Frankfurt Airport ist der größte Flughafen in Deutschland. Als internationales Drehkreuz gehört er weltweit zu den Top 20 der wichtigsten Start- und Landeplätze für die zivile Luftfahrt. Bei der Qualität ihrer Dienstleistungen müssen sich die Frankfurter messen lassen an dem, was Kollegen in den Metropolen anderer Länder bieten. Für jeden sichtbar ist, wie der Service für Passagiere gestaltet wird. Und der funktioniert am besten, wenn Flughafenbetreiber und Fluggesellschaften sehr gut kooperieren. Hand in Hand, mit gemeinsamen Zielen. Schließlich profitiert der Fluggast, wenn seine Reise trotz unterschiedlicher Zuständigkeiten am Boden und in der Luft reibungslos und komfortabel verläuft. Diese Erkenntnis soll jetzt viel stärker in den Vordergrund rücken – im Interesse der Kunden, aber auch um künftig gemeinsam wirtschaftlicher arbeiten zu können.
Im Frankfurter Terminal 1 hat die Zukunft bereits begonnen. Check-in-Schalter werden modernisiert. Die Sicherheitskontrolle für Passagiere wird mit neuen Computertomographie-Scannern ausgerüstet, die Handgepäck automatisch auf Fest- und Flüssigsprengstoffe überprüfen. Im Abflugbereich werden so genannte Security-Slots eingeführt, die Passagiere vorher online buchen können und damit die lästige Wartezeit vor der Kontrolle auf maximal fünf bis zehn Minuten reduzieren. Das alles ist erst der Anfang. Gemeinsam wollen die Flughafengesellschaft Fraport AG und die Lufthansa als größte deutsche Airline die Services und Abläufe optimieren und ihre Angebote verbessern. Profitieren vom neuen Zukunftsbild sollen alle: Privat- und Geschäftsreisende, der Flughafenbetreiber und die Airline.
Im Sommer 2022 wurde für die enge Kooperation im operativen Geschäft am Frankfurter Drehkreuz das Gemeinschaftsunternehmen FraAlliance gegründet. Daran sind die beiden Aktiengesellschaften Fraport und Deutsche Lufthansa mit je 50 Prozent beteiligt. Die Idee für die neue Gemeinschaft war etwa drei Jahre zuvor entstanden. Sie wurde weiterentwickelt und schließlich realisiert. Dr. Pierre Dominique Prümm, Vorstand Aviation und Infrastruktur der Fraport, spricht von einer schnellen und schlagkräftigen Einheit, „mit der wir unsere gemeinsamen Interessen bündeln“. Und Jens Ritter, CEO von Lufthansa Airlines, betont die Zielrichtung: „Wir wollen unseren Gästen ein zuverlässiges, pünktliches und erstklassiges Reiseerlebnis bieten. Durch gemeinsame innovative und zukunftsorientierte Maßnahmen werden wir einen deutlichen Mehrwert schaffen.“
Die Schwerpunkte der strategischen Allianz sind konsequente Ausrichtung auf die Erwartungen der Kundschaft, zuverlässige Infrastruktur, stabile Abläufe sowie mehrwertstiftende Dienstleistungen rund um die Reisenden, die zusätzliche Einnahmequellen eröffnen sollen. Die beiden Geschäftsführer der neuen FraAlliance haben ehrgeizige Pläne. Jörg Harnisch, bisher Head of Process Improvement bei der Lufthansa Group: „Wir wollen das Reiseerlebnis für jeden Gast attraktiver machen – und den Flughafen als Ganzes profitabler.“ Dirk Schusdziara, zuvor Leiter Wirtschaftliche Steuerung des Zentralbereichs Flugbetriebs- und Terminalmanagement, Unternehmenssicherheit bei Fraport, bringt den Kern der organisierten Zusammenarbeit auf eine kurze, treffende Formel: „Jetzt lernt der Airport zu denken wie eine Airline und die Airline wie ein Airport.“
Die Komplexität der angestrebten Transformation zeigt sich bereits bei der individuellen Anreise der Passagiere zum Fraport: Einer kommt mit dem Taxi, ein zweiter mit dem Zug, der dritte mit dem Flugzeug, der vierte mit seinem Auto. Alle wollen angemessen empfangen und zum Ziel geführt werden. Und das so einfach und unkompliziert wie möglich. Um den Mobilitäts-Hub zu verbessern, gilt es, Geschäftsbetrieb, Infrastruktur, Intermodalität, Nachhaltigkeit und Kundenerlebnis weiterzuentwickeln. Dirk Schusdziara: „Im Zentrum allen Handelns steht der Kunde.“
Durch die Verbesserung der Abläufe und Produktangebote entlang der gesamten Reisekette der Fluggäste werde man auch die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts stärken. Ein Beispiel für die ersten Erfolge des Joint Ventures: Die Lufthansa-App informiert via Smartphone in Echtzeit über die aktuellen Wartezeiten an den Luftsicherheitskontrollen. Ein zweites Beispiel: Durch die exakte Analyse und die Optimierung der Passagierströme reduziert sich für etwa eine Million Fluggäste im Jahr künftig die Umsteigezeit, weil dort doppelte Sicherheitskontrollen entfallen. Umsteiger im Transit, oft mit wenig zeitlichem Spielraum für den Wechsel des Flugzeugs, machen 60 bis 70 Prozent aller Fluggäste am Drehkreuz Frankfurt aus.
Bis 2023 sollen die Services am Terminal 1, das von der Lufthansa und seinen Partnerfluggesellschaften im Verbund der Star Alliance exklusiv genutzt wird, verbessert werden. Daneben strebt die FraAlliance mittelfristig an, den Großflughafen mit aktuell täglich etwa 1.100 Starts und Landungen, 500 Busabfahrten, 150 Zügen und gut 140.000 Passagieren zu einer eigenen „Kleinstadt“ mit einer Vielzahl interessanter Angebote zu machen. Dazu können attraktives Shopping, Freizeitaktivitäten und Konferenzgelegenheiten gehören. Das ermöglicht auch eine Stärkung der Identität des Flughafens Frankfurt. „Wir wollen ein noch besserer Gastgeber werden“, verspricht Schusdziara. Denkbar ist vieles. Warum nicht Konzerte am Flughafen? Theater? Partys? Schusdziara: „Jeder Passagier und auch jeder Nichtreisende soll sich bei uns willkommen und wohl fühlen. Der Besuch des Flughafens soll für alle ein attraktives Erlebnis sein. Und das nicht nur einmal.“ Der Flughafen Frankfurt sei mehr als eine internationale Drehscheibe inklusive des öffentlichen Personennah- und ‑fernverkehrs. Er sei „für viele Menschen aus aller Welt das Eingangsportal nach Deutschland“.
Wie bei vielen Transformationsprojekten bildet auch bei der FraAlliance die Datenlandschaft das Fundament. Deshalb haben Fraport und Lufthansa ausgewählte Daten aus ihren Konzernen zusammengeführt und analysiert. Das Wissen über die Passagierströme zu teilen, ist ein wichtiger Part der Allianz. Nur auf diese Weise steigt die Möglichkeit, den Kunden individuelle Leistungen anzubieten. Integriert in die IT-Landschaft werden auch Serviceunternehmen und Systempartner – rund 450 Firmen haben ihren Standort auf dem Flughafen –, um auch komplexe Lösungen zu verbessern, etwa die „Reise von Tür zu Tür aus einer Hand“.
Für Jörg Harnisch sind es Beispiele für ein neues Denken und Handeln am Flughafen Frankfurt. Die Gründung der FraAlliance stelle eine Zeitenwende dar: „Wir spielen jetzt nicht mehr jeder für sich allein, sondern gemeinsam in einer Mannschaft.“ Das zeigt sich auch in einer kleinen Pause beim gemeinsamen Kicker-Training im Frankfurter Flughafenbüro von Porsche Consulting. Eine gute Möglichkeit, zum Ende der Spieleinlage nach der Rolle der Managementberater bei der strategischen Transformation zu fragen. „Porsche Consulting“, antwortet Harnisch, „steht für uns für das Verstehen des Kunden und für intrinsische Motivation mit dem Ziel, immer besser zu werden.“
Managementberater Claus Lintz
„Positive Überraschungen bis zum Einsteigen ins Flugzeug“
Beim FraAlliance-Projekt gab es von vornherein drei Blickwinkel. „Die erste Sichtweise liegt auf den zukünftigen Anforderungen der Reisenden“, erklärt Claus Lintz, Partner bei Porsche Consulting im Ressort Luft- und Raumfahrt. Dieser Blick durch die Brille der Airport-Kunden führe zur zweiten Sichtweise: „Was will und kann der Flughafen seinen Kunden bieten?“ Schließlich habe man sich der dritten Sichtweise zugewandt: „Wie betreiben wir das Gesamtunternehmen so, dass es möglichst profitabel ist?“ Es gehe sowohl um Game Changer als auch um Quick Wins zur Steigerung von Effizienz und Erlös, so der Managementberater.
Die FraAlliance-Partner waren auf der Suche nach Antworten offen dafür, weit über den Tellerrand ihrer beiden Unternehmen hinauszuschauen. Auf Initiative von Porsche Consulting wurde unter anderem ein Entwicklungsexperte des Onlinekonzerns Amazon dazugeholt. „Solche branchenfernen Impulse von außen haben erstaunliche Ideen freigelegt“, berichtet Lintz. „Zum Beispiel den Gedanken positiver Überraschungseffekte. Warum soll man einem Flughafengast nicht etwas anbieten, von dem er selbst noch gar nicht ahnt, dass er es gerne haben möchte? Bei Onlinehändlern folgen wir als Verbraucher diesem Phänomen doch regelmäßig.“ Auch aus Gesprächen mit dem Europachef von Walt Disney Imagineering und dem Kreativchef des europaweit agierenden Hamburger Shopping-Mall-Betreibers ECE entstanden positive Denkanstöße für den Flughafen von morgen.
Die Erkenntnisse aus anderen Branchen wurden durch die Managementberater in verschiedene Workshops eingebracht und dort diskutiert und evaluiert. Lintz: „Daraus ist ein Programm entstanden mit vielen Einzelinitiativen.“ Das ist FraAlliance-Geschäftsführer Harnisch wichtig: „Die Stärke von Porsche Consulting ist es, nur realistische Vorschläge einzubringen. Solche, die tatsächlich umsetzbar sind.“ Ein Beispiel: das Lab Gate, ein besonderer Abflugbereich, der als Experimentierfeld für Innovationen direkt vor dem Einsteigen ins Flugzeug dient, etwa für wechselnde Pop-up-Stores und regionale Angebote. „Hier kann in der Praxis ausprobiert werden, was funktioniert und was nicht“, so Lintz. Er ist sicher, dass die FraAlliance das Zeug zu einem „Role Model“ für andere Airports auf der Welt hat: „Diese Kooperation schafft die Möglichkeit, das Eingangstor nach Deutschland für die Gäste aller Nationen attraktiver zu gestalten. Dafür müssen wir uns Fragen stellen, zum Beispiel diese: Welchen Eindruck wollen wir an unserem größten deutschen Flughafen vermitteln? Und welche Leistungen erwarten und benötigen Passagiere sowie Besucher von einem Mobilitätshub wie dem Frankfurter Flughafen?“
Info
Text erstmalig erschienen im Porsche Consulting Magazin.