Suzuka S, Sunset Bend und Loews. Victoria Turn, Curve di Lesmo, Caracciola- Karussell und wieder zurück zum Start. All jene, denen die Namen der legendären Schikanen von Monza, Monte Carlo oder vom Nürburgring allein beim Lesen das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen, sind in Leipzig richtig. Wir auch. Wir sind verabredet. Mit Michelle Gatting. Ein Meter achtzig groß. Blond. Und mit 21 Jahren die jüngste Profi-Rennfahrerin im Porsche Carrera Cup.

Der Morgen ist nebelig und kühl. Der Anblick des indischroten Porsche GT3 vor der Ampel am Kurs wärmt. Und die Aussicht, in wenigen Minuten mit der Rennfahrerin Michelle Gatting in selbigem den Kurs vom Beifahrersitz aus zu erobern, erst recht. Mit festen Schritten und einem verschmitzten Zug um die Lippen geht die junge Frau im weißen Rennoverall auf ihr Lieblingsspielzeug zu. Sie öffnet die Fahrertür und gleitet in die Sitzschale.

Michelle Gatting gurtet sich an, dreht den Schlüssel im Zündschloss herum, entriegelt die Taste mit dem Doppelrohrsymbol in der Mittelkonsole, löst das Bremspedal und fragt: „Langsam oder schnell?“ Oh! Schnell, bitte. Ein, zwei Wimpernschläge später sind wir auf der Strecke. „Es ist ein bisschen rutschig heute“, schiebt sie in der ersten Rechtsbiegung schnell hinterher. „Wenn die Strecke nass ist, wird es schwierig. Man darf sich nicht übersch.tzen, besonders nicht im GT3“, sagt Michelle, die im zarten Alter von 13 als dänische Kartmeisterin ihre ersten Triumphe gefeiert hat.

Pilotin mit Hingabe

Gehörig Respekt schwingt in ihrer Stimme mit: „Der GT3 ist fast ein Rennwagen. Wenn du mit dem Unsinn machst, macht er noch größeren Unsinn mit dir.“ Sprichts und schon nimmt der infernalische Sound aus dem Doppelrohr, der in jede Faser des Körpers eindringt, ihre Worte mit auf die erste lange Gerade. Der Anschub des kleinen Bruders des Cup-Elfers presst uns in die Kissen – Mensch und Maschine werden eins.

Das Sechszylinder-Boxermotor- Kraftwerk dreht auf bis zu 9.000 Umdrehungen und holt aus 3,8 Litern Hubraum eine Leistung von 475 PS (911 GT3: Kraftstoffverbrauch/Emissionen* kombiniert: 12,4 l/100 km; CO₂-Emission: 289 g/km). „Es ist eben ein Porsche“, sagt unser Profi lächelnd. „Es wird immer einen massiven Unterschied geben zwischen einem Porsche und anderen Autos. Besonders bei dem GT3.“ Dass die Dänin etwas von der Materie versteht, hat sie bei einem Auswahlverfahren der FIA Institute Academy bewiesen. Niemand aus Europa war bei den Testrennen schneller unterwegs als Michelle.

Zielstrebig treibt der straßentaugliche Streitwagen nach vorn. In 3,5 Sekunden ist er von 0 auf 100 km/h. 7,9 Sekunden später nimmt er die 200-er Marke. Schluss mit lustig wäre erst bei 315 km/h. Beschleunigungen, die zuerst die inneren Organe registrieren. Für die Profi-Rennfahrerin bleibt genügend Luft, um die Qualität des Leipziger Kurses zu beschreiben. „Es ist ein tolles Testcenter, denn hier sind viele verschiedene Rennstrecken an einem Ort vereint. Und hier ist einfach alles Porsche. Wenn ich hierherkomme, verwandelt sich mein Herz in ein Porsche Logo.“

Der FIA-zertifizierte Rundkurs, entworfen von Hermann Tilke, Konstrukteur von Rennkursen wie dem von Malaysia oder Bahrain, hat im vergangenen Jahr noch einen Zuschlag bekommen. Nun liegt ein legendäres Stück vom Nürburgring im Originalmaßstab in der Leipziger Ebene. Das Caracciola-Karussell – eine 450 Meter lange Steilkurve aus der Nordschleife der Grünen Hölle.

Zusätzlich im Angebot: Die einer kurvenreichen Landstraße nachempfundene „Handlingstrecke“. Hier steht nicht die Geschwindigkeit im Vordergrund, sondern Standort Leipzig vor allem die Geschicklichkeit des Fahrers. Auf 2,2 Kilometern lassen sich realistische Überlandfahrten erleben. Für das Austesten des richtigen Bremsverhaltens auf nasser Fahrbahn gibt es on top eine 150 Meter lange bewässerte Dynamikfläche.

Das dritte Highlight bildet ein Kreis mit einem Umfang von 120 Metern. Hier erfährt der Fahrer, welche Kräfte in einer Kurve wirken und wie man diese Passage trotzdem problemlos bewältigt. Statt Leipziger Allerlei ist für den passionierten Fahrer in der Sachsen-Metropole alles dabei. Für unsere dynamische Dänin steht nach den Erweiterungen fest: „Wer Porsche Freak ist, der sollte hierherkommen. Es gibt in Leipzig außerdem viele kompetente Leute, von denen man lernen kann.“ Ein typischer Gatting-Satz. Obwohl sie sich in der rauen, von Männern dominierten Motorszene schon einen Namen gemacht hat, bleibt sie geerdet und bescheiden. Immer wieder erwähnt sie die Unterstützung von ihren Eltern und von der Familie ihres Freundes, ohne die ihre Rennkarriere nicht denkbar wäre.

Elegant wie eine Pianistin

Michelle hat inzwischen die absolute Herrschaft über den GT3 übernommen. Elegant und behände wie eine Pianistin bespielt sie die Schaltwippen am Lenkrad. Sie durchfährt die Links-rechts-Kombination Suzuka S in Richtung Sunset Bend, einer Rechtskurve, die beherztes Durchschalten vom zweiten in den vierten Gang erfordert, und treibt den GT3 mit unbeirrbarem Blick über die längste Gerade der Strecke in Richtung Loews-Kurve.

Eine Rechtskehre mit leichter Steigung; die Verbindung des schnellsten und des langsamsten Streckenabschnitts. Beim Anbremsen am frühen Scheitelpunkt muss sie das Tempo konsequent reduzieren und dreimal sauber schalten. Der Blick haftet auf dem Asphalt, denn alle Bedienelemente liegen da, wo man sie vermutet: in Griffweite.

Für die makellose Performance im Victoria Turn sorgt das fein abgestimmte Zusammenspiel aus einem Fahrwerk mit Hinterachslenkung, dem serienmäßigen 7-Gang Porsche Doppelkupplungsgetriebe mit GT3-typischen, kurzen Übersetzungen, der – im Vergleich zum Vorgängermodell – um 31 Millimeter verbreiterten Spur an der Hinterachse und dem um 100 Millimeter längeren Radstand. Macht, summa summarum: tadellose Querdynamik und maximale Fahrstabilität.

Dank Porsche Torque Vectoring Plus und des Könnens der wettkampferprobten Rennfahrerin zeichnet der GT3 präzise auf allen Vieren den Turn nach. Keine Frage: Der GT3 hat unser Herz. Ohne Wenn und Aber. Und Michelle? Auch ihr ganzes Herz gehört Porsche. Logo!

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