Der Porsche 963, der am kommenden Wochenende bei den 24 Stunden von Daytona sein internationales Wettbewerbsdebüt geben wird, reiht sich ein in die Tradition, modernste Technologie auf den Rennstrecken der Welt zu testen. „Motorsport ist kalkuliertes Risiko, bei dem jedes Detail genauestens untersucht wird, um das Ergebnis zu maximieren“, sagt US-Rennfahrer-Legende Hurley Haywood. Aber Tests und Vorbereitungen sind nur bedingt aussagekräftig. Hier beginnt das Wagnis.
Das Ziel von Porsche, leistungsstarke Sportwagen zu bauen, beruht seit jeher auf Effizienz; angetrieben von dem, was kühne Denker für die Rennstrecke entwickelt und anschließend auf die Straße übertragen haben. Porsche war das erste Unternehmen, das seine Teilnahme an der neuen internationalen Prototypen-Rennkategorie LMDh (Le Mans Daytona Hybrid) bekannt gab und auch das erste, das sein Debüt auf einer Teststrecke gab. Die Testkilometer des Porsche-Prototyps halfen bei der Entwicklung der standardisierten Hybridtechnologie, die von allen Wettbewerbern genutzt wird. Der Porsche-Prototyp war auch der erste, der einen 36 Stunden langen Vorsaisontest absolvierte.
Leidenschaft, Höchstleistungen zu erbringen
Die Leidenschaft, im Motorsport Höchstleistungen zu erbringen und die Pendants für die Straße zu verbessern, hat den Sportwagenhersteller dazu veranlasst, ein Auto zu entwickeln, das in der LMDh-Kategorie der World Endurance Championship (WEC) bei den 24 Stunden von Le Mans den Rekord von 20 Gesamtsiegen einfahren und auch in der GTP-Klasse der nordamerikanischen Langstreckenserie IMSA siegreich sein soll. Porsche hofft, seinen Rekord in Daytona auf insgesamt 23 Rennsiege auszubauen.
Die in Weissach ansässige Porsche Motorsport-Ideenschmiede hat Leistung, Effizienz und Erwartungen kontinuierlich in die Höhe geschraubt: Angefangen mit dem Überraschungserfolg des Porsche 550 Coupé aus dem Jahr 1963, dem Porsche 919 Hybrid, der mit dem Gesamtsieg in den Jahren 2015, 2016 und 2017 einen Le Mans-Hattrick für Porsche erzielte, aber auch mit Legenden wie dem 907, 908, 917 K, 936, 956, 962, RS Spyder und jetzt mit der neuen Ikone, dem 963.
Hurley Haywood, selbst eine Legende, hat mit vielen dieser Rennwagen persönlich Bekanntschaft gemacht und mit einigen von ihnen Siege in Daytona, Le Mans und Sebring errungen. Das Privileg, einen Wagen aus einer Ära vor seiner Zeit zu steuern – den makellosen Porsche 917 K der Brumos Collection – gab dem fünffachen Daytona- und dreifachen Le-Mans-Sieger Gelegenheit, über die Innovations- und Erfolgsgeschichte der Marke nachzudenken.
„Was Porsche wirklich gut macht, ist, alle auf dieselbe Wellenlänge zu bringen“, sagt Haywood anerkennend. „Porsche geht es nicht darum, am Wochenende die schnellste Rundenzeit hinzulegen, weil die Leute sich am Ende sowieso nur daran erinnern, wer das Rennen gewonnen hat.“ Das sei also das Ziel. „Es gibt viele Rennfahrer, die nur eine sehr kurze Zeit für Porsche gefahren sind, weil sie versucht haben, die Ingenieure ihren eigenen Zielen entsprechend zu beeinflussen. Ich hingegen versuche sehr klar zu formulieren, wie sich ein Auto verhält und überlasse die Entwicklungsarbeiten den Ingenieuren.“ Das habe bei Porsche in der Vergangenheit immer gut funktioniert. „Man sieht an der Aufstellung für Daytona, dass die Werksfahrer alle schon sehr lange bei Porsche sind. Das lässt tief blicken – die Herangehensweise ist auch heute noch dieselbe.“
Porsche nutzt den Motorsport, um Technologien voranzutreiben. Der 963 ist der jüngste Vertreter einer Reihe von Porsche-Rennwagen, die sich nicht nur in unerforschte Gefilde des Motorsports vorwagen, sondern einen gewaltigen Schritt in Richtung Zukunft der automobilen Leistungsfähigkeit machen. Entsprechend dem internationalen LMDh-Reglement basiert der Porsche 963 auf einem Chassis der LMP2-Kategorie. Dieses neu entwickelte Chassis wird von dem kanadischen Hightech-Unternehmen Multimatic geliefert. Die standardmäßigen Hybrid-Komponenten werden von Bosch, Williams Advanced Engineering und Xtrac beigesteuert. Das Herzstück des Antriebsstrangs bildet der 4,6-Liter-V8-Biturbomotor, der auf dem Hightech-Hybrid-Sportwagen 918 Spyder aufbaut. Seine DNA geht auf den Rennwagen RS Spyder zurück, mit dem Porsche und das Team Penske zwischen 2005 und 2008 zahlreiche Siege errungen haben. Das Design des neuen Porsche 963 orientiert sich an den siegreichen Klassikern 956 und 962 aus den 1980er Jahren.
Seit Dezember 2021 wurde der Porsche 963 auf Rennstrecken in Europa und Nordamerika getestet und hat dabei insgesamt 24.500 Kilometer auf den beiden dafür vorbereiteten Chassis zurückgelegt. Bei der letzten Testrunde, einem Langstreckenprogramm in Daytona, fuhr das Team 36 Stunden lang und legte dabei genau 7.331 Kilometer zurück. Haywood hat die Entwicklung des 963 seit seiner Einführung mit großer Aufmerksamkeit verfolgt, so wie er es bei so vielen Porsche-Rennwagen seit den 1970er-Jahren getan hat, die neue Standards gesetzt haben.
Porsche-Rennwagen seit den 1970er-Jahren
„Ich habe keine Ahnung, an wie vielen neuen Autos ich mitgewirkt habe. Das geht zurück bis in die Zeit von Peter Gregg. Der 956, 962, 917-10“, erinnert sich Haywood. „Jeder einzelne war eine Innovation. Jeder war die Lösung für eine andere Herausforderung. Der 962 war zum Beispiel die Antwort darauf, dass die IMSA den 956 in Nordamerika nicht zuließ, weil bei dem die Füße des Fahrers über die Vorderachse hinausragten. Also setzte Porsche die Füße weiter zurück, verlängerte den Radstand und machte den 962 zu einem der erfolgreichsten Rennwagen, die je gebaut wurden. Dieser Rennwagen nahm in verschiedenen Versionen über zehn Jahre lang an Rennen teil. Die Langlebigkeit dieses Wagens ist wirklich erstaunlich.“ Würde Amerikas erfolgreichster Sportwagenrennfahrer gerne im rot-weiß-schwarzen Mittelmotor-963 sitzen, wenn die Uhr in Daytona Ende Januar zu ticken beginnt?
„In gewisser Hinsicht bin ich froh, dass ich im Ruhestand bin“, sagt Haywood lächelnd. „Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass ich einen neuen Wagen fahren könnte, mit all der Verantwortung, die ein Fahrer heutzutage hat. Die Wagen sind jetzt alle elektronisch geregelt. Mein Fuß war die Traktionskontrolle, mein Fuß regelte die Bremsen. Ich habe extra trainiert, um die Kraft zu haben, das Lenkrad gegen all die einwirkenden Kräfte zu bewegen. Jetzt haben die Autos eine Servolenkung. Geschaltet wird am Lenkrad und die Elektronik regelt die Anpassung der Motordrehzahl an das Getriebe“, führt Haywood aus.
„Ich habe mich während meiner Runden zu 100 Prozent auf das Innere des Rennwagens und die Strecke konzentriert. Keine Einmischung von außen. Jetzt haben sie Ingenieure, die von der Boxengasse aus mit ihnen sprechen und entscheidende Änderungen am Auto und an den Systemen verlangen. All dies muss am Lenkrad über eine komplexe Kombination von Drehknöpfen, Tasten und Paddles erfolgen. Das ist wie in einem Raumschiff. Ich bin mir sicher, dass ich es lernen könnte, aber es ist wirklich eine Herausforderung für die heutigen Fahrer, die Autos konkurrenzfähig und schnell zu fahren und dabei zum einen das zu tun, was man in einem Auto wie dem 917 K, dem 936 oder den 962ern, die ich gefahren bin, tun muss und dann zusätzlich noch all diese Anforderungen zu erfüllen.“
„Einige Dinge mögen für sie einfacher sein, aber es gibt so viele zusätzliche Aufgaben, mit denen wir uns nicht befassen mussten. Es ist in vielerlei Hinsicht eine neue Welt, aber der Wunsch und der Ehrgeiz, der Beste zu sein, verschwinden nie.“