Ayhancan, nach Deinem Titelgewinn hast Du gesagt, es sei ein Traum in Erfüllung gegangen, den Du verfolgst, seit Du als Fünfjähriger mit dem Motorsport angefangen hast. Wo ordnest Du die DTM im Vergleich mit anderen internationalen Rennserien ein?
Ayhancan Güven: Ja, mich zum DTM-Champion zu krönen, zählte zweifellos seit jeher zu meinen größten Träumen – die DTM besitzt für mich einen sehr hohen Stellenwert. Im Sportwagen-Bereich stellt sie den vielleicht wichtigsten Titel für uns Fahrer dar, weil sie die einzige GT3-Serie ist, in der wir allein im Auto sitzen und gegen starke Konkurrenz kämpfen. Auch das Sprintformat macht die DTM zu etwas Besonderem. Für mich als Teilnehmer zählt dieser Titel damit zu den Top-5 weltweit, inklusive denen im Formelsport.
Was bedeutet es Dir, als erster Türke überhaupt ein DTM-Rennen gewonnen zu haben und dann auch der erste türkische Champion in der über 40-jährigen Geschichte dieser Serie zu sein?
Güven: Sehr viel. Ich versuche immer, mein Land gut zu repräsentieren. Im Verlauf meiner Karriere musste ich viele Hindernisse überwinden. Meine Erfolge könnten es der nächsten Generation türkischer Rennfahrer etwas einfacher machen.
Welchen Einfluss hat dein Erfolg auf den türkischen Motorsport im Allgemeinen?
Güven: Einen großen Einfluss. Meinen Gewinn des DTM-Titels haben nicht nur die Motorsport-Fans mitbekommen: Das war in der Türkei fünf Tage lang Thema in allen Nachrichten. Jetzt werden sich noch mehr meiner Landsleute für den Rennsport interessieren. Mit diesem Erfolg erreichen wir ein neues Publikum. In der Türkei wissen die Menschen jetzt, was die DTM ist – und dass ich sie gewonnen habe.
Mit sieben ersten Plätzen haben Porsche und Manthey die siegreichste Kombination in der DTM-Saison 2025 gestellt. Du hast fünfmal gewonnen, Dein Teamkollege Thomas Preining zweimal. Was ist der Schlüssel zum Erfolg?
Güven: Zunächst einmal steht harte Arbeit im Zentrum: Unabhängig von den Umständen konnten wir jeweils das Maximum aus dem Porsche 911 GT3 R herausholen. Wir haben im Regen ebenso gesiegt wie bei wechselhaften Verhältnissen oder unter anderen schwierigen Rahmenbedingungen. Rennstrategie und Boxenstopps zählen zu den absoluten Stärken unseres Teams, und die konnten wir immer wieder gewinnbringend einsetzen.
Wie sehr unterstützt Dich Deine Familie und wie wichtig ist Dir das?
Güven: Meine Familie hat mich vom ersten Tag an enorm unterstützt. Wir alle haben für die Erfüllung meines Traums gearbeitet. Dieser Zusammenhalt half mir sehr. Mit meinem Erfolg kann ich viel zurückgeben für die vielen Opfer, die meine Familie bringen musste.
Wie sehen Deine Pläne für die nähere Zukunft aus?
Güven: Wie genau es in der näheren Zukunft weitergeht, entscheidet sich in den nächsten Wochen. Es gibt verschiedene Optionen, gleichzeitig steht aktuell die eine oder andere Veränderung in der Welt des Motorsports an. Es ist daher noch etwas zu früh zu sagen, welche Möglichkeiten sich letztlich realisieren lassen.
Du warst Porsche Junior in den Jahren 2020 und 2021. Welche Bedeutung hatte das für Deine Karriere? Was aus diesem Förderprogramm hat Dir am meisten geholfen?
Güven: Mit der Aufnahme in das Porsche Junior-Programm nahm meine Karriere die entscheidende Wendung – es hat mir den Schritt vom Talent zum professionellen Motorsportler ermöglicht. Ich habe während dieser Zeit viel gelernt. Aus einer Kultur, in der Motorsport keine große Rolle spielt, kam ich in das große Porsche Motorsport-Ökosystem. Im Rahmen dieser Familie konnte ich mich als Rennfahrer enorm weiterentwickeln.
Welche Karrieretipps würdest Du jungen Talenten geben?
Güven: Verbringt viel Zeit im Fahrerlager, saugt alles auf und knüpft Kontakte. Konzentriert euch beim Fahren auf euch selbst, arbeitet hart und analysiert. Der Durchbruch erfolgt nicht von heute auf morgen, ihr müsst Jahr für Jahr alles dafür tun, um eure Ziele zu erreichen. Dabei machen kleine Details oftmals den großen Unterschied – die müsst ihr finden und euch darauf konzentrieren.
Ayhancan Güven - Vita
Im Januar 1998 in Istanbul geboren, sammelte Ayhancan Güven als Fünfjähriger im Kartsport seine ersten motorsportlichen Kilometer. Der Erfolg stellte sich schnell ein, mit elf Jahren gewann er die nationale Kart-Meisterschaft seiner Altersklasse. Mangels Perspektiven im realen Motorsport wandte er sich als Teenager mehr und mehr dem Simracing zu. Während er sein Talent auch auf den virtuellen Rennstrecken eindrucksvoll unter Beweis stellte, reifte sein Entschluss, Profi-Rennfahrer zu werden.
Der Weg dorthin führte ihn über den Porsche Sports Cup Deutschland, die Porsche GT3 Cup Challenge Benelux (2017–2018) und den Porsche Carrera Cup Frankreich, den er 2018 und 2019 jeweils gewann, bis in den Porsche Mobil 1 Supercup. Diese internationale Porsche-Markenpokalserie im Rahmen ausgewählter europäischer Formel 1-Rennen schloss Güven 2019 als bester Rookie auf dem zweiten Gesamtplatz ab. 2020 folgte die Aufnahme ins Porsche Junior Programm für zwei Saisons, in denen er zweimal Dritter im Supercup wurde und je einen Vize-Titel im französischen und im deutschen Carrera Cup verbuchte.
Nach der Vize-Meisterschaft 2022 im ADAC GT Masters Cup folgte 2023 der Einstieg in die DTM mit dem Team 75 von Porsche-Markenbotschafter Timo Bernhard. Zur Saison 2024 wechselte Güven zu Manthey EMA. In seinem zweiten Jahr mit dem Team aus Meuspath am Nürburgring krönte sich der inzwischen 27-jährige Porsche-Vertragsfahrer mit fünf Saisonsiegen zum ersten türkischen Champion in der über 40-jährigen DTM-Geschichte.
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