Trends sind zyklisch. Sie verändern sich mit der Entwicklung der Verbraucherwünsche. Oberflächliche Modeerscheinungen hingegen tragen ihr Verfallsdatum bereits in sich – das liegt in ihrer Natur. Wie stellen Marken wie Porsche Design also sicher, dass sie Trends kreieren anstatt kurzlebige Strömungen, um langfristig relevant zu bleiben?
Marken verkaufen nicht nur Produkte, sondern einen ganzen Lebensstil
Wir kuratieren unser Leben zunehmend selbst und treffen ästhetische Entscheidungen, die unsere Persönlichkeit widerspiegeln. Das bringt neue Freiheiten, das macht Spaß, ist jedoch auch anstrengend. Deshalb kommen Marken ins Spiel – vor allem aus dem Premiumsegment. Deren Rolle als sogenannte Tastemaker wird immer wichtiger. Konsumenten kaufen nicht nur einzelne Produkte, sondern einen ganzen Lebensstil: eine Ästhetik, ein Gefühl, ein Set von Werten und Überzeugungen. Marken helfen ihren Kunden dabei, das eigene Leben zu kuratieren. Das bedeutet auch, dass die emotionale Bindung der Kunden daran noch stärker wird. Sie wollen einer Marke vertrauen. Wer hier überzeugend auftritt, wer klare Werte mit einer erkennbaren Ästhetik verbindet, kann Kunden noch viel enger an sich binden, als das bisher der Fall war.
Design bedingt die Kaufentscheidung
Mit dem Kuratieren unseres Lebens hängt ein zweiter großer Trend zusammen: Design wird immer wichtiger. Gerade im Premiumbereich haben es sich einige Marken bisher einfach gemacht. Ein großes Logo wurde auf das Produkt geklebt, und damit glaubte man oft, den Kundenansprüchen in Sachen Exklusivität zu genügen. Die Ansprüche an die Ästhetik sind aber in den vergangenen Jahren enorm gestiegen – und zwar im gesamten Markt. Auch der Erfolg einer Zahnpasta hängt davon ab, ob die Packung ansprechend gestaltet ist. Und auch Erlebnisse werden gekauft. Denken Sie ans Kino: Bis vor wenigen Jahren entschied nur das Programm darüber, ob man in eine Vorstellung ging. In Zeiten sozialer Medien rückt auf einmal auch die Einrichtung des Kinos in den Fokus, das Ambiente, die Farbe und Form der Kinosessel. Die Erfahrungen im Filmtheater werden mit anderen Menschen geteilt – und das Interieur entscheidet darüber, welches Kino besucht wird.
Eine Marke muss nicht nur das passende Produkt oder die entsprechende Dienstleistung zur richtigen Zeit anbieten, sondern diese auch geschmackvoll ausgestalten. Corona hat diese Entwicklung noch beschleunigt. Die Konsumenten waren zu Hause eingesperrt – und dadurch wurde etwa die Forderung nach einer hochwertigen Einrichtung noch einmal lauter. Marken stehen hier unter Zugzwang. Sie müssen sich durch noch besseres, noch durchdachteres, noch eleganteres Design vom Massenmarkt abheben.
Verarbeitung und Handwerk werden immer wichtiger
Ganz eng mit dem Design ist der Anspruch an die Verarbeitung verwoben. Apple fungierte hier als enormer Trendsetter. Eine ansprechende, dem Massenmarkt enthobene Gestaltung ist das eine – genauso wichtig ist aber die Qualität des Produkts. Das geht einher mit einem Interesse für den Herstellungsprozess selbst. Kunden wollen wissen, wo und wie die Dinge produziert werden. Es hat eine unglaubliche Qualität, wenn ein Produkt aus einer hochwertigen, handwerklichen Fertigung stammt. Die verarbeiteten Materialien und ihre Herkunft gewinnen enorm an Bedeutung. Der Trend ist riesig: Auch Bier und Kaffee verkaufen sich heute besser, wenn sie handwerklich hergestellt wurden.
Recycling und Kreislaufwirtschaft werden Standard
Ein Slogan, den man oft hört, ist: Kauft weniger – aber besser. Das klingt sehr einleuchtend. Der blinde Konsum, die Überversorgung mit kurzlebigen Produkten und die anschließende Entsorgung haben ein zunehmend schlechtes Standing in der Öffentlichkeit. Das Premiumsegment unterscheidet sich in diesem Bereich seit jeher vom Massenmarkt, weil dort in kleineren Einheiten konsumiert wird. Aber auch hier spielt der Trend zum bewussten Konsum eine immer größere Rolle, denn die Haltbarkeit der Produkte rückt noch deutlicher in den Fokus. Und eine weitere Entwicklung kommt hinzu: Produkte werden heute als hochwertig wahrgenommen, wenn sie reparierbar sind, wenn sie recycelt und auch wieder verkauft werden können. Der Trend ist branchenübergreifend zu beobachten, betrifft Mobiliar ebenso wie Mode. Das wird zunehmend auch in den Designprozess einfließen: Wie müssen Produkte gestaltet und verarbeitet werden, dass sie eine denkbar lange Lebensdauer haben?
Zeit ist der wahre Luxus
Was ist das knappste Gut, das wir haben? Natürlich Zeit. Wir alle leben in zunehmend vernetzten Zusammenhängen. Ständig müssen Entscheidungen getroffen werden. Das alles raubt uns enorm viel Zeit – und Nerven. Das Bedürfnis nach Ruhe, nach Zeit, die ich nur für mich allein habe, wird immer größer. Marken, die sensibel und achtsam mit der Zeit ihrer Kunden umgehen, sind hier klar im Vorteil. Das fängt bei der Atmosphäre im Laden an. Wie kann er so gestaltet werden, dass sich Kunden dort gern aufhalten, dass sie das Einkaufen als Moment der Ruhe im ansonsten gehetzten Alltag empfinden? Das führt ebenfalls zu neuen Anforderungen in Sachen Usability im Onlineshopping.
Wir sind zunehmend sensibel, was unsere Daten anbelangt – auf der anderen Seite erwarten wir von Marken und deren Shops, dass sie sich an uns erinnern, dass sie aus unseren Entscheidungen lernen und den ganzen Stress und die Hektik beim Shopping minimieren. Dann überlassen wir ihnen auch gern unsere Daten. Ein sehr gelungenes Beispiel ist eine japanische Brillenmarke, auf die ich jüngst aufmerksam wurde. Man probiert im Geschäft verschiedene Modelle und lässt sich dabei von einem Gerät fotografieren. Die Bilder werden mit allen nötigen Informationen versehen und aufs Smartphone geschickt. Zu Hause kann man sich dann in aller Ruhe ansehen, wie einem die Brillen stehen, und man kauft eine – oder eben auch nicht. Die Zeit, die man im Geschäft verbringt, wird so auf ein Minimum reduziert.
Die Mobilität zwischen Stadt und Land nimmt zu
Fast genauso wichtig wie Zeit ist der persönliche Raum, den wir zur Verfügung haben. Die Pandemie machte uns das auf schmerzhafte Weise bewusst: Plötzlich waren wir eingeschränkt, eingesperrt in unseren Privaträumen, und die wenigsten hatten das Glück, über einen eigenen Garten zu verfügen. Den Trend zur Stadtflucht gab es aber vorher schon. Nicht nur junge Familien verließen Ballungsräume, sondern auch viele Menschen, die früher klassische Stadtbewohner waren: junge Kreative etwa. Ich gehe jedoch nicht davon aus, dass das ein bestimmender Trend wird. Ich glaube eher, dass die Mobilität zwischen Stadt und Land zunehmen wird. Es wird viele Hybridmodelle geben: Menschen, die zwischen verschiedenen Wohnsitzen und Wohnmodellen pendeln, Menschen, die sich eine Auszeit auf dem Land nehmen, aber die sozialen Beziehungen in den Städten nicht vermissen wollen. Gärtnern, Wandern, Urlaub mit dem Wohnmobil oder sogar ganz mobil wohnen – all das wird wichtiger. Immer mehr Menschen wollen mittags im Wald sein und abends in der Stadt – und werden Möglichkeiten finden, das zu realisieren.
Kunden fordern Diversität ein
Eines der wichtigsten Themen der Gegenwart ist die immer größer werdende Rolle, die Diversität einnimmt. Es gibt eine neue Generation von Kunden, die verlangt, dass Produkte für alle Arten von Konsumenten zugänglich sind. Am sichtbarsten ist das sicherlich in der Mode. Hier müssen Marken nicht nur Kleidung für alle Körperformen herstellen. Sondern es wird zudem auch verlangt, dass diese Vielfalt in Werbekampagnen abgebildet wird. Und dieser Imperativ strahlt in andere Felder aus, auch in das Premium- und Designsegment. Natürlich ist es eine Illusion, dass wirklich alle Kunden zufriedengestellt werden können. Viel wichtiger aber ist, dass sich eine Marke sorgfältig Gedanken über die Ansprüche und Wünsche der tatsächlichen Kundschaft macht. Sie wird akribisch darauf achten, dass Marken nicht nur Lippenbekenntnisse ablegen, sondern tatsächlich handeln – und dabei natürlich die hohen Standards in Sachen Design nicht unterschreiten.
Nachhaltigkeit wird der neue Standard
Ein ähnlich starkes Schlagwort wie Diversität ist natürlich Nachhaltigkeit. Gern wird heute behauptet, dass das gute Gewissen beim Konsum der ultimative Luxus ist. Das trifft es ziemlich gut, auch wenn ich der Meinung bin, dass nachhaltiger Konsum für alle Kunden selbstverständlich sein sollte. Allerdings haben wir es hier mit einem Widerspruch zu tun. In Umfragen fordern Kunden mehr Nachhaltigkeit – in ihrer Kaufentscheidung lassen sich aber viele vom Preis leiten. Umso wichtiger ist die Rolle, die das Premiumsegment hier einnehmen sollte. Auch in diesem Sektor ist der Preis nicht unwichtig – er spielt aber eine untergeordnete Rolle. Hier können Marktzwänge also keine Entschuldigung sein. Jede Marke in diesem Segment hat die Verpflichtung, auf Dinge wie die Herstellungsbedingungen und die CO₂-Bilanz zu achten. Und der Verbraucher wird sie dafür belohnen. Die persönliche Verantwortung für einen nachhaltigeren Lebensstil war auch der Grund, warum mein Mann und ich uns einen Taycan gekauft haben. Dann wurde in Großbritannien der Sprit knapp und an den Tankstellen bildeten sich lange Schlangen. Das war die beste Werbekampagne für E-Mobilität, die man sich vorstellen kann.
Carla Buzasi
Nach ihrer Tätigkeit als Chefredakteurin bei der Huffington Post UK und Stationen bei Marie Claire und Glamour stieg Buzasi 2014 bei der globalen Trendforschungsagentur WGSN ein. Seit 2020 ist sie CEO. Als Spezialistin für Zukunftsfragen berät sie mit ihrem Team Unternehmen in mehr als 100 Ländern. Carla Buzasi partizipiert selbst an einem Trend, den sie beschreibt: der Mobilität zwischen Stadt und Land.
Info
Text erstmals erschienen im Christophorus Magazin, Ausgabe 403.
Autor: Carla Buzasi
Fotografin: Liz Seabrook