Vor dem Start des neuen Kapitels mit dem Hybrid-Prototypen zieht Porsche eine positive Bilanz seiner Einsätze mit dem 911 RSR. Der stärkste Motorsport-Boxer aus dem Entwicklungszentrum in Weissach hat die zurückliegenden zehn Jahre in der hart umkämpften GTE-Pro-Klasse deutlich geprägt. In der Saison 2013 übernahm die Porsche AG 51 Prozent am Einsatzteam Manthey. Die bewährte Mannschaft aus der Eifel wurde fortan mit der Durchführung des Werkseinsatzes in der FIA Langstrecken-Weltmeisterschaft WEC (World Endurance Championship) betraut. Diese neue Konstellation führte 2013 sofort zum Erfolg: dem Klassensieg bei den 24 Stunden von Le Mans.
2013 – 2016: Le-Mans-Klassensieg im ersten Jahr, viele Erfolge weltweit
Marc Lieb (Deutschland), Richard Lietz (Österreich) und Romain Dumas (Frankreich) feierten passend zum 50. Geburtstag des Porsche 911 den Triumph in der neuen GTE-Pro-Kategorie. Das Schwesterauto erreichte Rang zwei. „Mir bleibt angesichts dieses Ergebnisses die Spucke weg“, jubelte der damalige Teamchef Olaf Manthey. Für Siegfahrer Marc Lieb ging ebenso ein Traum in Erfüllung: „Unser Team war neu, das Auto ebenso. In den ersten zwei Saisonrennen fehlte uns noch etwas Konkurrenzfähigkeit“, erinnert sich der Langstrecken-Weltmeister von 2016. „Dann kam unser Le-Mans-Paket. Es fühlte sich sofort richtig gut an. Im Rennen haben wir uns unter schwierigen Mischbedingungen nach vorn gekämpft. Der Schlüssel zum Sieg war, dass wir im Gegensatz zur Konkurrenz drei Stints auf einem Reifensatz fahren konnten.“ Nach 24 Stunden überquerte der Porsche 911 RSR mit der Startnummer 92 den Zielstrich mit einem Vorsprung von mehr als zwei Minuten auf das Schwesterauto.
„Der Triumph war unerwartet und deswegen so schön für Porsche, das Team und uns Fahrer“, blickt Lieb zurück, „trotzdem bleibt es der traurigste Sieg meiner Karriere.“ Hintergrund: Ein tragischer Unfall überschattete die 24 Stunden von Le Mans 2013. Aston-Martin-Pilot Allan Simonsen hatte sein Leben in der Frühphase des Rennens bei einer Kollision mit der Leitplanke in der Tertre-Rouge-Kurve verloren. Der sympathische, im Fahrerlager sehr beliebte Däne war 2007 am Steuer eines Porsche 911 GT3 RSR in Le Mans gefahren.
Der 911 RSR von 2013 basierte auf der Generation 991 und war der letzte seiner Art mit dem klassischen Sechszylinder-Boxer als Heckmotor. 2014 fuhr der Neunelfer in Silverstone und Schanghai zum Klassensieg. Im Folgejahr gelang ein weiterer großer Schritt nach vorn: vier Triumphe in der GTE-Pro-Kategorie auf dem Nürburgring, in Austin, Schanghai und Bahrain sowie die Titelgewinne in Hersteller-, Fahrer- und Teamwertung. 2016 starteten die zwei Werksautos nur in Le Mans. Für die anschließende Saison folgte der neue GTE-Pro-Renner aus Weissach – diesmal auf Basis der Generation 991 und erstmals mit dem Antriebsaggregat vor der Hinterachse. Das neue Konzept, bei Fans weltweit wegen seines unvergleichlich beißenden Sounds sehr beliebt, erreichte große Erfolge auf vielen Rennstrecken beiderseits des Atlantiks.
2017 – 2019: Neues Fahrzeugkonzept und ein unvergesslicher Le-Mans-Auftritt
2017 galt als Entwicklungsjahr, denn angesichts der veränderten Gewichtsverteilung sammelte die Mannschaft vor allem im Bereich der Reifennutzung viele neue Erkenntnisse. Der Lernprozess verlief schnell. Bereits im zweiten Einsatzjahr lieferte das FIA WEC-Werksteam in Le Mans einen sportlich wie optisch besonderen Auftritt ab: Zum 70. Geburtstag der Marke Porsche traten die beiden 911 RSR in historischen Designs an. Die in Anlehnung an die legendäre Rothmans-Lackierung folierte Startnummer 91 dominierte das Qualifying. Der italienische Werksfahrer Ginamaria Bruni stellte in der Zeitenjagd in 3:47,504 Minuten einen neuen Rekord für GTE-Fahrzeuge in Le Mans auf.
Im Rennen dominierte die Nummer 92 im Pink-Pig-Design. Kévin Estre (Frankreich), Michael Christensen (Dänemark) und Laurens Vanthoor (Belgien) legten mit ihrem 911 RSR ein souveränes Tempo vor und hatten das notwendige Glück auf ihrer Seite: Klassensieg mit einer Runde Vorsprung auf das Schwesterauto von Gianmaria Bruni, Richard Lietz und Frédéric Makowiecki (Frankreich). „Der Porsche 911 ist und bleibt der beste Sportwagen der Welt – eine richtige ‚Rennsau‘. Zu unserem 70. Geburtstag ein Doppelsieg in der GTE-Pro und der Triumph in der GTE-Am: Besser geht es nicht“, brachte Porsche-Entwicklungsvorstand Dr. Michael Steiner seine Freude damals direkt nach dem Triumph auf den Punkt.
2018 – 2022: Gewinn von WM-Titeln und ein weiterer Klassensieg in Le Mans
Während der Neunelfer der Generation 2017 nach dem Klassensieg in Le Mans zum GTE-Pro-Meistertitel in FIA WEC 2018/2019 fuhr, stand der Nachfolger bereits in den Startlöchern: der RSR-19 mit 4,2-Liter-Sechszylinder – dem größten Boxer, den Porsche bis dato werksseitig in einem 911-Rennfahrzeug auf die Strecke gebracht hat. Beim Debüt an der Sarthe 2019 fehlte nicht viel: Die Startnummern 91 und 93 erreichten auf den Rängen zwei und drei das Siegerpodest der hart umkämpften GTE-Pro-Klasse mit insgesamt 17 Autos von sechs verschiedenen Herstellern. 2021 folgte eine weitere Podiumsplatzierung und 2022 endlich der ersehnte Erfolg an der Sarthe. Richard Lietz, Gianmaria Bruni und Lokalmatador Frédéric Makowiecki setzten im Abschiedsjahr des Werks-Elfers noch einmal ein Glanzlicht: Klassensieg bei den 24 Stunden von Le Mans. Die letzte Saison mit den Werksfahrzeugen in der GTE-Pro-Klasse sollte noch einmal mit dem Gewinn von WM-Titeln gekrönt werden, doch beim Finale in Bahrain verpasste das Team das hoch gesteckte Ziel nur knapp.
„Zum 50. Geburtstag des Elfers sind wir werksseitig in die FIA WEC eingestiegen und haben auf Anhieb die 24 Stunden von Le Mans gewonnen. In diesem Jahr hat sich beim größten Langstreckenrennen der Welt der Kreis mit unserem dritten Klassensieg wunderschön geschlossen“, bilanziert Thomas Laudenbach, Leiter Porsche Motorsport. „Le Mans ist die Krone des Langstreckensports. Wir sind besonders stolz auf unsere Triumphe dort. Auch die weiteren 15 Klassensiege in der FIA WEC waren hart erkämpft und das Ergebnis großartiger Arbeit des Teams und aller Mitarbeiter, die im Entwicklungszentrum in Weissach daran mitgewirkt haben. Wir haben der glorreichen Geschichte von Porsche Motorsport ein weiteres Kapitel hinzugefügt.
Zum Abschluss hätten wir gern unseren fünf Titeln noch mindestens einen weiteren hinzugefügt. Obwohl dies leider nicht gelungen ist, ziehen wir insgesamt nach zehn Jahren Werkseinsatz eine sehr positive Bilanz. Gleichzeitig geht der Blick nach vorn: 2023 fahren wir mit dem neuen Porsche 963 in den beiden größten Langstreckenserien der Welt um Gesamtsiege. Darauf freuen wir uns schon sehr!“
Zahlen zum Werkseinsatz in der FIA WEC
Absolvierte Rennen: 62 in zwölf Ländern
GTE-Pro-Klassensiege: 18
Pole-Positions (GTE-Pro): 20
Podestplatzierungen (GTE-Pro): 67
Gefahrene Rennkilometer: 155.830
Erreichte WM-Herstellerpunkte: 2.240
Eingesetzte Werksfahrer: 18
Größte Werkseinsätze: Le Mans 2018 und 2019 mit jeweils vier Autos
Höchster Topspeed: 312,7 km/h (Le Mans 2022)
2023: Der 911 RSR bleibt, der neue 963 kommt
Auch nach Abschluss des Werksprogramms wird der 911 RSR in der FIA WEC antreten: Porsche-Kundenteams setzen den beliebten GT-Rennwagen im kommenden Jahr in der Amateurklasse GTE-Am ein. Das Werksteam Porsche Penske Motorsport will mit dem neuen Porsche 963 den Kampf um Gesamtsiege in den zwei größten Langstrecken-Serien der Welt aufnehmen. Jeweils zwei der Hybrid-Prototypen sollen in der FIA Langstrecken-Weltmeisterschaft WEC und in der nordamerikanischen IMSA WeatherTech SportsCar Championship an den Start gehen.