Porsche will in der Corona-Krise Verantwortung übernehmen. Das Unternehmen spendet fünf Millionen Euro an Menschen, die durch das Virus in Not geraten und gibt 200.000 Euro für Lebensmittelspenden an Tafel-Läden aus. Auch eine Fertigung von medizinischen Produkten werde geprüft, sagt Porsche-Chef Oliver Blume.
Herr Blume, sind Sie gesund?
Glücklicherweise ja.
Sind Sie im Büro, oder leiten Sie Porsche jetzt im Homeoffice?
Im Büro. Ich halte es für wichtig, dass ich als Unternehmenslenker vor Ort bin, und dass die Leute wissen, wo sie mich finden, wenn sie mich brauchen. Die allermeisten Meetings und Besprechungen finden jetzt natürlich über Videoschalten und Telefonkonferenzen statt. Gleichzeitig gibt es zwingend erforderliche Tätigkeiten, die räumlich bei Porsche erledigt werden müssen – unter Beachtung aller Schutzmaßnahmen.
Werden Sie nach der Krise mehr Besprechungen am Telefon machen?
Wir lernen mit Sicherheit in dieser Krise technische Möglichkeiten kennen, die wir vorher nicht in dem Maße genutzt haben und stellen fest, dass es manchmal auch effizienter sein kann, sich per Skype kurzzuschließen als von Standort zu Standort zu fahren. Aber ich freue mich ehrlich gesagt auch schon wieder auf den persönlichen Kontakt mit meinen Kolleginnen und Kollegen.
Im Moment hat Porsche eine Produktionspause. Ist schon klar, dass Sie die Fertigung nach Ablauf der zweiwöchigen Unterbrechung wieder hochfahren können?
Wir fahren auf Sicht. Wichtig ist für uns vor allem, dass die Lieferketten baldmöglich wiederaufgebaut werden können. Wir sind dabei weniger von China abhängig als von europäischen Nachbarn. Insofern hoffe ich in der Sache, dass wir es als Gesellschaft schaffen, das Coronavirus einzugrenzen. Und, dass wir auf europäischer Ebene dann ein Signal bekommen, wann wir gemeinsam die Produktion wieder hochfahren können.
Wie stark wird Porsche die Krise treffen? Manche Ökonomen rechnen mit dem größten Einbruch seit dem Zweiten Weltkrieg?
Es gibt von Experten verschiedene Krisenszenarien. Das sogenannte V-Szenario unterstellt, dass wir uns jetzt zwar auf einen sehr großen Einbruch einstellen müssen, aber dass das Absatzniveau nach der Krise höher sein wird als davor. Meine Hoffnung ist, dass wir es mit diesem V-Effekt zu tun haben werden. Wichtig ist dabei auch, dass die Politik die Wirtschaft während der gesamten Krisenzeit unterstützt – zum Beispiel um die Nachfrage zu steigern, damit wir dieses Tal so schnell wie möglich hinter uns lassen. Unser Anspruch ist es, diese Krise systematisch und verantwortungsvoll zu managen und sie gleichsam als Chance zu verstehen. Wichtig ist eine optimistische Grundhaltung, nach vorne zu schauen – und nach der Krise so schnell wie möglich wieder Vollgas zu geben.
Momentan haben wir die Talsohle offensichtlich noch nicht erreicht. Und bei der Landesregierung ist die Not so groß, dass sie sich bei der Beschaffung von medizinischen Materialien an die Wirtschaft gewandt hat. Kann Porsche helfen?
Das Land Baden-Württemberg hat eine Krisen-Taskforce ins Leben gerufen. Ich habe Ministerpräsident Winfried Kretschmann als Antwort auf seine Bitte um Mithilfe geschrieben, dass wir das Land bei der Organisation der Taskforce unterstützen wollen. Berater von Porsche Consulting können dabei ebenso helfen wie die IT-Spezialisten unserer Tochter MHP. Zum Beispiel, Prozesse zu strukturieren und koordinieren, wo was benötigt wird und welches Unternehmen dafür ein passendes Angebot hat. Das bieten wir natürlich kostenfrei an.
Können Sie auch bei der Materialbeschaffung helfen?
Wir klären gerade mit der Landesregierung, welche Komponenten konkret benötigt werden. Das geht von Schutzbrillen bis hin zu Beatmungsmasken. Bei hochspezialisierten Medizinprodukten muss man die gesetzlichen Auflagen und Zertifizierungen beachten. Die Führung muss hier bei den Spezialisten aus der Medizintechnik liegen, die dann Aufträge an die Autoindustrie delegieren. Unsere 3D-Drucker stehen auf jeden Fall zur Verfügung. Wir haben in einem ersten Schritt bereits Schutzbekleidung aus unseren Beständen an die Landesregierung weitergeleitet. Und wir beteiligen uns gemeinsam mit unserem Mutterkonzern Volkswagen an der Beschaffung weiterer Ausrüstung in großem Umfang insbesondere aus China. Zudem müssen wir darauf achten, dass wir über den medizinischen Bereich hinausschauen und erkennen wo gerade unsere Hilfe gebraucht wird.
Was meinen Sie damit?
In diesen Krisenzeiten spüren viele Tafeln schmerzhaft, dass sie kaum mehr Lebensmittelspenden erhalten. Darum verdoppeln wir unsere Spenden an die Tafeln, damit sich Menschen dort weiterhin mit Lebensmitteln versorgen können.
Was heißt verdoppeln in Zahlen?
Wir unterstützen die Tafeln an unseren Standorten in diesem Jahr mit 200.000 Euro. Darüber hinaus haben wir insbesondere den karitativen Einrichtungen das Angebot gemacht, Fahrzeuge mit Fahrern zur Verfügung zu stellen. Zum Beispiel für Fälle, bei denen es einen Engpass beim Transport von Hilfsgütern oder Personen gibt. Wir haben zudem das Spendenvolumen der Porsche AG um fünf Millionen Euro aufgestockt. Mit dem Betrag werden lokale Organisationen und Menschen unterstützt, die durch die Corona-Krise in Not geraten. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter packen aber auch persönlich und ehrenamtlich bei den karitativen Organisationen an unseren Standorten an.
Das kann nur freiwillig erfolgen, oder?
Natürlich. Ich habe viele Mails und Fragen von Kolleginnen und Kollegen erhalten, die sich einbringen wollen. Wir haben das nun über unsere internen Medien kanalisiert und Listen von Organisationen an unseren Standorten in Baden-Württemberg und Sachsen veröffentlicht, die Hilfe benötigen. Unsere Mitarbeiter können sich hier einbringen. Wir haben beispielsweise unter unseren Beschäftigten eine ganze Reihe von ausgebildeten Sanitätern. Diese Menschen werden jetzt natürlich dringend benötigt, teilweise geht es aber auch um die reine Arbeitskraft. Ich würde diesen Impuls übrigens gern auch an alle Leserinnen und Leser aussenden: Alle Menschen können entsprechend ihrer Talente mithelfen, diese Krise bestmöglich zu meistern.
Die Corona-Krise stellt auch Porsche vor viele Herausforderungen. Wie schaffen Sie es, nebenbei solche Hilfsprogramme auf die Beine zu stellen?
Mit Herzblut. An erster Stelle stehen die Menschen. Das gilt generell, aber vor allem in dieser Krise. In zweiter Linie kommen alle anderen Hausaufgaben. Unser Krisenstab kommt jeden Tag virtuell zusammen und kümmert sich zum einen um unsere Hilfsangebote und bespricht zum anderen die Belange von Porsche. In jeder Krise liegt auch eine Chance. Und ich beobachte derzeit, dass unsere Gesellschaft zusammenhält. Jeder versucht, dem anderen zu helfen. Alle besinnen sich gerade auf das Wesentliche, und jeder überlegt sich, was wirklich wichtig ist im Leben. Diese Erfahrungen können wir aus der Krise mitnehmen, sie können unser Zusammenleben prägen und alle können davon profitieren.
Info
Text erstmalig erschienen in der Stuttgarter Zeitung.
Das Gespräch führte Anne Guhlich.