Eindrucksvolle 215 Formel-1-Rennen, 13 Polepositions, neun Siege. Nie hat er ein Rennen versäumt. Nie hat er eine neue Herausforderung gescheut. Und nie hätte er erwartet, wieder in Le Mans starten zu können. „Die Chance mit Porsche zurückzukehren – da konnte ich einfach nicht widerstehen.“

Mark Webber steht auf dem Balkon seines Hauses und blickt über eine der schönsten Küsten Australiens. Die Situation ist selbsterklärend. Aber er sagt es trotzdem: „Ich liebe dieses Meer, die Strände, die Vegetation, dieses Gefühl, am äußersten Rand des Kontinents zu sein.“ Der 37-Jährige genießt es, nimmt gleichzeitig aber nichts als selbstverständlich hin. Wenn er über sein Leben spricht, schwingt immer ein Hauch Verwunderung darüber mit, dass er es so weit gebracht hat.

Wer trotz Lebensmittelvergiftung Rennen fährt und wer trotz noch nicht ausgeheiltem Beinbruch ohne Krücken in die Startaufstellung geht, der ist entweder verrückt oder einfach unglaublich willensstark und zäh. Mark Webber ist kein bisschen verrückt.

Diese Chance verdankt er seinem Talent und auch Ann Neal

Höchstens in Sachen Motorsport. Er verließ seine Heimatstadt Queanbeyan in New South Wales als 19-Jähriger mit einem klaren Ziel: in England die Rennfahrerkarriere auszubauen. Er war einer von vielen und einer von jenen, die keine Sponsoren und kein Geld hatten. Aber Talent und Willen lassen sich nicht durch widrige Umstände besiegen. Er gewann beim prestigeträchtigen Formel-Ford-Festival in Brands Hatch, es folgte das Sportwagenprojekt von Mercedes.

Höhepunkt der Saison 1999 sollte das 24-Stunden-Rennen in Le Mans werden. Auto und Team galten als Favorit. Aber die Aerodynamik war tückisch, der Mercedes bekam bei Tempo 300 Unterluft und hob ab. Erst im Qualifying und dann im Warm-up wurde Webber zum Flugzeugpassagier. Pirouetten in der Luft, Landung auf dem Dach. Er blieb unverletzt. Die Horrorcrashs hatte er überstanden, aber aus der Karriere schien die Luft raus. Das Blatt wendete sich mit einer Formel-1-Testfahrt für das damalige Benetton-Team. Diese Chance verdankte er seinem Talent und auch Ann Neal. Seit nunmehr 17 Jahren ist die Engländerin seine Lebensgefährtin, Vertraute und Managerin hinter den Kulissen. Ohne sie, sagt Mark, wäre er nicht da, wo er jetzt ist. Eine ganz private Teamleistung.

Sein Formel-1-Debüt war bezeichnend: Er fuhr 2002 in Melbourne auf Platz fünf – in einem unterlegenen Minardi. 2005 stand er mit dem BMW Williams F1 Team erstmals auf dem Podium. Erst im 131. Grand Prix holte er seinen ersten Sieg: 2009 mit Red Bull Racing in Deutschland. 2010 und 2012 gewann er den Großen Preis von Monaco. Das ist eines der Rennen, mit deren Gewinn man in den Rennsport-Olymp einzieht. Ein anderes sind die 24 Stunden von Le Mans, und mit diesem Marathon hat er seit 1999 eine Rechnung offen. Die will er mit Porsche begleichen.

Mark Webber, Werksfahrer, 2014, Porsche AG
Mark Webber im 919 Hybrid

Er bringt alles dafür mit. Den Speed, die Erfahrung, die Fitness, den Mumm und noch viel wichtiger: den Teamgeist. In der 2014 in acht Läufen ausgetragenen World Endurance Championship (WEC) mit dem Höhepunkt Le Mans teilt er sich das Auto mit zwei Fahrerkollegen. „Es gibt bereits eine stattliche Anzahl von erfolgreichen Langstreckenpiloten auf der Welt – und speziell im Porsche-LMP1-Team. Das wird eine große Herausforderung für mich, da mache ich mir keine Illusionen“, betont Webber.

Die Dinge, die er an einem Teamkollegen am meisten schätzt, sind professionelle Gelassenheit sowie die Fähigkeit, Kritik zu üben und im gleichen Maße auch anzunehmen. „Ich werde auf jeden Fall ganz genau zuhören, wenn sie mir Tipps geben. Und wenn ich helfen kann, werde ich das auf jeden Fall tun.“

Die neue Aufgabe elektrisiert ihn: Ausdauer, Teamwork, Präzision, Tempo und Technik. „Die Wagen sind, was Leistung, Feeling und Adrenalin angeht, ganz nah dran an der Formel 1.“ Technologisch ist die Topkategorie der Le-Mans-Prototypen durch das neue Effizienzreglement sogar noch komplexer.

Im 911 steckt eine Menge Rennwagen

Wie er da in einem Strandcafé in Noosa Heads sitzt, redet er mit wachsender Begeisterung über seine lange, intensive Beziehung zu Porsche. Als Teenager lieh er sich den 911 eines Freundes aus. Sein erster eigener war ein Turbo von 2009. Heute hat er einen 911 GT2 RS in der Garage, und das wertvollste Auto von allen ist ihm ein 911 GT3 RS. Er besitzt das Vierlitermodell, eines von nur 600 gebauten Exemplaren. „Mir imponiert, wie Porsche es geschafft hat, diese Elfer-Form allmählich zu modellieren, ohne sie je zu etwas Extravagantem zu verbiegen. Ein Elfer ist nicht protzig. Man kann ihn praktisch überall mit hinnehmen. Dabei ist die unter der Haut lauernde Leistung eine Klasse für sich. Dann die perfekte Sitzposition – tief, mit dem leicht erhöhten Lenkrad …“ Über seinem Fruchtsaft hält er jetzt ein imaginäres Lenkrad in der Luft, bedient die Schaltwippen. „Im 911 steckt eine Menge Rennwagen.“

Ein paar Bauarbeiter in Neonwesten kommen am Tisch vorbei: „Hau rein, Mark! Viel Glück!“ Er erwidert ihr Lächeln, winkt freundlich – und ist schon wieder im Cockpit. „Diese Bremsen! Der Elfer stoppt auf den Punkt. Und bei aller Sportlichkeit ist er funktional, zuverlässig und easy zu fahren. Auch nach weiten Strecken steigt man nicht gerädert aus. Ann und ich wollen in diesem Sommer unbedingt mal über die Alpen fahren.“ Dann erzählt er vom 918 Spyder, den er bei seinen Besuchen im Porsche-Entwicklungszentrum in Weissach regelmäßig trifft: „Was für ein Geschoss!“

Webber erkennt im neuen Reglement für die WEC viele neue Aufgaben

Die Plauderpause ist vorbei. Webber verstaut sein Mountainbike im Cayenne GTS. Noosa ist Erholungsziel und Aktivposten für ihn. Das Wetter, die Routen zum Radfahren und Laufen, die Wellen zum Paddeln und Surfen. Er folgt einem strikten, wohldosierten Fitnessprogramm, um sich auf die neue Herausforderung bei Porsche bestens vorzubereiten. Mark Webber erkennt in dem neuen technischen Reglement für die WEC viele neue Aufgaben: „Porsche wird mit dem Rennwagen in neue Regionen vorstoßen, später werden auch Entwicklungen bei den Straßensportwagen ankommen.“ Er weiß um die eingesetzten Ressourcen, und er weiß auch um die Erwartungen, bleibt aber realistisch: „Es ist alles neu, die Latte liegt hoch, die Konkurrenten sind Big Players. Die Erwartungen sind enorm. Und zwar zu Recht, wenn man sich die Geschichte von Porsche anschaut. Aber nur allein mit dem Emblem auf der Haube fegen wir niemanden vom Platz. Wir werden verdammt hart arbeiten müssen.“

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