Die Spezialität von Peter Varga, Director Exterior Design bei Porsche, sind Linien, Silhouetten, Proportionen, generell die Formensprache von Porsche. Während der 42-Jährige im Außenbereich des Restaurants vom Porsche Museum die Umrisse eines Porsche 911 Turbo S aufs Papier scribbelt, gibt er einen Einblick in die Dimensionen von Fahrzeugdesign: „Ich interessiere mich für Linienverläufe und wie man sie austarieren kann. Zum Beispiel, wie viel Spannung eine Dachkante braucht.“ Er sagt auch überraschende Dinge: „Es ist sehr wichtig, was der Fahrer aus dem Fahrzeug heraus von der Karosserie wahrnimmt.
„Der 911 ist gewachsen, hat aber immer noch dieselbe Silhouette.“ Peter Varga
Im neuen 911 Turbo S sieht man in den Seitenspiegeln zum Beispiel die Lufteinlässe über den Hinterrädern. Deshalb haben wir uns mit der Gestaltung dieses Bauteils besonders viel Mühe gegeben.“ Varga, der in Pforzheim Transportation Design studiert und vor 17 Jahren als Praktikant bei Porsche angefangen hat, ist Perfektionist.
Man könnte seinen Ausführungen stundenlang zuhören – und lernt dabei vieles über Design. Und noch mehr über Porsche. So nimmt man beispielsweise durch seinen Hinweis wahr, wie die Misch-Bezollung bei den Felgen des 911 Turbo S – 22 Zoll hinten, 21 Zoll vorne – die Sportlichkeit des Fahrzeugs durch das optische Gefälle noch betont.
Der Turbo ist besonders komplex
Das Filmteam hat das Porsche Museum passend zum Thema Turbo als Startpunkt für das Porsche Close-up-Video ausgesucht – und die Kamera läuft die ganze Zeit über mit. Varga, 1978 in Ungarn geboren, unterstreicht das Gesagte mit Gesten und lächelt dazu mit den Augen. Auf dem Vorplatz sind ein dunkelgrünes 911 Turbo 3.0 Coupé von 1976 und der neue 911 Turbo S in Enzianblaumetallic Heck an Heck platziert. Die Gegenüberstellung des historischen Exponats aus dem Museum, ein einst auf Ferry Porsche zugelassenes Sondermodell (G-Modell), und des extrem sportlichen 911 lassen erahnen, welche Herausforderungen auf die Exterior- Designer von Porsche mit jeder neuen Fahrzeug-Generation zukommen.
„Ein Auto sollte keinen Millimeter zu groß sein“, kommt Peter Varga auf einen seiner Grundsätze zu sprechen. „Wir versuchen, möglichst viel wegzulassen.“ Aufgeräumtheit, wie der Porsche Chef-Exterior-Designer die puristische Erscheinung der gesamten 911-Baureihe nennt, Leichtigkeit sowie Alltagstauglichkeit sind oberstes Ziel. Und das Bewahren der klassischen Werte und Merkmale von Porsche – etwa an den nach wie vor rund geformten Scheinwerfern zu erkennen. Dennoch könnte der Unterschied zwischen den beiden Turbo-Modellen kaum größer sein. „Der 911 Turbo S ist der breiteste Porsche 911 aller Zeiten“, sagt Peter Varga, „die breite Hinterachse und das ausladende Heck unterstreichen die Kraft dieses Fahrzeugs.“
Entwicklungsprozess dauert Jahre
Der Arbeitsplatz von Peter Varga und seinem rund 25 Mitarbeiter starken Team – unter anderem Exterior Studioingenieure, Lichtdesigner und Advanced Designer – befindet sich im Porsche Entwicklungszentrum in Weissach. Dort wird mit verschiedenen Medien und Plattformen gearbeitet, analog und digital: mit Stift und Papier, am Computer in 2D und 3D, mit Augmented Design, mit Modellen aus Plastilin oder Clay, einem speziell im Automobilmodellbau verwendeten Werkstoff.
„Beim Design wird jeder Quadratzentimeter eines Fahrzeugs diskutiert und muss intern mit vielen anderen Fachbereichen abgestimmt werden“, erklärt Varga. Der gesamte Entwicklungsprozess dauere mehrere Jahre. „Erst wenn man dann später die Ergebnisse sieht und alles funktioniert, sind wir auch selber zufrieden.“ Alles eine Frage der Kreativität? Nein, auch die Auseinandersetzung mit technischen Grenzen und Vorgaben spielt eine tragende Rolle. Das Design des Porsche 911 Turbo sei deshalb auch die größte Herausforderung in seiner bisherigen Laufbahn gewesen, gesteht er, „komplexer geht es nicht, was die Vereinbarkeit von Design und Technik betrifft.“
Und wie ist Peter Varga privat? „Ich betreibe Sportarten mit Geschwindigkeit wie Laufen und Windsurfen. Wenn draußen der Wind weht, habe ich gute Laune“, verrät er. Und er mag Filmmusik, speziell die von Komponist Hans Zimmer, „das inspiriert mich“. Natürlich drehe sich auch zu Hause vieles um Design, so der Vater zweier Töchter weiter: „Meine Frau ist ebenfalls Designerin, wir sind sehr reduziert eingerichtet.“ Das mache Entscheidungen für bestimmte Möbelstücke nicht gerade einfach. „Wir haben drei Jahre lang nach einem Esstisch gesucht, der uns gefiel.“
Porsche ist ebenso ein Thema. Tochter Naomi, vier Jahre alt, sorgte unlängst für großes Schmunzeln. Beim Spielen mit einem kleinen Modell-Boxster habe sie plötzlich ihren Papa angeschaut und gefragt: „Ist das ein Porsche, oder ist das ein Auto?“ Als Varga diese Begebenheit erzählt, lächeln seine Augen wieder in die Kamera: „In solchen Momenten weiß ich, dass unsere Arbeit gut ist.“
Info
Text erstmalig erschienen im Porsche-Magazin Christophorus, Nr. 397.