Auf den ersten Blick sieht er fast aus wie sein Original, der Porsche 356 – ein kurvenreiches Sportwagenmodell der 1950er-Jahre. Erst auf den zweiten Blick merkt man: Dieser „Porsche“ ist etwas Besonderes. 30 Zentimeter länger, vier Sitze. Denn das „Lindner-Coupé“ ist ein Replikat des 356, konstruiert von zwei Fahrzeugbaustudenten in der DDR. In einer Mini-Serie wurden vom namensgebenden Karosseriebaubetrieb Lindner 13 Stück hergestellt.

Dass einer dieser Wagen überhaupt noch existiert und sogar wieder fährt, ist Alexander Fritz zu verdanken. Der Österreicher widmet sich in seiner Freizeit mit Hingabe der Restauration von Oldtimern. Vor einigen Jahren machte ihn ein Freund auf ein Exemplar des DDR-„Porsches“ aufmerksam. Angesichts des Zustands des verrosteten, morschen Coupés wollte Fritz zunächst abwinken. Doch die Geschichte hinter dem Wagen ohne Herkunft, die Geschichte der Fahrzeugbaustudenten Falk und Knut Reimann faszinierte ihn zu sehr.

DDR-Porsche, 2018, Porsche AG
So sieht der „DDR-Porsche“ nach der aufwendigen Restaurierung aus

Sie beginnt Anfang der 1950er-Jahre: Die Zwillingsbrüder Reimann träumen vom eigenen Porsche. Sie wissen, dass das in der DDR ein Ding der Unmöglichkeit ist und beginnen, selbst einen „Porsche“ zu konstruieren. Mit ausgedienter Kriegstechnik, viel Einfallsreichtum und in tausenden Stunden Arbeit schrauben, klopfen und biegen sie sich ihr Traumauto mit Unterstützung des Karosseriebaubetriebs Lindners zurecht.

Das Herzstück: Der Motor

Das Herz eines jeden Porsches ist sein Motor. Obwohl es für die Zwillinge aussichtslos ist in der DDR Teile für einen Sportwagenmotor zu beschaffen, geben sie nicht auf. Eine ihrer ersten Ausfahrten mit dem neuen Wagen führt sie direkt zum Porsche-Werk in Zuffenhausen, wo ihr Porsche-Imitat mit Skepsis und – wegen seines schwachen Motors – etwas Spott betrachtet wird.

DDR-Porsche, Hof des Karosseriebauers Lindner, 2018, Porsche AG
Der erste DDR-Porsche auf dem Hof des Karosseriebauers Lindner

Ferry Porsche persönlich erfährt von dem Besuch der Brüder im Werk. Angesichts der frechen Porsche-Fälschung ist er zunächst nicht sonderlich erfreut. Nach anfänglicher Skepsis überwiegt aber doch die Anerkennung für die Hartnäckigkeit der Brüder. Ferry Porsche sorgt dafür, dass der Wagen der Zwillinge angemessen fahrtüchtig wird. In einem Brief teilt er ihnen mit, dass ihnen via Westberlin gebrauchte Porsche-Teile zugesendet werden: Mit originalen Kolben, Zylinder und Vergaser sieht das Coupé der Reimanns nicht mehr nur aus wie ein Sportwagen, sondern fährt sich auch so – mit über 130 Kilometern pro Stunde.

Brief, 1956, 2018, Porsche AG
Ferry Porsche schreibt an die Brüder Reimann

Mit ihrem eigens entworfenen Porsche-Nachbau touren die Brüder ab 1954 durch Europa. Die Reisen enden als Knut und Falk Reimann 1961 wegen eines Fluchtversuchs für zwei Jahre in das Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen kommen. Ihr „Porsche“ wird ihnen abgenommen und bleibt für immer verschollen.

Doch dank Alexander Fritz’ Zufallsfund erstrahlt eines der insgesamt 13 entstandenen Lindner-Coupés nun wieder im alten Glanz und dadurch auch die Geschichte der Reimann-Brüder und ihres unglaublichen Projekts des Porsche-Eigenbaus.

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