Mit einem gebrochenen Wirbel hat alles begonnen. Andreas Mühe startete seine Assistenz bei Fotograf Anatol Kotte mit einem Andenken an seine ersten Kitesurf-Versuche. „Ich musste ein Korsett tragen und durfte monatelang nichts heben”, erinnert sich der gebürtige Chemnitzer an das Jahr 1999. Was für seinen Job nicht ganz ohne war, schließlich fotografierte Kotte damals nur mit 8x10-Inch-Großformatkameras von der Münchner Manufaktur Linhof. Dementsprechend umfangreich und schwer war das Equipment.
„Anatol war ein guter und großzügiger Chef. Ich hätte länger bei ihm bleiben sollen“, sagt der 42-Jährige. Fast ein Vierteljahrhundert später sehen sich die beiden Fotografen noch immer regelmäßig. Sie verbindet mehr als die eineinhalbjährige Assistenz und die Liebe zur analogen Großbildfotografie. Beide porträtieren Prominente, beide haben das fertige Foto schon vor der Entstehung im Kopf, beide haben vier Töchter. „Das Handwerk der Großbildfotografie bedarf einer engen Zusammenarbeit. Dafür brauchte ich einen Assistenten mit perfektem Timing. Das ist ein wenig wie Synchronschwimmen”, fasst Kotte zusammen.
Sehr enge Zusammenarbeit
Mühes guter Humor sei auch nicht schlecht gewesen. Es konnte nicht schaden, sich zu mögen, schließlich verbrachten sie mehr Zeit miteinander als mit ihren Frauen. „Früher waren wir für Jobs viel länger unterwegs als heute. Wir sahen uns den ganzen Tag, hörten uns, rochen uns”, erzählen sie und schieben ein paar Insider-Anekdoten nach. „Die Zusammenarbeit ist so eng, du weißt alles voneinander”, verrät Kotte, der längst nicht nur als Fotograf, sondern auch als Galerist von Capitis in Hamburg tätig ist.
Für Porsche Klassik schickten wir Mühe, Kotte und dessen schwarzen Porsche 911 Turbo (Typ 930) mit goldenen Felgen los. Ziel: Der ehemalige Assistent fotografiert seinen Ex-Chef und dessen Daily Driver, den einst schnellsten Sportwagen der Welt. Das Spitzenmodell Turbo steht bei Porsche immer für kompromisslose Alltagstauglichkeit und die perfekte Verbindung von Tradition und Innovation. Für die Grenze des Möglichen.
Ein Künstler als Fotograf
Vorgegebene Locations erschienen uns fehl am Platz, schließlich hatten wir zwei international erfolgreiche Profis für uns gewinnen können. Walter Röhrl würden wir auch nicht sagen, wie er zu fahren hat. Und ein Turbo lässt sich ohnehin nicht schlecht darstellen. „Andreas ist extrem stilsicher. Alles, was ein Bild ausmacht, wiederholt sich bei ihm immer wieder. Ob im Studio oder draußen. Ich bin Fotograf, er ist als Fotograf ein Künstler”, erzählt Kotte.
Normalerweise rückt jeder für sich namhafte Schauspieler, Musiker und Politiker ins rechte Licht. Beide hatten schon Angela Merkel vor der Kamera. Kotte zeigt in seinem Bildband „Iconication” eine Sammlung aus mehr als 30 Jahren – Angela Merkel, Rihanna, Miss Piggy, farbig und schwarz-weiß. Jedes Foto ist zeitlos und feinfühlig, alle Porträts makellos arrangiert, immer nah dran, immer bewegend. „Vorab bedeutet das viel Kopfarbeit – aber es lohnt sich immer wieder”, sagt der 58-Jährige.
Verständnis für Großbildfotografie
Mühe hat seine Großformatkamera von Linhof im Gepäck, dem ältesten Hersteller von Großformatkameras. Analog wie die Kamera ist auch sein Handy, ein Smartphone sei ihm zu stressig. Das Ergebnis zeigt sich zeitverzögert in der Dunkelkammer. „Mein Verständnis für Großbildfotografie habe ich von Anatol“, erzählt Mühe, der vor seiner Assistenztätigkeit eine Lehre zum Fotolaboranten absolvierte. „Ich habe Anatol für Porsche Klassik mit genau der Kamera fotografiert, auf der ich damals bei ihm gelernt habe.“
Für sein Projekt „Mischpoche“ porträtierte Mühe seine Patchworkfamilie für die Nachwelt. „Das Bild meines Lebens ist im alten Wohnzimmer meiner Verwandtschaft entstanden.“ Die bereits verstorbenen Angehörigen ließ er als detailgetreue Silikonfiguren nachbilden, unter anderem seinen Vater Ulrich Mühe. Auf dem Endresultat mischen sie sich unter die Lebenden. Seine Bilder sind wie Kompositionen, viele haben einen bildhauerischen Hintergrund. „Als guter Fotograf nutzt du Leuchtmittel und gestaltest etwas. Das ist wie Bildhauerei – nur in einer anderen Dimension“, fasst Mühe zusammen, der bereits als Zwölfjähriger wusste, dass er Fotograf werden möchte. „Die Themen kommen mir zugeflogen. Ich muss lediglich fleißig sein.“
Mühes Werke spielen wunderbar mit Nähe und Distanz, Geschwindigkeit und Stillstand, lassen Raum für Interpretation, wirken magisch, mystisch. Warum Anatol nichts anhat, möchten wir wissen, denn das hat uns dann doch ein wenig überrascht. „Weil Andreas das so wollte.“ Nennen wir es künstlerische Freiheit. Und genießen die Dramaturgie von Licht und Schatten.
Info
Text erstmalig erschienen im Magazin Porsche Klassik 24.
Autorin: Christina Rahmes
Fotografie: Andreas Mühe und Rosanne Steeneken (Making-Of)
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