Als sich die Tür des Porsche 911 Turbo-Sondermodells öffnet und den mit Weathered Dress Mackenzie-Tartan ausgekleideten Innenraum freigibt, breitet sich ein Lächeln auf dem Gesicht von Viscount Tarbat aus. Der 38-Jährige ist Erbe des Clanoberhaupts der Mackenzies. „Ich schätze, das heißt, wir sind jetzt offiziell der schnellste Clan“, sagt er mit einem Grinsen.
Colin Tarbat, wie er genannt wird, steht vor Castle Leod – dem Familiensitz und vermutlich ältesten durchgehend bewohnten Gebäude Schottlands. An seiner Seite: sein dreijähriger Sohn Roddy und sein Vater John, 77, der amtierende Clan-Chef und Earl of Cromartie.
Auf die Frage, was Tartans und Clans heute noch bedeuten, antwortet der Earl nachdenklich: „Wir können heute nicht mehr einfach mit Schwertern und Musketen die A9 hinuntermarschieren, aber wir können durch unseren Tartan zeigen, dass wir zu einem Clan gehören. Clans verbinden Menschen – unabhängig von Herkunft, Religion oder politischer Überzeugung.“
Karomuster in Porsche-Sportwagen
Die Verwendung von Tartan-Stoffen für Porsche-Innenräume geht der Legende nach auf eine Entscheidung des damaligen Chefdesigners Anatole Lapine zurück, der eines Tages mit Tartan-Hose zur Arbeit erschien. Die Schottenmuster kamen zunächst bei Einzelstücken zum Einsatz – etwa bei der Studie 911 Turbo RSR von 1973, deren Sitzmittelbahnen und Seitenwangen im ikonischen Black Watch-Tartan in Schwarz, Blau und Grün gehalten waren. Das auffällige rot-blaue Maclachlan-Tartan wiederum fand Verwendung im allerersten 911 Turbo, der Louise Piëch 1974 zu ihrem 70. Geburtstag überreicht wurde.
Dorothea Müller-Goodwyn, die von 1970 bis 1975 und von 1978 bis 2003 Teil des Porsche Style-Teams war, erinnert sich: „Wir hatten einen schottischen Kollegen im Team, der mir zwei traditionsbewusste Tartan-Stoffhersteller aus seiner Heimat empfohlen hat. Leider war es nicht möglich, uns die Stoffe in der Qualität zu liefern, in der wir sie für das Interieur der Sportwagen gebraucht hätten: lichtecht und abriebfest.“ Also nutzte Porsche die schottischen Stoffe nur für Mustereinbauten, griff bei den späteren Serienfahrzeugen aber auf Materialien eines Herstellers aus der Schwäbischen Alb zurück.
Ab 1975 konnten Kunden des 911 Turbo zwischen drei verschiedenen Tartan-Polsteroptionen wählen. „Als sich die Tartans exklusiv im Turbo bewiesen hatten, haben wir sie im folgenden Modelljahr für die Elfer übernommen“, sagt Müller-Goodwyn.
Ein besonders bemerkenswertes Beispiel unter den drei Tartans ist das Mackenzie-Tartan, das im Oak Green Metallic-farbenen 911 Turbo von Ferry Porsche verwendet wurde. Heute findet sich eine Version inspiriert von diesem Tartan-Muster im Interieur des Jubiläummodells 911 Turbo 50 Jahre, das gerade die lange Auffahrt zu Castle Leod hinaufrollt – einem Ort, der vor allem als Vorlage für Castle Leoch bekannt ist, dem Sitz des Mackenzie-Clans in der TV-Serie Outlander.
Tartans stehen für Identität
„Ich arbeite eigentlich als Sprengstoffberater, aber mein Schicksal war es wohl immer, Diener dieses Schlosses zu sein“, erzählt der Earl lachend. „Wir haben das Dach 1990 neu gedeckt – das letzte Mal war 1616. Für Clan-Mitglieder bedeutet das Schloss Heimat. Weltweit gibt es rund zwei Millionen Mackenzies – viele in Schottland, Kanada, Australien und Neuseeland. Aber auch in Russland, Argentinien, Deutschland, Frankreich und der Schweiz. Die Menschen suchen nach etwas, das über das Vergängliche hinaus Bestand hat, etwas mit echter Geschichte – eigentlich nicht unähnlich einem Porsche. Auch ein Schottenkaro gibt einem ein Gefühl von Identität. Es ist gar nicht so anders, als ein Fußballtrikot zu tragen.“
Um noch tiefer in die Geschichte des Tartan einzutauchen, führt der Weg weiter zu Kinloch Anderson in Edinburgh – einem Produzenten, der als Inbegriff des Schottenmusters gilt und seit 1903 offizieller Lieferant der britischen Königsfamilie ist. John Kinloch Anderson leitet das Familienunternehmen in sechster Generation. Er erzählt: „Früher wurden Stoffe mit Pflanzen gefärbt, die in der jeweiligen Region wuchsen. Unterschiedliche Weber nutzten unterschiedliche Farbstoffe – je nachdem, welche Wurzeln oder Baumrinden lokal verfügbar waren.“ Mit der Zeit wurden diese gewebten Muster mit den Clans der jeweiligen Regionen verbunden.
„Nach dem Jakobitenaufstand von 1745 wurden Clan-Tartans verboten. Doch im darauffolgenden Jahrhundert machten britische Monarchen sie wieder salonfähig – und so begann man, sie systematisch zu erfassen.“ Heute gibt es mehr als 2.000 kommerziell gewebte Schottenkaros und rund 10.000 registrierte Muster beim Scottish Register of Tartans, einer offiziellen Regierungsstelle.
Kinloch Anderson und die Vielfalt des Tartan
„Menschen können sich heute bewusst einem Clan zuordnen – wenn sie schottische Vorfahren haben, oder wenn sie nach einem Besuch in Schottland eine besondere Verbindung spüren. Manchmal reicht auch ein schottischer Freund. Und Tartan muss nicht zwingend einem Clan zugeordnet sein. Wir entwerfen auch sogenannte House Tartans – oder es gibt Karos, die nach einem Whisky oder einem Golfplatz benannt sind. Wenn einem das Muster gefällt, ist das Grund genug.“
An den Wänden des Showrooms und der Manufaktur von Kinloch Anderson hängen unbezahlbare, historische Tartan-Uniformen sowie Zeitungsausschnitte aus aller Welt. In den 1970er-Jahren exportierte das Unternehmen jährlich etwa 100.000 Karo-Röcke. „Die Muster waren in den Siebzigern extrem angesagt – es ist gut möglich, dass wir die Black Watch-Hose gefertigt haben, die Anatole Lapine an jenem denkwürdigen Morgen im Porsche-Designstudio trug. Das war schließlich die Zeit der Bay City Rollers und von Rod Stewart!“
Auch Porsche hat damals mit Kinloch Anderson über die ersten Bezugsstoffe für den Innenraum gesprochen. „Heute freuen wir uns darüber, Notizbücher in den drei wichtigsten Karomustern für Porsche zu produzieren. Unzählige Designer – von Vivienne Westwood bis Ralph Lauren – haben ihre eigene Interpretation geschaffen. Es ist eines der großen Geschenke Schottlands an die Welt.“
Maßgeschneidert: Porsche Sonderwunsch
Heute ist es vor allem dem Sonderwunsch-Programm von Porsche zu verdanken, dass Kunden ihre ganz persönliche Vision eines mit Tartan ausgestatteten Fahrzeugs Wirklichkeit werden lassen können. Bei der Gestaltung eines individuellen Porsche ist es keineswegs ungewöhnlich, dass ein Tartan-Muster für die Sitzmittelbahnen und Türverkleidungen ausgewählt wird – oft mit Beratung der Archivare des Porsche Museums. Darüber hinaus bietet der Sportwagenhersteller seit Kurzem Original-Stoffe für Restaurierungen von historischen Porsche-Modellen an. Als Referenz für den Ur-Zustand dient die sogenannte Auslieferungsbescheinigung.