Das Geschäft mit Kreuzfahrten boomt. Kaum ein anderes Segment im Tourismus erfreut sich derart großer Zuwachsraten wie der Urlaub auf hoher See. In den letzten zehn Jahren haben sich die Buchungen allein in Europa verdoppelt, 2013 verbrachten rund 6,4 Millionen Europäer und 11,7 Millionen US-Amerikaner ihre kostbarsten Wochen des Jahres auf schwimmenden Hotels. Was vor einigen Jahren noch einer betuchten, meist betagten Klientel vorbehalten war, entwickelt sich durch fallende Preise und ein ständig wachsendes Angebot in großen Schritten in Richtung Breitenmarkt.

War es früher die Vorstellung von einsamen Stränden, gesunder Luft, Palmen und vor allem Ruhe, die die Faszination Seereise ausmachte, kann man heute auf vielen Schiffen Kletterwände erklimmen, auf künstlichen Wellen surfen, Pirouetten auf der Kunsteislaufbahn drehen oder in einem Simulator Fallschirm springen. Allein 2015 werden weltweit 13 neue Luxusliner vom Stapel laufen. Die stärkste Buchungsgruppe hat sich mittlerweile auf ein Alter zwischen 41 und 55 Jahre verjüngt. Diese Gäste sind über Angebote gut informiert, anspruchsvoll und erwarten reibungslose Abläufe bis ins kleinste Detail.

Preisdumping erschwert das Geschäft

Royal Caribbean Cruises Ltd. ist weltweit der zweitgrößte Kreuzfahrt-Anbieter. Das 1968 gegründete Unternehmen mit norwegischen Wurzeln und Sitz in Miami schickt unter den Markennamen Royal Caribbean International, Celebrity Cruises, Pullmantur, Azamara Club Cruises, CDF Croisières de France und TUI Cruises eine Flotte von 42 Kreuzfahrtschiffen über die Weltmeere, darunter mit den Schwesterschiffen „Oasis of the Seas“ und „Allure of the Seas“ die größten ihrer Art. Doch Preisdumping, zunehmend umkämpfte Märkte sowie ständig wechselnde und wachsende Anforderungen machen es den Unternehmen immer schwerer, richtig Kurs zu halten.

2009 entschloss sich Royal Caribbean Cruises Ltd. deshalb, die Porsche-Berater mit an Bord zu holen. Executive Vice President, Newbuild, Harri Kulovaara ist froh, dass die Meyer Werft in Papenburg, wo viele Kreuzer der Royal-Caribbean-Flotte gebaut werden, die Berater empfohlen hat. „Wir waren sehr beeindruckt von den Prozessen, die die Meyer Werft und Porsche Consulting gemeinsam etabliert hatten – besonders was den Design-Prozess angeht. Wir wollten zunächst daran arbeiten, unsere Anforderungen an das Schiffsdesign auf aussagekräftige Weise an die Werft zu übermitteln. Somit gab es eine natürliche Verbindung, die den Ausgangspunkt unserer Zusammenarbeit bildete.“

Die Porsche-Berater erkannten Optimierungspotential

Die Komplexität einer Kreuzfahrt ist enorm, kleinste Fehler in den unterschiedlichen Abläufen können sich in der Gesamtheit fatal auswirken. Die Porsche-Berater führten zunächst auf den größten Schiffen der Flotte eine Effizienzstudie mit Fokus auf die Service-Bereiche durch. Fast überall konnte ein Optimierungspotenzial zwischen 20 und 30 Prozent ermittelt werden – durch Qualitäts- und Produktivitätssteigerung sowie Kostenreduzierung. So wurde beispielsweise das Galley-Layout umgestaltet: Die Schiffsküche bekam ein Fließband, auf dem den Köchen die benötigten Zutaten für kalte Speisen bereits kommissioniert an den Arbeitsplatz geliefert werden.

„Wir kannten bis dahin vier traditionelle Arten, wie eine Galley und der Food-Service-Bereich aussehen können, aber Porsche Consulting hat mit einem ganz anderen Blick darauf geschaut und einen völlig neuen Ansatz verfolgt, der die Effizienz in diesem Bereich verbessert hat“, so Kulovaara.

Eine Art Härteprobe für die Prozesseffizienz stellt der sogenannte Turnaround Day dar – der Tag, an dem über 5000 Passagiere das Schiff verlassen und die gleiche Zahl von neuen Gästen eintrifft. An diesem kritischen Zeitpunkt müssen die unterschiedlichsten Arbeitsabläufe perfekt und zuverlässig ineinandergreifen und funktionieren: Innerhalb weniger Stunden wird das gesamte Schiff ent- und beladen sowie alle Kabinen gereinigt. Abertausende Textilien durchlaufen die Wäscherei, damit alles bereit ist für die Gäste der nächsten sieben bis zehn Tage.

Besonders schwierig dabei ist der Ladevorgang, das sogenannte Provisioning. Tonnen an Proviant und Material müssen innerhalb der vorgegebenen Zeit ihren Platz an Bord finden. Durch die Einführung eines Takt- und Fließ-Prinzips konnte die ursprünglich benötigte Durchlaufzeit von der Entladung der Lastwagen bis zur Einlagerung der Produkte am finalen Lagerplatz im Kälteraum von 17 auf nur fünf Stunden reduziert werden. Das entspricht einer Zeitersparnis von 83 Prozent – die vorgeschriebenen Ruhezeiten der Drogen- und Sprengstoffhunde, die jede Palette vor dem Laden in das Schiff kontrollieren, mit eingerechnet.

Die Verräumung der Waren in die entsprechenden Zielbereiche auf dem Schiff erfolgt jetzt unmittelbar und ohne blockierende Zwischenlager auf den Schiffsgängen. Auch die stundenlange Lagerung von tiefgekühlten Produkten am Kai bei teilweise extremer Sonneneinwirkung gehört der Vergangenheit an.

„Die Verbesserungen im Provisioning waren enorm. Die Synchronisierung der Prozesse hat einen kontinuierlichen Ladefluss entstehen lassen, bei dem die ehemals bestehenden Wartezeiten von Material und Mensch eliminiert wurden. Das hat nicht nur zu einer besseren Qualität der Produkte geführt, sondern auch Überstunden der Transportmitarbeiter erheblich reduziert“, so Rüdiger Leutz, Geschäftsführer von Porsche Consulting in Brasilien.

Prozessoptimierung liefert einen Beitrag zu Kostenersparnis und Umweltschutz

Das zentrale Thema auf jedem Kreuzfahrtschiff ist die Hygiene. Ein Schiff mit vielen Tausend Gästen ist wie eine schwimmende Kleinstadt. Kleinste Nachlässigkeiten können fatale gesundheitliche Folgen haben – bis hin zu kleineren Epidemien. Schlüsselstellen sind die Reinigungs- und Waschprozesse, die besonders gut aufeinander abgestimmt sein müssen.

In der Wäscherei werden Handtücher, Servietten, Tischdecken und Bettwäsche-Garnituren von einer Tunnelwaschmaschine rund um die Uhr im Dauerbetrieb gereinigt. Durch eine bessere Taktung der Reinigungsfrequenzen wurde neben dem optimalen Mitarbeitereinsatz in der Wäscherei auch die Qualität der gewaschenen Produkte erhöht, etwa durch eine gleichmäßige Textilabnutzung und eine Reduzierung des Faltenaufkommens bei Handtüchern und Bettwäsche. Gleichzeitig wurde der Verbrauch von Putzmitteln und Chemikalien verringert und so ein nachhaltiger Beitrag zu Kostenersparnis und Umweltschutz geleistet.

Ein technischer Ausfall in der Wäscherei hätte schwerwiegende Folgen. Aus dieser Erkenntnis heraus führte Porsche Consulting für derart sensible Bereiche Worst-Case Studien durch und entwickelte Lösungen, die den Normalbetrieb an Bord bis zum Erreichen des nächsten Hafens sichern.

Ein Rollout der Konzepte ist geplant

Einen Schritt weiter geht die präventive Instandhaltung. Wichtige technische Einrichtungen und anfällige Stellen auf dem Schiff sollen regelmäßigen Wartungsintervallen unterliegen, die es so bisher in dieser Form noch nicht gegeben hat. Durch diese Mehrinvestition werden sich abzeichnende Störungen rechtzeitig erkannt und teure Reparaturen oder Stillstände, die oft auch eine massive Beeinträchtigung für die Gäste darstellen, vermieden.

Die in der Effizienzstudie gewonnenen Erkenntnisse wurden in den diversen Servicebereichen unmittelbar in On-Board-Workshops auf den ausgewählten Pilotschiffen umgesetzt. Der Rollout dieser Konzepte ist jedoch für die gesamte Flotte geplant. Die Optimierungen während des laufenden Schiffsbetriebs so umzusetzen, dass Kreuzfahrtreisende nicht beeinträchtigt wurden, war eine besondere Herausforderung. Außerdem war die interkulturelle Kompetenz der Berater in hohem Maße gefragt: An Bord der Kreuzfahrtschiffe arbeiten Menschen aus mehr als 50 Nationen. „Es kam uns zugute, dass wir bei Porsche Consulting gewohnt sind, in internationalen Teams zusammenzuarbeiten“, so Leutz.

Von Porsche lernen

Ein beachtliches Ergebnis der ganzheitlichen Betreuung wurde auch im Revite-Prozess, der Revitalisierung des Schiffes, verzeichnet. Diese Generalüberholung findet für jedes Schiff der Flotte alle fünf Jahre auf dem Trockendock statt. Neben der technischen Instandsetzung werden dabei auch die Kabinen und alle anderen Gästebereiche in den Neuzustand versetzt. Basis für den Optimierungsansatz war hier die Erfahrung aus der Automobilbranche.

Abgeleitet von der Porsche-Produktionsmethodik wurden eigene „Takttafeln“ für den jeweiligen Renovierungsprozess erstellt, die jederzeit Auskunft über den Stand der Arbeiten geben und rechtzeitig warnen, wenn Ziele zeitlich nicht eingehalten werden. Dadurch wurde die extrem kostenintensive Verweildauer der Schiffe auf dem Trockendock deutlich reduziert. Ein Einsparpotenzial von rund 4,5 Millionen Dollar und eine Produktivitätssteigerung von 56 Prozent, bezogen auf die renovierten Kabinen pro Tag, verschafften Royal Caribbean einen beachtlichen Wettbewerbsvorteil.

Mittlerweile arbeitet Porsche Consulting auch aktiv in der Planung von neuen Kreuzfahrtschiffen mit. Das neue „Mein Schiff 3“ sowie die „Quantum of the Seas“ sind bereits auf diese optimierte Weise entstanden. Harri Kulovaara ist überzeugt, dass damit der richtige Kurs eingeschlagen wurde: „Innovationen und Kundenzufriedenheit sind zwei absolute Kernelemente unserer Industrie. Die Verbesserungen am Design-Prozess sind deshalb enorm wichtig für uns. Letztlich profitieren unsere Schiffsgäste von den optimierten Abläufen – und das ist der zentrale Vorteil.“

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