Das Absatzminus von Porsche liegt in diesem Jahr bei 15 Prozent. Wie sind Sie bislang durch die Krise gekommen?
Oliver Blume: Die Corona Krise fordert uns massiv. Trotzdem sind wir vergleichsweise robust unterwegs. Zu Jahresbeginn waren unsere Porsche Zentren in China geschlossen. In Europa und den USA zeitversetzt ab März. Deshalb gingen die Auslieferungen in diesen Regionen zeitweilig im hohen zweistelligen Prozentbereich zurück. Wir haben die gleiche Situation wie alle anderen Automobilhersteller. Uns hilft jetzt, dass wir umfangreich in neue Produkte und Innovationen investiert haben. Jüngste Beispiele sind der neue 911er, das Cayenne Coupé oder der Taycan, unser erster rein elektrischer Sportwagen. Unsere Marke ist in den letzten Jahren noch emotionaler geworden. Das verschafft uns Rückenwind.
Gab es spezielle Veränderungen während des Lockdowns?
Blume: Ja, die gab es. Unser Anspruch war es, die Krise systematisch und verantwortungsvoll zu managen. Wir haben früh reagiert und unmittelbar einen Krisenstab ins Leben gerufen - schon als Corona in China sichtbar wurde. In täglichen Runden ging es vor allem darum, unser Geschäft bestmöglich auszurichten. In allen Aspekten. Vom Kunden gedacht, über die Produkte bis zu den Prozessen. Dabei haben wir uns vom ersten Tag an auf die Fahne geschrieben, diese Zeit aktiv als Chance zu nutzen – um am Ende noch stärker herauszukommen.
„Was macht Porsche aus, was ist uns wirklich wichtig. In einer Krise wird schnell deutlich, wie stabil und flexibel ein Unternehmen aufgestellt ist.“ Oliver Blume
Und wie geht das?
Blume: Wir konzentrieren uns auf das Wesentliche. Was macht Porsche aus, was ist uns wirklich wichtig. In einer Krise wird schnell deutlich, wie stabil und flexibel ein Unternehmen aufgestellt ist. Wir haben umfangreich an unserer Kostenstruktur gearbeitet und darüber unseren Break-Even weiter verbessert. Zudem haben wir die Möglichkeiten digitaler Methoden noch stärker genutzt. In der Kommunikation, in der Zusammenarbeit, aber auch bei digitalen Erlebnissen für unsere Kunden. Alle diese Erfahrungen wollen wir nachhaltig in die Zukunft tragen.
Heißt das vielleicht, dass Sie durch diesen Corona-Schub eine Rendite in Richtung 20 Prozent erreichen?
Blume: Nein, das schafft selbst Porsche nicht. Wir haben immer gesagt, dass 15 Prozent Umsatzrendite ein ehrgeiziger Maßstab sind. In den vergangenen Jahren lagen wir darüber. In diesem Jahr sind die 15 Prozent durch die Corona Effekte nicht möglich, das ist heute schon klar. Trotzdem ist es unser Anspruch, das gesteckte Renditeniveau in der Folge schnell wieder zu erreichen. Dabei werden uns auch unsere elektrifizierten Modelle wie der neue Taycan helfen. Ich gehe davon aus, dass das Leben nach der Krise bewusster wird und es einen deutlichen Schub für die E-Mobilität geben wird.
Kommt man als Premiumhersteller wie Porsche besser durch die Krise als eine Volumenmarke?
Blume: Nicht unbedingt. Es ist leicht gesagt, dass sich unsere attraktiven Sportwagen immer gut verkaufen - weil sich unsere Kunden darüber Träume erfüllen. Zu unseren Kunden gehören aber auch Unternehmer, die jetzt vor wirtschaftlichen Problemen stehen und einen Autokauf zurückstellen. Volumenmarken spüren hingegen den Rückgang im Flottengeschäft, etwa bei Geschäftsfahrzeugen oder Autovermietungen. Alles hat sein Für und Wider. Entscheidend sind beherzte Entscheidungen, ein geschlossenes Team-Work und die richtigen Weichenstellungen für die Zukunft.
Was gilt dann speziell für Porsche?
Blume: Dass wir uns um die Bedürfnisse jedes einzelnen Kunden kümmern. Uns hilft dabei unsere starke Marke: Gerade in Krisenzeiten vertrauen Menschen starken Marken, weil sie auch beim Auto Stabilität und Werte suchen. Nehmen Sie den 911er – ein Sportwagen, der sehr viel Sympathie ausstrahlt; oder den Taycan, der wie kein zweites Auto auf dieser Welt sowohl die Zukunft als auch eine traditionsreiche Herkunft in sich vereint.
Spüren Sie regionale Unterschiede? Wie sieht es in China, wie in den USA aus?
Blume: In China haben wir den Einbruch zu Jahresanfang deutlich zu spüren bekommen. Mittlerweile hat der Markt wieder angezogen, wir sind fast wieder auf dem Niveau von 2019. In Japan und in Südkorea sieht es ebenfalls recht gut aus. Die Entwicklung wichtiger asiatischer Märkte ist positiv.
Was macht Europa?
Blume: Einige Märkte waren sehr stark von Corona betroffen. Großbritannien, Spanien, Italien und Frankreich zum Beispiel. Diese Länder brauchen Zeit, um auf ein vergleichsweise normales Niveau zu kommen. Auch Deutschland muss sich erst wieder erholen.
Zu den USA haben Sie noch nichts gesagt.
Blume: Dort ist die Entwicklung volatiler. Wie sich die Verkaufszahlen entwickeln, hängt sehr stark von den einzelnen Regionen ab und wie es gelingt, die Pandemie einzudämmen. Porsche ist in den USA stark an der Ost- und an der Westküste vertreten.
Der Lockdown in New York muss Sie doch getroffen haben.
Blume: New York ist für uns eine starke Verkaufsregion. Der Lockdown hat unser Geschäft nahezu zum Erliegen gebracht. Uns hilft eine große Fangemeinde in den USA. Unsere Marke ist dort sehr stark, die Amerikaner mögen Porsche – und das schon seit Jahrzehnten. Das ist in einer solchen Krise sehr hilfreich. Zudem gibt es auch in den USA einige Regionen, die nicht so stark betroffen sind. Übergeordnet haben wir bei Porsche den Vorteil, dass wir weltweit gut aufgestellt sind. Dadurch lassen sich regionale Schwankungen besser ausgleichen.
Gibt es Veränderungen bei Porsche, die sich aus der akuten Krisensituation heraus ergeben haben?
Blume: Wichtig ist eine positive Grundeinstellung. Mit diesem Pulsschlag haben wir alles auf den Prüfstein gelegt. Jeder Euro an möglichen Ausgaben ist hinterfragt worden: Brauchen wir das wirklich? Dieses Vorgehen hat unsere Liquiditätsposition gestärkt. Zudem haben wir aus den vergangenen Jahren eine gute finanzielle Stabilität.
Haben Sie neue Modelle gestrichen?
Blume: Klares nein. Von Beginn an war es unser Ziel, keine Modelle zu streichen. Wir haben stattdessen überlegt, was sich vielleicht zeitlich etwas strecken lässt. Also die Schrittfolge zu ändern. Es wird einige Anpassungen geben, die am Markt aber nicht sonderlich spürbar sein werden. Diese Eingriffe waren nur ein Teil eines großen Programmes der letzten Monate. Wichtig sind uns aber gerade jetzt auch Investitionen in die Zukunft. Allein in neue Technologien planen wir 15 Milliarden Euro in den nächsten fünf Jahren.
„Wichtig ist eine positive Grundeinstellung. Mit diesem Pulsschlag haben wir alles auf den Prüfstein gelegt.“ Oliver Blume
Wie ist das alles intern im Unternehmen abgelaufen?
Blume: Wir haben mit voller Transparenz agiert, eine klare Strategie verfolgt, systematische Schritte eingeleitet und die Mannschaft eng eingebunden. Wir konnten unserer Belegschaft die Zuversicht geben, das Unternehmen sicher durch die Krise zu steuern. Gesundheit und sichere Arbeitsplätze standen für uns im Vordergrund. Gleichzeitig war jedem klar, dass jeder seinen ganz persönlich Beitrag beisteuern muss. Erfolg ist Teamarbeit.
Welche Rolle spielt die interne Kommunikation dabei?
Blume: Eine Große. In der akuten Krisenphase hat es von mir wöchentliche Videobotschaften gegeben, in denen ich die aktuelle Lage eingeordnet habe. Zudem haben wir täglich Informationen im Intranet aufbereitet. Kommunikation hatte und hat einen zentralen Stellenwert. Jeder im Unternehmen muss auf Ballhöhe sein. Information, Orientierung und Nachvollziehbarkeit sind entscheidend. Ich selbst war jeden Tag im Betrieb. Für mich ist das ein wichtiges Signal an die Mannschaft. Der Kapitän eines Schiffs muss zu jeder Zeit an Bord bleiben.
Noch einmal aus Kundensicht gefragt: Wird man Verschiebungen im Vertrieb zu spüren bekommen?
Blume: Ja. Das lässt sich leider nicht vermeiden. Wir mussten die gesamte Produktion für sechs Wochen ruhen lassen, an diesem Fakt kommt niemand vorbei. Gerade unser europäisches Lieferantennetzwerk war stark betroffen. Diese sechs Wochen merken wir natürlich. Es kommt zu Terminverschiebungen, die wir so klein wie möglich halten wollen. Die lange Produktionsunterbrechung versuchen wir nun aufzuholen. Unsere Fabriken arbeiten wieder mit Vollgas.
Lassen Sie die Werksferien ausfallen?
Blume: Nein. Wir brauchen die Ferien, um den Produktionsstart neuer Modelle vorzubereiten. Davon weichen wir auch jetzt nicht ab. Aus technischen Gründen ist diese Vorbereitungszeit notwendig. Außerdem halte ich es für wichtig, der Mannschaft eine verdiente Pause zu geben, um die Batterien im Urlaub wieder aufzuladen.
„Unsere Fabriken arbeiten wieder mit Vollgas.“ Oliver Blume
Porsche wird mit einem blauen Auge aus der Coronakrise herauskommen?
Blume: Ich würde nicht von einem blauen Auge sprechen. Wir sind wie jedes andere Unternehmen von Corona getroffen worden. Wir haben in der Krise Erfahrungen gesammelt, die wir in die Zukunft übertragen wollen. Die Digitalisierung hat einen enormen Schub bekommen. Unsere Meeting-Kultur ist effizienter geworden. Ich glaube sogar, dass uns die Krise im positiven Sinn auch menschlich und organisatorisch prägen wird. Ich denke immer in Chancen.
Gibt es für Sie einen anderen wichtigen Punkt aus der Zeit der Coronakrise?
Blume: Wir haben vom ersten Tag an nicht allein an Porsche als Wirtschaftsunternehmen gedacht, sondern auch an unsere Rolle und Verantwortung in der Gesellschaft. Was können wir für Menschen tun, die in eine Notlage geraten sind. Wie können wir die Länder unterstützen, in denen wir vertreten sind. Am Anfang stand eine Bedarfsanalyse, wo konkret Hilfe benötigt wird. Daraus ist das Programm ‚Porsche hilft‘ entstanden. Zum Beispiel haben wir Baden-Württemberg und Sachsen bei der Organisation der Krisenstäbe mit Projektmanagern und IT-Experten unterstützt.
Gibt es noch andere Beispiele?
Blume: Die genannten Bundesländer haben keine Beschaffungsorganisationen, um dringend erforderliches Schutzmaterial zu besorgen. Das haben wir mit unserer weltweiten Organisation übernommen. Dabei ging es um Artikel in einem hohen dreistelligen Millionenbereich. Zudem haben wir unsere Spendenaktivitäten weltweit umfangreich erweitert. In Deutschland beispielsweise haben wir Tafeln bei der Versorgung mit Lebensmitteln geholfen. Und mit Spenden zahlreiche Krankenhäuser und wohltätige Organisationen unterstützt. Übrigens auch privat. Viele Porsche Kollegen haben sich ehrenamtlich engagiert. Es geht uns dabei um die Grundeinstellung: Wir sind auch in Krisenzeiten für Menschen da.
Sie sind auch VW-Konzernvorstand. Wie sehen Sie die jüngsten Konflikte in Wolfsburg um Vorstandschef Diess?
Blume: Wir haben mit Corona bewegte Monate hinter uns. Gleichzeitig befinden wir uns in einer großen industriellen Transformation mit Elektrifizierung und Digitalisierung. In diesem Prozess gibt es natürlich Reibungspunkte, auch im Volkswagen-Konzern. Ich setze darauf, dass sich das Unternehmen auf seine Stärken besinnt, denn davon gibt es viele. Je besser das gesamte Team zusammenspielt, desto besser meistern wir gemeinsam diese Herausforderungen.
Zum Schluss: Wie stehen Sie zum Tempolimit auf deutschen Autobahnen? Wäre ein generelles Tempolimit von 130 Stundenkilometern eine vertretbare Einschränkung für die Autofahrer?
Blume: Ich bin gegen ein Tempolimit an Stellen, an denen man sicher fahren kann, ohne andere zu gefährden. Man sollte den Menschen diese Freiheit lassen. Ein Tempolimit wird häufig als Argument herangezogen, um die Zahl der Unfälle zu reduzieren. Die Unfallhäufigkeit auf bundesdeutschen Autobahnen ist drei bis vier Mal geringer als auf Landstraßen. Autobahnen gehören statistisch zu den sichersten Straßen der Welt.
Herr Blume, vielen Dank für dieses Gespräch.
Info
Text erstmalig erschienen im Handelsblatt.
Das Gespräch führte Stefan Menzel.