Produktionslinien eingefügt werden müssen, ist das ein entscheidender Vorteil.

„In einer Branche, die noch von Sonderlösungen und Sondermaschinen in kleinen Stückzahlen geprägt ist, hat Herma außerdem als Erster die Vorteile einer Serienfertigung in großen Stückzahlen erkannt“, sagt Martin Kühl. Die äußere Geometrie der Etikettierer blieb praktisch immer gleich und ermöglichte es gleichzeitig, durch die integrierte Software und Elektronik die Kundenanforderungen genau abzubilden. Jährlich fertigt Herma rund 2500 Etikettierer mit der immer gleichen Grundform dieses standardisierten Modelltyps.

Der Umsatz soll sich verdoppeln

Mit dieser Auflage war allerdings auch die Kapazitätsgrenze der bisherigen Fertigung erreicht. Für HERMA 2020 – so der Projektname für die Verdoppelung von Umsatz und Ertrag im Bereich Etikettiermaschinen – nahm sich das Unternehmen sowohl eine Effizienzsteigerung als auch eine Erweiterung des Produktangebots vor. Für beide Aufgaben sicherte sich Herma die Unterstützung von Porsche Consulting.

Seit 2003, als der damals neue Etikettierer HERMA 400 weltweit Maßstäbe setzte, entstand der Bestseller in Inselmontage: acht Werkbänke, auf denen die Maschinen von elf Mitarbeitern je nach Kundenauftrag in verschiedenen Ausbaustufen zusammengebaut wurden. Tausende Varianten sind möglich: Das Baukastensystem der HERMA 400 ermöglicht beispielsweise Links- und Rechtsbauweise, für stehenden, liegenden oder hängenden Betrieb mit Baubreiten von 80 Millimeter bis 320 Millimeter. Dazu ergänzende Module zur Integration in die jeweilige Produktionslinie beim Kunden bis hin zur Sondermaschine.

In intensiver Zusammenarbeit mit Geschäftsbereichsleiter Martin Kühl entwarfen die Experten von Porsche Consulting ein Konzept einer effizienten Fließfertigung. Zur Vorbereitung lernten die Herma-Mitarbeiter die Vorteile einer getakteten Produktion mit genau definierten Arbeitsinhalten im Porsche-Stammwerk Zuffenhausen kennen. Dann erprobten sie es eigenhändig mit der Kartonsimulation, die die Lean-Production-Vorteile verdeutlicht. Die Überzeugungsarbeit „war anspruchsvoll, weil sich die Mitarbeiter an eine bestimmte Arbeitspraxis gewöhnt hatten“, sagt Martin Kühl. „Der Besuch bei Porsche im Werk war da sehr wichtig. Die Praxis ist doch noch immer der eindrucksvollste Beweis.“

Der ideale Takt verursacht keinen Stress bei den Mitarbeitern

Als das Konzept stand, baute Herma den kompletten Produktionsprozess des HERMA 400 innerhalb einer Woche um. Die ausgedehnte Vorratshaltung im Lager und an den Arbeitsplätzen wich einer auftragsbezogenen Materialbereitstellung und -disposition. Damit war ein beachtlicher Teil des bisherigen Platzbedarfs eingespart. Statt der langen Werkbänke entstanden fünf kompakte, kreisförmig angeordnete Arbeitsstationen, die jede Maschine auf einer mobilen Montageplattform durchläuft. Die genaue Analyse der Arbeitsschritte und deren gleichmäßige Verteilung hat eine Taktzeit von 37 Minuten ergeben. „Diese Zeit haben wir als idealen Takt definiert, ohne den Stress für die Mitarbeiter zu erhöhen“, erläutert Martin Kühl. „Sie können innerhalb eines Taktes viel ruhiger und organisierter arbeiten als zuvor.“

Die Durchlaufzeit pro Maschine sank dabei um 75 Prozent – und das auf einer Produktionsfläche, die mit 180 Quadratmetern gerade mal halb so groß ist wie zuvor. Montage und Logistik binden nur noch sechs statt der zuvor elf Mitarbeiter. „Die übrigen fünf haben wir dringend an anderer Stelle benötigt, beispielsweise in der Fertigung von kundenspezifischen Spezialmaschinen“, so Martin Kühl.

Unmittelbar nach der Fertigungsumstellung nahm Herma mit der Unterstützung von Porsche Consulting das zweite Wachstumsprojekt in Angriff, die Entwicklung einer neuen Basis-Etikettiermaschine. „Es ging um ein Basismodell, das die Herma-Tugenden transportiert, aber aufgrund eines abgespeckten Leistungsspektrums preislich deutlich attraktiver sein kann“, erläutert Prokurist Martin Kühl. Als das Konzept der HERMA basic Gestalt annahm, schien es schon zu spät für den Abschluss der Entwicklung bis zur weltweit wichtigsten Verpackungsmesse Interpack in Düsseldorf. „Zuerst gingen wir davon aus, die Wünsche unserer Kunden erst im Jahr 2015 mit einem neuen Erzeugnis erfüllen zu können. Stattdessen sind wir seit der Interpack im Mai 2014 auf dem Markt und setzen einen weiteren Benchmark in der Branche.“

Neue Produkte kommen schneller auf den Markt

Der HERMA basic beginnt bereits die Auftragsbücher zu füllen und wird jetzt gemeinsam mit dem HERMA 400 produziert. Durch die Fließfertigung ist die Integration problemlos möglich, Kapazitäten sind noch vorhanden.

„Wir haben jetzt in mehreren Projekten gesehen, dass wir das vermeintlich Unmögliche wahr machen können – mit der Hilfe von Porsche Consulting“, sagt Martin Kühl. Die nächsten Projekte sollen ebenfalls schneller umgesetzt werden, neue Produkte schneller auf den Markt kommen. Im internationalen Wettbewerb verspricht sich Herma dadurch einen entscheidenden Vorteil. „Das problemlose Zusammenspiel von Porsche Consulting mit seinen exzellenten Fachleuten und unseren langjährigen und engagierten Facharbeitern und Ingenieuren hat im Ergebnis zu einer deutlich verbesserten Prozessstruktur geführt. Dafür gebührt allen Beteiligten Respekt und Anerkennung. Die Umstellung war herausfordernd, hat aber allen Beteiligten auch Spaß gemacht. Wir können uns eine Fortsetzung der Zusammenarbeit gut vorstellen“, sagt Sven Schneller, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Herma GmbH.

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