Die Erfolgsformel des Herrn Liu

Sie zählt zu den begehrtesten Hochschulen der Welt: die Tongji-Universität in Shanghai. Porsche fördert hier aufstrebende Ingenieurstalente. Liu Fan gehört dazu: Mit ihm an der Spitze gewann das Studententeam den Innovationswettbewerb Formula Student Electric in China.

Wenn es ein Plan war, dann ist er aufgegangen. „Fan“ nannte das Ehepaar Liu aus dem Nordosten Chinas seinen 1997 geborenen Sohn. Übersetzt bedeutet der Name „durchschnittlich“. Für die beiden Lehrer aus der Küstenstadt Qinhuangdao, wo die chinesische Mauer ins Meer ragt, hatte der Name einen doppelten Hintergrund: Zum einen drückte er den Wunsch aus, dass der Junge möglichst normal und sorgenfrei aufwachsen sollte. Zum anderen setzt der Name einen philosophischen Akzent, denn er spielt auf ein Motto von Chinas früherem Staatslenker Deng Xiaoping an: „Verbirg deine Stärke.“

„Verbirg deine Stärke“, lautet das Credo von Liu Fans Eltern.
Liu Fan, 2021, Porsche AG

Bei Liu Fan – der Vorname steht in China immer an zweiter Stelle – passt diese Aussage hervorragend. In seiner Heimat müssen die Heranwachsenden eine harte Qualifikation überstehen, um ins Hochschulsystem aufgenommen zu werden. Liu Fan schaffte dabei nicht nur den Sprung in die erste Liga, sondern gleich in die Champions League des Ingenieursnachwuchses: Er studiert an der Tongji-Universität in Shanghai, eine der weltweit besten Adressen.

Mittlerweile steht sein Abschluss kurz bevor und auf dem Weg dorthin erwarb Fan mehrere Auszeichnungen. Die wichtigste: Vor wenigen Monaten führte er das Formula-Student-Electric-Team der Tongji-Universität als Mannschaftskapitän zum Erfolg. In diesem Innovationswettbewerb konstruieren und fahren Studenten vollelektrisch angetriebene Formel-Rennwagen. Fan dirigierte die siegreiche Mannschaft aus rund 100 Kommilitonen. Porsche China förderte das Projekt.

Die Beziehung der Tongji-Universität zu Deutschland hat eine große Tradition, die lange vor dem Bau des ersten Zuffenhausener Sportwagens begann. Gegründet wurde die heutige Elitehochschule 1907 von deutschen Ärzten als medizinische Ausbildungsstätte. Weder Kriege noch Revolutionen kappten die Verbindung. Das 1998 gegründete Chinesisch-Deutsche Hochschulkolleg gilt heute als Paradebeispiel für den Wissensaustausch der Nationen.

Diese Nähe führte auch Oliver Blume an die Tongji-Universität, wo er promovierte: „Ich habe eine große Kreativität gespürt bei den Menschen, aber auch eine Bereitschaft, sich selbst und das Land weiterzuentwickeln. Diese Dynamik hat mich sehr beeindruckt.“

„Ich würde mit meinen Kommilitonen glatt eine Firma gründen.“ Liu Fan

Der Impuls für den Ortswechsel des heutigen Porsche-Vorstandsvorsitzenden kam damals von einem seiner Doktorväter – ein Chinese, der an der Technischen Universität Braunschweig lehrte. Er holte Blume an das neu aufgebaute Institut für Fahrzeugtechnik der Tongji-Universität. 2001 wurde ihm dort als erstem Deutschen die Doktorwürde verliehen. Der Kontakt ist nie abgerissen. „Oliver Blume hat unser Team besucht“, erzählt Liu Fan noch immer beeindruckt. „Damit wuchs meine Begeisterung für Porsche noch mehr.“

Cayenne E-Hybrid Coupé, Tongji Universitäti, Shanghai, 2021, Porsche AG
Die Elite von Morgen: Porsche fördert an der Tongji-Universität in Shanghai die Forschung für intelligente Fahrzeuge.

Porsche China feiert in diesem Jahr sein 20-jähriges Bestehen. Der Aufstieg verlief rasant – bereits seit 2015 ist das Land der größte Einzelmarkt des Sportwagenherstellers. Von Anfang an förderte Porsche soziale und kulturelle Projekte im Reich der Mitte. Im April 2019 unterzeichneten die Tongji-Universität und das Unternehmen eine Vereinbarung zur Kooperation. Die Einrichtung eines chinesisch-deutschen Lehrstuhls im Bereich intelligente Fahrzeuge ist ebenso Teil davon wie weitere Bildungsangebote und Wissenstransfer. So erfuhren die Studenten auch vor Ort professionelle Anleitung durch Experten von Porsche Engineering. Als der persönliche Kontakt pandemiebedingt unmöglich wurde, stellten sie auf digitale Trainingseinheiten um. Weniger theoretisch, dafür sehr sportlich erlebten die aufstrebenden Techniker des DIAN-Racing-Teams der Hochschule ein Fahrertraining im Porsche Experience Center Shanghai, das direkt an die Formel-1-Rennstrecke grenzt. Dazu gehörte auch eine Lektion zum Energiemanagement am fahrenden Objekt: Der Nachwuchs steuerte unter anderem den Porsche Taycan.

Nährboden für Start-ups.

Der Fokus der Forschung liegt sehr stark auf digitalen Funktionen, ein Schlüsselthema für China. Nirgendwo anders auf der Welt werden mehr Start-ups gegründet. Die junge Generation gilt als wichtiger Gradmesser für die automobile Zukunft. Dazu passt das Durchschnittsalter der chinesischen Porsche-Kundschaft: Es liegt im Schnitt bei 35 Jahren – gegenüber weltweit 53 Jahren. Und: In China gehört fast jeder zweite Porsche einer Frau.

Rennwagen DRe20, 2021, Porsche AG
Der DRe20 Rennwagen

Liu Fan entdeckte seine Begeisterung für Fahrzeuge beim Spielen mit einem ferngesteuerten Rennwagen. Allerdings interessierte den damals Achtjährigen weniger die Geschwindigkeit als die Funktionsweise des Mini-E-Autos. Die Neugier auf moderne Technologien wie E-Antriebe war geweckt. Wobei Liu Fan fast schon reflexartig darauf hinweist, dass die Idee so neu nicht sei: „Immerhin wurde schon im Jahr 1900 auf der Weltausstellung in Paris das Lohner-Porsche Elektromobil gezeigt.“

„Mit einer Mannschaft unter Zeitdruck Lösungen zu realisieren, das hat mich fasziniert.“

Auch mit dem Lohner-Porsche „Semper Vivus“ aus demselben Jahr ist der Student vertraut. In dessen Mischantrieb erkennt er zum Beispiel den Urahn des Porsche Cayenne E-Hybrid, mit dem er heute über den Campus fährt. Liu Fan ist Fan von alternativen Antrieben. Sein aktuelles Traumauto sei der Porsche Taycan. Sein Herzensprojekt bleibt aber das Siegerauto seines Formula-Student-Electric-Teams – der knuffige DRe20 mit dem beeindruckenden Heckflügel.

DRe16 race car, 2021, Porsche AG
Bis zum Rennwagen DRe20 war es ein aufregender Weg: Der DRe13 ist ein erster Entwurf. Das Ziel ist zu erkennen, allerdings bringt das Gefährt noch 440 Kilogramm auf die Waage.
Nachfolgemodell DRe14, 2021, Porsche AG
Um gleich 122 Kilogramm leichter ist der Nachfolger DRe14. Hinter der Entwicklung steht das DIAN-Racing-Team der Tongji-Universität. Jedes der rund 100 Mitglieder bringt die eigenen Stärken ein.
Rennwagen DRe15, 2021, Porsche AG
Nicht nur das Innenleben wird weiterentwickelt. Auch die Optik des DRe15 ist im Vergleich deutlich windschnittiger. Getestet wird der maximal 140 Stundenkilometer schnelle Rennwagen natürlich auf der Strecke.
Rennwagen DRe16, 2021, Porsche AG
Der DRe16 verfügt über Allradantrieb. Ziel des Racing-Teams ist die umweltverträgliche Mobilität. Die Batterie verfügt über eine Spannung von 532,8 Volt.
Rennwagen DRe17, 2021, Porsche AG
Ab der Entwicklungsstufe DRe17 kommen Front- und Heckflügel hinzu, die den Anpressdruck erhöhen. Mittlerweile wiegt der Wagen nur noch 244 Kilogramm.
DRe18 race car, 2021, Porsche AG
Technik und Design müssen ineinandergreifen. Auch beim DRe18 wird weiter an der perfekten Form von Nase und Frontflügel gefeilt. Zugunsten des Kurvenverhaltens wird die Spurweite optimiert. Mit 48:52 mm wird sie im Vergleich zu den ersten Entwicklungen vorne etwas größer und hinten schlanker.
Rennwagen DRe19, 2021, Porsche AG
Fast am Ziel: Der DRe19 ähnelt schon sehr seinem Nachfolger. Gefeilt wurde anschließend noch an den Abmessungen. Auch das Gewicht wurde noch einmal um 10 Kilogramm auf letztlich 200 Kilogramm reduziert.
Rennwagen DRe20, 2021, Porsche AG
Das Siegerfahrzeug: Mit dem DRe20 setzte sich die Mannschaft um Liu Fan gegen 66 weitere Teams mit rein elektrischen Rennwagen durch. Design und Leistungsfähigkeit ergänzen sich perfekt.

Die Formula Student ist keine als Rennserie ausgetragene Meisterschaft, sondern ein weltweiter Innovationswettbewerb, dessen Historie 1981 beginnt. Die Teams konkurrieren in verschiedenen Disziplinen um Punkte – vom Design über die Umsetzung der Konstruktion bis hin zur Leistungsfähigkeit der Wagen.

Cayenne E-Hybrid Coupé, 2021, Porsche AG

Im praktischen Teil der Prüfung wird ein Handling-Parcours auf Zeit gefahren. Darüber hinaus sind ein Langstreckentest zu absolvieren und eine Beschleunigungsprüfung. Üblicherweise messen sich die Teams weltweit, doch die Pandemie stoppte die Entwicklungsarbeit der Studenten in vielen Ländern. Auch ein geplanter deutsch-chinesischer Studentenaustausch fiel dem Virus zum Opfer; dabei hatte Liu Fan bereits begonnen, Deutsch zu lernen.

Deshalb startete der Wettbewerb nun lokal. Sechs Tage dauerte das Kräftemessen von 101 Teams in Xiangyang in der Provinz Hubei. Allein 67 der chinesischen Universitätsmannschaften brachten rein elektrische Rennwagen an den Start.

In der Vorbereitung musste auch das Team der Tongji-Universität auf Homeoffice umstellen. Liu Fan, bereits 2017 von der Hochschule als herausragende studentische Führungskraft ausgezeichnet, wurde zum Teamchef gewählt und übernahm die Koordination. „Als Fahrer wäre ich sowieso viel zu vorsichtig gewesen“, sagt er lachend. Während Konkurrenten in Sachen Batteriesteuerung auf Standardlösungen zurückgriffen, entwickelte die Tongji-Gruppe das Herzstück des Elektroautos selbst.

Liu Fan programmierte die Software zur einheitlichen Dokumentation des Fahrzeugaufbaus und beeindruckte die Jury mit reibungslosem Datenaustausch und Kommunikation. Die Teamarbeit begeisterte Fan: „Mit einer eingeschworenen Mannschaft unter hohem Zeitdruck Lösungen zu realisieren, das hat mich fasziniert.“ Mit seinen Kommilitonen würde er glatt eine Firma gründen, oder noch besser: gleich für Porsche arbeiten. Vielleicht ist der erste Schritt dafür ja bereits gemacht, denn die Kooperation zwischen der Tongji-Universität und Porsche beinhaltet pro Jahr fünf Praktikantenstellen für herausragende Studenten. Liu Fan ist nun einer von ihnen. Und ganz sicher nicht der letzte Junior, dem Porsche Starthilfe gibt.

Info

Text erstmalig erschienen im Porsche-Kundenmagazin Christophorus, Nr. 399.

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Verbrauchsangaben

Taycan Turbo Cross Turismo (2023)

WLTP*
  • 24,2 – 21,3 kWh/100 km
  • 0 g/km
  • A Klasse

Taycan Turbo Cross Turismo (2023)

Kraftstoffverbrauch* / Emissionen*
Stromverbrauch* kombiniert (WLTP) 24,2 – 21,3 kWh/100 km
CO₂-Emissionen* kombiniert (WLTP) 0 g/km
CO₂-Klasse A