„Hier erreicht der Porsche 99X Electric seine Höchstgeschwindigkeit“, sagt Gerrit Braun. Er streckt den Arm übers Hafenbecken von Monaco und zeigt auf die lange Gerade mit den Hochhäusern, auf deren Balkons sich die Zuschauerfiguren drängeln.
„Dann wird die Linkskurve zum Casino angebremst.“ Ein idealer Punkt zum Überholen. Zumal die Besucher einen perfekten Blick aufs Renngeschehen haben. Gerrit Braun und sein Team vom Miniatur Wunderland in Hamburg haben dafür Monaco geschrumpft. Wie alles hier wurde auch das Fürstentum an der Côte d’Azur im Maßstab 1:87 neu erschaffen. Und auch die Rennwagen sind nur sechs Zentimeter lang. Ihre Höchstgeschwindigkeit von 85 Zentimetern pro Sekunde entspricht in der realen Welt knapp 270 km/h. Realistischer geht’s kaum. Aber das macht die Sache auch so diffizil.
Monaco als größte Herausforderung
„Wir arbeiten seit 2015 an dem Motorsportprojekt, es ist unsere bislang größte Herausforderung“, sagt Braun. Vor zwanzig Jahren gründete der heute 53-Jährige gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder Frederik das Miniatur Wunderland in der Hamburger Speicherstadt. Die gesamte Ausstellungsfläche erstreckt sich über 10.000 Quadratmeter und zählt mit rund 1,4 Millionen Besuchern pro Jahr zu den beliebtesten Sehenswürdigkeiten Deutschlands.
9.250 Autos, 269.000 Figuren, 15.715 Meter Gleise, 1.040 Züge mit mehr als 10.000 Waggons, 4.340 Gebäude, 130.000 Bäume. Es gibt Städte, Dörfer, Bergpanoramen, einen Flughafen, künstliche Nordlichter und eine Kirmes. In etwa einer Million Arbeitsstunden haben mehr als 300 Mitarbeiter einen begehbaren Mikrokosmos erschaffen, in dem Züge, Schiffe und Flugzeuge ständig in Bewegung sind. Unter den Modellautos im Maßstab 1:87 befinden sich viele Porsche-Fahrzeuge – neuerdings sogar der Formel-E-Rennwagen aus Weissach. Porsche Motorsport lieferte die CAD-Daten für den Porsche 99X Electric.
Im neu gestalteten Süden Frankreichs, der im ersten Halbjahr 2022 offiziell eröffnet werden soll, findet sich auch die legendäre Grand-Prix-Rennstrecke von Monaco. „Es wird dort abwechselnd Formel-1-Rennen und Formel-E-Auftritte geben“, sagt Impresario Braun. „Alles originalgetreu mit Einführungsrunde, Safety-Car, Startaufstellung – und dann Action!“
Ein dermaßen realistisches Szenario wurde noch nie gebaut. Alles musste neu erfunden werden. An Brauns Rechner entstand die Software, um zwanzig Rennwagen zu steuern. Das System reagiert binnen 50 Millisekunden auf Fahrmanöver der jeweils anderen Racer. So läuft jedes Rennen anders. Mit echten Positionskämpfen, Überholmanövern – und hin und wieder wohl auch einem Crash. „Das wollen wir natürlich möglichst vermeiden, denn dann muss das Safety-Car raus und ein paar Leute sind erst mal eine Weile beschäftigt“, sagt Braun.
Im Computer laufen die Rennsimulationen bereits. Allerdings muss Braun den Autos noch beibringen, im richtigen Moment vom Gas zu gehen. „Die Software will immer vorne bleiben, aber im Rennen muss man eben auch mal zurückziehen. Das zu programmieren, ist komplex.“ Angetrieben werden die kleinen E-Fahrzeuge durch Magnetfelder. Die 21 Meter lange Piste durchs Miniatur-Monaco besteht aus 24 Spezialplatinen mit insgesamt 1.400 Magnetfeldsektoren. Jeder Sektor wird separat angesteuert und erzeugt sein eigenes Magnetfeld.
Rennwagen aus dem 3D-Drucker
Während an der Software noch getüftelt wird, sind die Rennwagen schon startklar. Sie entstanden im 3D-Drucker der Modellbauexperten aus jeweils 0,03 Millimeter dünnen Kunststoffschichten. Die Chassis sind mehrfach lackiert und bis auf den kleinsten Sponsorenaufkleber ihren erwachsenen Pendants nachgebaut. Im Unterboden steckt ein sogenanntes Halbach-Array, ein rautenförmiges Plättchen als Gegenstück zu den Magnetfeldern der Piste.
Läuft alles wie geplant, werden die Autorennen im Kleinformat der nächste Modellbau-Meilenstein, den die Hamburger weltweit setzen. „Die Krönung aller Mühen“, sagt Braun. „Noch aufwendiger als die 2011 erfolgte Inbetriebnahme des Airports mit tatsächlich startenden und landenden Flugzeugen.“ Dass die Experten seit sechs Jahren an der großen Idee vom echten Rennablauf arbeiten, zeigt die Leidenschaft der Miniaturkönige, aber auch den immensen Anspruch des Projektes. Das unlösbare Problem mit der Miniaturisierung sei nämlich dies, sagt Braun: „Wir können Gegenstände schrumpfen, aber nicht die Zeit.“
Info
Text erstmalig erschienen im Porsche-Kundenmagazin Christophorus, Nr. 401.
Autor: Sven Freese
Fotografen: Thorsten Doerk, Daniel Fröhlich (Getty Images)
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