Wenn Autoträume wahr werden

Beruflich zählt für den Anwalt schwarz auf weiß. Privat ist vieles farbig bei Hanns-Oliver Plöger. Vor allem in der Garage.

Manche Menschen suchen lange, bis sie ihren Sehnsuchtsort finden. Andere bauen ihn sich direkt hinters Haus: eine Garage als Prototyp für wahr gewordene Autoträume. Gefüllt mit acht Elfern, alle vom Typ 964. Eine Mischung aus Fleiß und Glück. Ganz nah, ganz greifbar. Vom Sofa aus einsehbar. Jedes einzelne Modell ist ein Glücksfänger. Sammelt unvergessliche Porsche-Momente auf den Straßen ein und lässt sie raus, wenn sich das Garagentor öffnet.

Wir sind in Lichtenrade, dem südlichsten Ortsteil des Berliner Bezirks Tempelhof-Schöneberg. Dort gibt es ein Bayerisches Viertel, viele Straßen sind nach Dichtern benannt, im alten Dorfkern gibt es noch Kopfsteinpflaster und alte Gutshäuser. Andrea und Hanns-Oliver Plöger haben ihre Garage für uns geöffnet. Vor uns stehen acht Elfer in Rivierablau, Sternrubin, Veilchenblaumetallic, Mintgrün, Gelbgrün, Maritimblau, Blütengelb, Continentalorange. In wenigen Tagen wird sich noch ein Modell in Coppaflorio dazugesellen. Hanns-Oliver Plöger, „nennt mich bitte Olli“, okay, schaltet den Grill an zwischen Garage und Haus, lässt die Sammlung auf uns wirken. Die Sonne wird bald hinter der Garage untergehen, für den nächsten Tag steht eine Ausfahrt an.

Die Garage von Andrea und Hanns-Oliver Plöger, 2021, Porsche AG
Foto Credit: Keno Zache
Porsche Autoschlüssel, 2021, Porsche AG
Foto Credit: Keno Zache
911 (1989), 2021, Porsche AG
Foto Credit: Keno Zache

Olli ist ein 1,98 Meter großer Mann, der so leise gehen kann, dass man ihn fast nicht hört. Der ehemalige Profi-Volleyballspieler redet gern und viel, das liegt bestimmt in der Familie. Schon sein Vater Hanns-Ekkehard Plöger war jemand, der mit Worten polarisierte, Notar und Staranwalt aus Berlin-Lichtenrade. Die einen mochten ihn, die anderen nicht. Gelegentlich trug der Mann, der im Eigenverlag Gedichte herausgab, seine Plädoyers in Versform vor – und schon die Vorstellung lässt einen schmunzeln. Im Garten hielt er 50 Zwerghühner. »Mein Vater hatte einen Schnauzbart und ein Faible für knallige Krawatten«, erzählt Sohn Olli, der seine Liebe für Farben auf die Exzentrik seines Vaters „Ekke“ schiebt. Nach dessen Tod übernahmen er und seine Schwester Maya-Sylviane die Kanzlei. „Ich habe einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn“, erklärt der 51-Jährige, der sich „immer auf die Seite der Schwächeren schlägt“. Er ist Rechtsanwalt mit den Schwerpunkten Verkehrsrecht und Strafrecht. Aber auch Fällen in den Bereichen Zivil-, Erb- und Vertragsrecht nimmt er sich an.

911 (1989), 2021, Porsche AG

Seinen ersten 964 kaufte er sich im Jahr 1993 am Kleinen Wannsee. Es war ein Novembertag, an dem es ein wenig geschneit hatte in Berlin. Der mintgrüne Elfer stand auf dem Grundstück vor einem hochherrschaftlichen Haus. „Das schwarze Verdeck zierte ein Schneehäubchen“, sagt Olli über den Porsche, der den Grundstein zu seiner farbenfrohen Passion legte. „Als Porsche-Novize waren mir die Farben der Neunzigerjahre vorher nicht bekannt“, erinnert er sich. Umso mehr hatte es ihm das Fahrzeug angetan. „Das Mintgrün leuchtete in der schneebedeckten Umgebung und eroberte sofort mein Herz. Für mich war in diesem Moment klar, dass eine solche Bonbonfarbe auf einem Elfer die Krönung ist.“ Später, bei der Durchsicht der Fahrzeugpapiere, entdeckte er, dass der Tag der Erstzulassung des 964 der 29. Oktober ist, sein Geburtstag. 

Ein Besuch bei Plögers ist beeindruckend. Das Haus, in dem bis vor neun Jahren Ollis Bruder lebte, ist aus dem Jahr 1920, die Decken sind mehr als dreieinhalb Meter hoch. „Alle Einrichtungsgegenstände müssen größer sein, um überhaupt zu wirken“, meint Andrea. Das erklärt die riesigen Vasen, die massiven Buffetschränke, diverse Antiquitäten jenseits der Norm. Sie serviert Schwarztee aus Ostfriesland, eingeschenkt auf Kandiszucker, wie sich das gehört für eine gebürtige Oldenburgerin, die mit dem schönen Brauch aufgewachsen ist. „Eine Tasse davon hat schon so manche Tage gerettet“, sagt sie und lacht. Gute Dinge behält sie bei. Beständigkeit zieht sich auch durch das gemeinsame Leben der beiden. Im Jahr 1986 lernten sie sich auf Helgoland im Urlaub kennen, Olli war damals 16, Andrea seine Jugendliebe und, wie sich später herausstellte, die Liebe seines Lebens. Nach wie vor machen sie dort Urlaub auf dem Campingplatz, auf dem alles begonnen hat. Im Mai 2000 heirateten sie, das Hochzeitsbild ziert noch heute den Smartphone-Hintergrund von Olli.

Andrea arbeitet in der Kanzlei ihres Mannes und frönt gemeinsam mit ihm der Leidenschaft für bunte Elfer, liebt die Marke und die Begegnungen mit all den Menschen, die ihren Enthusiasmus für den Sportwagenhersteller teilen. In ihrer Handtasche hat sie stets ein DME-Relais dabei, das die Benzinpumpe, die Zündung und das Motorsteuergerät ansteuert. „Wenn wir es eines Tages brauchen, müssen wir uns nicht ärgern, dass wir es nicht dabeihaben“, erklärt sie und streichelt Kater Mucki, der den beiden vor wenigen Jahren zugelaufen ist. Auch das bezeichnet sie als großes Glück, damals hatte sie ein paar Tage zuvor mit Olli über ein mögliches Haustier gesprochen. Dann kam Mucki. Wenn sie Walter Röhrl bei Porsche-Events über den Weg läuft, spricht sie mit ihm immer über Katzen. Ein schöner Gedanke.

Andrea Plöger, 911 (1989), 2021, Porsche AG

Originalität ist Olli nicht wichtig bei seinen Elfern, Speedline-Felgen schon, wie sich unschwer übersehen lässt. „Der Geschmack bleibt ohnehin selten so, wie er ist“, erklärt er. Viel wichtiger erscheint es ihm, seine Freunde zu sich einzuladen und gemeinsame Ausfahrten zu unternehmen. Porsche-Momente zu teilen.

Als die dritte Generation des 911 im Modelljahr 1989 auf den Markt kam, befand sich Porsche in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage. Die Verkaufszahlen für die Modelle 944 und 928 waren stark zurückgegangen. Es war die Zeit gekommen für den 964, der zu 85 Prozent aus Neuteilen bestand, aber größtenteils die traditionellen Formen des vorangegangenen G-Modells behielt. Der 964 hat dem Sportwagenhersteller in einer schwierigen Zeit Glück gebracht. Jetzt bringt er Andrea und Olli Glück, füllt ihr Sammelsurium an schönen Erinnerungen – und ihre Garage.

Info

Text erstmalig erschienen im Magazin Porsche Klassik 20.

Autorin: Christina Rahmes       

Fotografie: Keno Zache

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