Getrieben durch die Digitalisierung und Automatisierung erlebt der Konsum von Mobilität, wie wir ihn jahrzehntelang praktiziert haben, eine historische Zäsur. Wir befinden uns mitten in einem neuen, multi-mobilen Zeitalter. Dabei geht es längst nicht mehr (nur) um das schnelle, effektive Reisen von A nach B. Es geht nicht mehr ausschließlich um räumliche Fortbewegung, Antriebsformen oder Verkehrsmittelnutzung. Nachhaltigkeit, neue Energien, vernetzte Städte, intelligente Transportsysteme, Car-to-Car-Kommunikation, smarte Transportsysteme und nie dagewesene Mobilitätskonzepte im Zusammenspiel mit Zukunftstechnologien bestimmen in vier großen Megatrends (Elektrifizierung, Konnektivität, Autonomes Fahren, neue digitale Services) unser Heute und Morgen auf der Straße, auf Schienen, in der Luft und darüber hinaus. 

Dabei müssen wir uns fragen: Nehmen Mobilitäts- und Technologieunternehmen ihre Verantwortung ernst genug, um aus diesen Herausforderungen Chancen für einen guten und nachhaltigen Mobilitätsansatz zu entwickeln? Und wie viel Mobilität braucht die nächste Generation überhaupt noch?

Sportliche Mobilität heißt auch, Verantwortung zu übernehmen

Kaum eine Technologie ist so eng mit der Gestaltung und Lebensqualität der Stadt verwoben wie das Automobil. Seit mehr als 70 Jahren ist Porsche ein zentraler Treiber bei der Entwicklung und Produktion von Sportwagen. Heute und in Zukunft gilt es also für uns, Verantwortung zu übernehmen: nicht nur für den Bau von Sportwagen, sondern auch für eine sportliche Mobilität. Wenn wir die Zukunft auf die Straße bringen wollen, gelten neue Technologien, neue Produkte, neue Wettbewerber, neue Kunden – und neue Regeln.

Wir erleben eine Evolution der Mobilität. Digitalisierung, 5G-Technologie, Elektrifizierung, Konnektivität – all das passiert gleichzeitig und, wenn man so möchte, bei voller Fahrt. Die gesamte Automobilindustrie entwickelt sich ein Stück weit in Richtung Technologie- und IT-Branche. Mit dem Porsche Digital Lab und der Porsche Digital GmbH bilden wir zentrale Schnittstellen, die nicht nur sportliche Mobilität, sondern gelebte Tradition und Erfahrung aus 70 Jahren Sportwagen mit der Technologie von morgen nachhaltig in Einklang bringen. Wir nennen das #NextLevelGermanEngineering.

„Digitalisierung, 5G-Technologie, Elektrifizierung, Konnektivität – all das passiert gleichzeitig und, wenn man so möchte, bei voller Fahrt." Anja Hendel

Dabei wollen wir die physische und die digitale Welt nicht gegeneinander ausspielen, nein, sie sollen sich sinnvoll ergänzen. Wir fördern ganz bewusst dieses Aufeinanderprallen, wie mein Kollege Stefan Zerweck im Rahmen der TNW2019 in Amsterdam treffend erklärt hat. Dafür haben wir ein klares Zeichen gesetzt: Unser jährliches IT-Budget liegt nunmehr bei knapp einer halben Milliarde Euro. Die Hälfte davon geht auf das Konto Digitalisierung –  der nachhaltigen Digitalisierung, die zwingend ethischen Grundsätzen folgen muss.

Wir müssen uns in alle Richtungen öffnen

Neben der Stärkung von Künstlicher Intelligenz (KI) investieren wir ebenso intensiv in menschliche Intelligenz und legen Wert auf neue Kompetenzen wie Kollaboration und Teamwork, Kreativität und Vorstellungskraft, Problemlösung und kritisches Denken – aber auch Softwareentwicklung und Programmierung, um mittelfristig Seite an Seite mit Maschinen leben und arbeiten zu können. Ein tolles Vorbild ist meine Kollegin Alissa Wilms aus dem Porsche Digital Lab, die Diversität, jugendliche Neugier, Kreativität und ein hohes Maß an wissenschaftlichem und technischem Verständnis für Quantum Computing in sich vereint.

Gleichsam müssen wir uns als Unternehmen öffnen, denn das Morgen können wir nicht alleine bewältigen – insbesondere im Hinblick auf neue Technologien und Menschen, die überhaupt nicht unserem Mindset entsprechen, aber viel dazu beitragen können, unseres zu verändern. Andererseits müssen wir unsere eigenen Leute mit auf die Reise nehmen, sie auf die Zusammenarbeit vorbereiten und digital weiterbilden. Denn klar ist, dass es ohne ihre Kom­petenzen nicht geht. Das ist unser Fundament. Und das zeigt auch unser Verständnis in diesem Jahr, mit Konferenzen wie der re:publica in Berlin, der TNW in Amsterdam oder der NOAH in Berlin als strategische Partner aus unserer Komfortzone heraus und in den Dialog zu treten.

Dort drehte es sich bewusst nicht um unsere Fahrzeuge, sondern um unsere ausgewählten Partner: unser Accelerator-Programm APX, die Plattform High Mobility, die HABA Digitalwerkstatt, dier CODE University Berlin, die Porsche NEXT OI-Gewinnerinnen “Ghost - feel it.” oder das Robotics-Startup Robonetica

Ich bin der festen Überzeugung, dass wir künftig Wissen benötigen, das teilweise recht weit von unseren bisherigen Kernkompetenzen entfernt ist. Deshalb müssen wir uns ein starkes Ökosystem mit kompetenten Partnern aufbauen. In den zurückliegenden Monaten hat Porsche bereits viele davon an seine Seite geholt – und sich an interessanten jungen Unternehmen beteiligt. Dabei konzentrieren wir uns auf Investitionen in Geschäftsmodelle rund um die Themen Kundenerlebnis, Nachhaltigkeit, Mobilität und digitaler Lifestyle mit Fokus auf Zukunftstechnologien wie Künstliche Intelligenz, Blockchain sowie Virtual und Augmented Reality. Aktuelle Beispiele sind das US-KI-Startup urgent.ly, die Schweizer AR-Experten von WayRay, die holographische Head-up-Display-Technologien entwickeln, das Berliner Startup Gapless, das Fahrzeughistorien per Blockchain digitalisiert oder das auf Smart Living spezialisierte B2B-Start-up home-IX aus Stuttgart

Top-3-Teams mit Jury, Porsche Next Open Innnovation Competition, Ludwigsburg, 2019, Porsche AG
Porsche NEXT OI Competition — Finale in Ludwigsburg zusammen mit “Ghost — feel it.”

Ethisches Denken bei der Entwicklung von modernen Technologienauch in der Mobilität 

Die Beteiligungen zeigen uns: Smarte Technologien wie Künstliche Intelligenz haben längst die Automobilbranche erreicht und prägen eine neue Form der Mobilität. Es ist an uns allen, diese Technologien für eine bessere Welt (und eine bessere Mobilität) einzusetzen. Das ist übrigens ein Kerngedanke unseres aktuellen Ideenwettbewerbs “Mobility for a better world” an der Schnittstelle von Technologie und Mobilität. In vier Kategorien (“Wheels”, “Trust”, “Cities”, “People”) suchen wir nach Projekten für eine nachhaltige Zukunft. Ein wichtiger Grundsatz: sinnstiftender Einsatz von Technologie. Denn bereits 1996 forderte der MIT-Wissenschaftler Joseph Weizenbaum die Einführung eines “ethischen Denkens” bei der Entwicklung von modernen Technologien – er selbst prägte maßgeblich den ersten Vorreiter des Chatbots. 

Diese Forderung ist heute aktueller denn je. Schließlich hat sich das Investment in und auch die Verfügbarkeit von KI rasant beschleunigt. Denn KI-Anwendungen stecken heute schon in Navigationssystemen unserer Fahrzeuge und in Smartphones, deren Apps wir mit Mobilitätslösungen von Mobilitätsdienstleistungen aller Art vernetzen. Sie begegnen uns in Form von Chatbots und Industrierobotern. Sie wählen für uns Nachrichten und Werbebotschaften aus, machen Vorschläge für Filme, Flüge oder sogar für den passenden Lebenspartner.

Aber all das ist erst der Anfang. KI wird uns auch dabei helfen, Krankheiten und Armut zu bekämpfen, Ressourcen besser zu nutzen oder Umweltrisiken zu kontrollieren – und Mobilität zu ermöglichen. Daher müssen wir uns fragen – auch als Automobilkonzern: Wie können wir die Vorteile von KI nutzen, ohne den Schutz der Privatsphäre aufzugeben? Wie verhindern wir, dass wir die Kontrolle über immer intelligentere und leistungsfähigere Maschinen verlieren? Und in welchen Bereichen wollen wir den Einsatz von KI vielleicht ganz ausschließen? 

#Kopföffner für ein besseres Morgen

Innovationen für ein besseres Morgen – oder wie Stephan Grabmeier sie in seiner Blogparade liebevoll nennt: #Kopföffner – können nicht im Elfenbeinturm entstehen, sondern nur durch die Vernetzung von Wissenschaft und Praxis, durch interdisziplinäre Zusammenarbeit – Kollaboration statt Koexistenz. Dazu möchten wir aufrufen. Denn um die Zukunft der Mobilität nicht nur zu erproben, sondern aktiv mitzugestalten, stehen wir in der Verantwortung und wollen für uns selbst, aber auch für andere zum #Kopföffner werden.

Es ist unsere Mission, die Möglichkeiten neuer Methoden und Konzepte zu erkunden, sie tiefgreifend zu verstehen und so nachhaltige Anwendungsszenarien zu entwickeln, die für ein besseres Morgen sorgen. Wir verbinden dazu unsere Tradition und die Werte des Unternehmens mit innovativen Technologien und neuen Produkten – und das in nachhaltiger Weise. Unser erklärtes Ziel ist es, der nachhaltigste Sportwagenhersteller im Premiumsegment zu sein und sportliche Mobilität entscheidend zu prägen – für Umwelt, Menschen und ihre Lebensräume. In Städten, auf Rädern, mit Vertrauen und ethischem Denken in Technologie – und gemacht für uns Menschen. 

Info

Der Text wurde von Anja Hendel verfasst, Director bei Porsche Digital Lab Berlin


Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag zur Blogparade “Kopföffner für besseres Wirtschaften” von Stephan Grabmeier. Weitere Artikel dazu finden sich unter dem Hashtag #Kopföffner und #FutureBusiness sowie in den Kommentaren zu diesem Beitrag