Sound-Maschine

Porsche plant den Großangriff auf die GTE-Klassen von Le Mans: Gleich zehn 911 RSR wollen dem Langstreckenklassiker ihren Stempel aufdrücken – akustisch liegen sie in jedem Fall ganz vorne.

Wer ihn einmal gehört hat, wird ihn nie mehr vergessen: den unnachahmlichen Sound des aktuellen 911 RSR. Dieses scharfe, ekstatisch-helle Schreien des vier Liter großen, hochdrehenden Boxermotors, dessen Verbrennungsgeräuschen kein Turbolader im Weg steht, wenn er mit mehr als 300 km/h die Nacht von Le Mans zerschneidet. Gänsehaut pur, unverwechselbar und in den Gehörgängen echter Porsche-Fans eine betörende Symphonie aus sechs Zylindern. Der schnellste Rennwagen in der mehr als 50-jährigen Geschichte der 911-Modellreihe ist eine akustische Offenbarung.

Größtes GT-Engagement aller Zeiten

Die vielen Hunderttausend Le-Mans-Pilger, die sich am 16. und 17. Juni wieder zur Hochgeschwindigkeitsmesse am Circuit des 24 Heures versammeln, dürfen sich auf besonderen Ohrenschmaus freuen: Gleich zehn Exemplare des 911 RSR wollen den Höhepunkt des Langstreckenjahres in ein Highspeed-Festival verwandeln. Vier Werksautos von Porsche treffen in der GTE-Pro-Kategorie mit Ferrari, BMW, Ford, Corvette und Aston Martin auf fünf konkurrierende Hersteller-Teams – eine ebenso spannende wie brisante Ausgangssituation, die das Geschehen bei dem 24-Stunden-Klassiker prägen wird. In der GTE-Am-Klasse setzen professionelle Kundenteams sechs weitere RSR ein, oftmals mit Porsche-Werksfahrern am Steuer. Es ist das größte GT-Engagement des schwäbischen Sportwagenherstellers in Le Mans aller Zeiten.

911 RSR, 2018, Porsche AG
Porsche ist mit zehn 911 RSR bei Le Mans 2018

1951 hat sich Porsche erstmals dem berühmten Langstreckenrennen an der Sarthe gestellt. Der 356 SL mit der Startnummer 46, pilotiert von den Franzosen Auguste Veuillet und Edmond Mouche, gewann prompt in seiner Klasse. Seither sind 19 Gesamt- und 136 Klassensiege hinzugekommen. Die meisten Erfolge gehen auf das Konto des Porsche 911, damals wie heute das Rückgrat der Marke. Seine Geschichte ist untrennbar mit Motorsport verbunden. Die stete und ehrgeizig vorangetriebene Entwicklung für Le Mans hat auch den Charakter der Serienmodelle geprägt – bis zum heutigen Tag.

Freiheiten bis ins Detail ausgeschöpft

Der aktuelle, auf dem 911 GT3 RS basierende RSR steht an der Spitze dieser Evolution. Das Kernelement seines Stahlchassis lief in Zuffenhausen vom Band. Serienproduktion. Im Motorsportzentrum übernahmen Spezialisten von Porsche anschließend den akribischen Aufbau in Handarbeit. Die Freiheiten, die ihnen das GTE-Reglement bietet, schöpften sie bis ins kleinste Detail aus.

So bestehen viele Teile der aerodynamisch ausgefeilten Karosserie aus leichter Kohlefaser, während eine eingeschweißte Sicherheitszelle aus Stahl dem Rennwagen eine höhere Stabilität verleiht und dem Fahrer bestmöglichen Schutz bietet.

Selbst die Einbaulage des rund 510 PS starken Saugmotors war den Konstrukteuren nicht heilig: Er sitzt nicht mehr im Heck, sondern vor der Hinterachse. Das schafft im hinteren Unterboden Platz für den groß dimensionierten Diffusor, der Abtrieb erzeugt, ohne dass dafür nennenswert aerodynamische Nachteile in Kauf genommen werden müssten. Dadurch kann der RSR schnelle Kurven noch schneller fahren, während der für hohe Spitzengeschwindigkeiten maßgebliche Luftwiderstand praktisch unverändert bleibt – gerade auf den langen Vollgaspassagen von Le Mans ein Vorteil. Zusätzlichen Anpressdruck an der Hinterachse generiert der hängend angebundene Heckflügel.  Auch er verbessert die aerodynamische Effizienz signifikant.

911 RSR, 2018, Porsche AG
Der 911 RSR geht in seine zweite Saison

2018 geht der 911 RSR bereits in seine zweite Saison – und die hat es, was die FIA World Endurance Championship betrifft, in sich: Das erste Rennen ist im Mai 2018, das letzte im Juni 2019. Somit umfasst sie gleich zwei Ausgaben der 24 Stunden von Le Mans sowie das 12-Stunden-Rennen von Sebring in Florida und fünf weitere Läufe über jeweils sechs Stunden. Statt der Langstrecken-Weltmeisterschaft bestreiten zwei der vier Werks-RSR neben dem Gastspiel in Le Mans alle zwölf Rennen der nordamerikanischen IMSA-Weathertech-Serie.

Erkenntnisse für die Serienmodelle

Angesichts dieses Marathonprogramms rücken Effizienz und Ausdauer, traditionell die Kernkompetenzen der Rennwagen von Porsche, stärker in den Mittelpunkt. Der GT-Spitzensportler ist noch zuverlässiger in seine zweite Saison gestartet. Die Ingenieure haben im vergangenen Jahr viele Daten gesammelt, sodass nun für alle Strecken ein Basis-Set-up zur Verfügung steht. Davon profitieren auch die Kundenteams.

Wie auch immer die aktuelle Saison für den 911 RSR verlaufen wird, eines steht schon jetzt fest: Von den Erkenntnissen, die Porsche unter verschärften Bedingungen im harten Renneinsatz gewinnt, profitieren innerhalb kurzer Zeit auch die Serienmodelle des Sportwagenherstellers – und damit auch die Kunden. Jüngstes Beispiel ist der neue 911 GT3 RS, der im März auf dem Automobilsalon in Genf Weltpremiere feierte: In seinem ebenfalls 4,0 Liter großen und 520 PS (383 kW) starken Saugmotor, der Drehzahlen bis 9.000/min erlaubt, steckt viel Know-how aus dem 911 RSR.

356 SL: 1. Le-Mans-Klassensieger von Porsche

Die Initialzündung

Ein 356 SL mit der Startnummer 46 war 1951 der erste Porsche, der in Le Mans an den Start ging – und sogleich einen Klassensieg errang. Das aerodynamisch optimierte Gmünd-Coupé wog nur 640 statt 780 Kilogramm, konnte 68 statt 50 Liter tanken und wurde von einem 1,1-Liter-Vierzylindermotor mit 46 statt 40 PS auf bis zu 160 km/h beschleunigt. Heute ist ein moderner 911 RSR im Rundendurchschnitt rund 70 km/h schneller.

 

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