Die wachsende Verbreitung elektrischer Antriebe in Kraftfahrzeugen lässt die Nachfrage nach Batterien stetig steigen. Es wird erwartet, dass sich der Marktanteil von Elektro- und Hybridfahrzeugen von weniger als 10 Prozent im Jahr 2018 auf mehr als 90 Prozent im Jahr 2050 erhöht, während sich die Anzahl der jährlich produzierten Pkw weltweit im gleichen Zeitraum verdoppelt. Damit der enorme Bedarf an Batterien gedeckt werden kann, steigt die in Gigawatt gemessene Fertigungskapazität im gleichen Zeitraum Prognosen zufolge auf das Siebzehnfache.
LG Chem, dem Börsenwert nach die Nummer vier unter den Chemiekonzernen weltweit, blickt auf mehr als 20 Jahre Erfahrung auf dem Batteriemarkt zurück. Im Jahr 2018 errichtete das Unternehmen die größte europäische Produktionsstätte für Lithium-Ionen-Batterien für Elektroautos. Das Werk nahe Wrocław (Breslau) in Polen ist vier Mal größer als Gigafactory 1 von Tesla in den USA. Hier entstehen auf mehr als 50 Fertigungsstraßen sowohl einzelne Batteriezellen als auch Komplettbatterien für die europäischen Automobilhersteller. Allerdings muss sich LG Chem trotz der guten Wachstumsaussichten ständig neu auf die sich rasant wandelnden Marktbedingungen einstellen. Will man mit den beispiellosen Nachfrage- und Wachstumsraten Schritt halten, so bedarf es einer kontinuierlichen Optimierung von Prozessen und Abstimmungen mit den Erstausrüstern.
Unerlässlich: die Steuerung komplexer Abläufe
Sowohl die Fertigung selbst als auch die Abstimmung zwischen Zulieferern und Erstausrüstern sind komplex. Ein anschauliches Beispiel dafür ist die Herstellung von Pouch-Zellen. Diese leichten Zellen durchlaufen 15 Fertigungsschritte mit mehr als 1.500 festgelegten Prozessparametern, bevor sie das Werk nach strengen Qualitätskontrollen verlassen. Kunden wie etwa Volkswagen stellen für ihre Marken sehr spezielle Beschaffungsrichtlinien und konkrete Anforderungen unter anderem an die Freigabe neuer Produkte auf, die von den Lieferanten einzuhalten sind.
Mit der Errichtung des Werks in Polen beschritt LG Chem daher Neuland. In dem Bestreben, sowohl eine reibungslose Inbetriebnahme als auch eine rationelle Produktion zu gewährleisten, beauftragte LG Chem Porsche Consulting mit begleitenden Maßnahmen in der Anlaufphase. Nach eingehenden Analysen wurde deutlich, dass man die Batterienachfrage durch eine Ausweitung der Produktion ohne zusätzliche Kapazitäten würde decken können, wenn die Instandhaltung der technischen Anlagen optimiert würde. „Mit dem Instandhaltungskonzept von Porsche Consulting können wir die Produktion um 14 Prozent steigern“, sagt Kyong Deuk Jeong, Präsident von LG Chem Wrocław Energy.
„Wir wollen die grüne Fabrik der Zukunft erschaffen.“ Kyong Deuk Jeong, Präsident von LG Chem Wrocław Energy
Maßgeblich für die erfolgreiche Entwicklung des Werks, dessen Produktionskapazität auf mehr als 100 GWh ausgeweitet werden soll, war die sorgfältige Steuerung des Produktionsanlaufs. Es kam darauf an, die Produktionszahlen zu steigern und gleichzeitig die Produktqualität zu gewährleisten. Eine weitere Herausforderung ergab sich aus der Notwendigkeit, die in Korea übliche Arbeitsweise auf die Methoden und Erfordernisse von Erstausrüstern wie etwa Volkswagen abzustimmen. Für LG Chem ist das Geschäft mit der Autoindustrie noch Neuland, erschwerend kamen sprachliche und kulturelle Unterschiede hinzu. „Wo sich ständig etwas ändert, ist gute Kommunikation unerlässlich“, sagt Jeong. „Kundensymposien und F&E-Netzwerke helfen uns, die Erfordernisse unserer Kunden zu verstehen und unser Produktportfolio entsprechend anzupassen.“ Diese Herangehensweise habe Früchte getragen. „Die erfolgreiche Einführung der Langzellentechnologie für den revolutionären Modularen E-Antriebs-Baukasten (MEB) von Volkswagen ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie unsere Zusammenarbeit mit Erstausrüstern eine weltweite Technologieführerschaft hervorbringt.“
Nachhaltigkeit und Innovation
Komplexität ist nicht die einzige Herausforderung, mit der sich LG Chem auseinandersetzen muss. Auch das Thema Nachhaltigkeit in seinen zahlreichen Facetten steht bei der Konzernführung ganz oben auf der Prioritätenliste. „Wir wollen nicht nur Akkus für Elektrofahrzeuge liefern, sondern noch einen Schritt weitergehen und die grüne Fabrik der Zukunft bauen“, sagt Jeong. Da die Erstausrüster in ihren Beschaffungsketten eine bessere CO₂-Bilanz anstrebten, stellten immer mehr Zulieferer auf erneuerbare Energiequellen um. „Zweite Priorität haben Sicherung und Ausbau unseres technischen Vorsprungs.“ Daher investiere das Unternehmen sowohl in eigene Forschung und Entwicklung als auch in Partnerschaften mit Anbietern zukunftsweisender Batterietechnik.
Das Coronavirus verändert alles
Der Ausbruch von Covid-19 blieb auch für LG Chem nicht ohne Folgen. Zunächst einmal mussten alle Abteilungen der neuen Gefährdungslage Herr werden. Regelmäßige Handhygiene, das Abstandhalten und das Tragen von Mund- und Nasen-Bedeckungen wurden zur Pflicht, die Arbeiten wurden dadurch jedoch nicht beeinträchtigt. „Unsere Beschäftigten haben sich vorbildlich verhalten und die neuen Regeln befolgt“, sagt Jeong. Allerdings kam es infolge logistischer Probleme und der Schließung von Zulieferbetrieben zu Verzögerungen beim Bezug wichtiger Produktionsmaterialien. LG Chem konnte diese Krisensituation dank ausreichender Lagerhaltung, eines ausgeklügelten Beschaffungswesens, eng geknüpfter Beziehungen und nicht zuletzt harter Arbeit und Kreativität bewältigen.
Eine größere Herausforderung stellte die Coronakrise für das Hochfahren der Produktion dar. Die Unterbrechung des Produktionsanlaufs und der entsprechenden Personalschulungen kam schlichtweg nicht infrage. Die Produktionsstraßen wurden in Südkorea gebaut und getestet und dann zur Montage nach Polen verschifft. Da das für den Aufbau vor Ort benötigte erfahrene Fachpersonal aus Südkorea während des Lockdowns nicht mehr nach Polen einreisen durfte, verlängerten die bereits anwesenden Experten ihren Aufenthalt. Ergänzend kamen digitale Instrumente für den Fernzugriff zum Einsatz.
Staatliche Anreize fördern Kaufbereitschaft
Durch den Lockdown und die damit verbundene geringere Kaufbereitschaft gab es natürlich bei der Autoindustrie auch Nachfrageeinbußen. „Offen gestanden, habe ich mich gefragt, was im Fall eines drastischen Nachfragerückgangs insbesondere in Europa aus der Batterieproduktion werden soll“, so Jeong. Zum Glück erwies sich diese Sorge als unbegründet. Die europäischen Länder, darunter auch Deutschland, stellten zusätzliche Kaufanreize für Elektrofahrzeuge bereit, um den Markt wieder in Schwung zu bringen. Schließlich lief nach einer Unterbrechung die Produktion bei den Erstausrüstern allmählich wieder an. Da LG Chem seine Fertigung jedoch nicht unterbrochen hatte, nahmen die Autokonzerne nun einen Teil der produzierten Batterien auf Lager.
Jeong zufolge ist LG Chem mit einem Anteil von 80 Prozent seit Januar 2020 Marktführer bei Batterien für Elektrofahrzeuge in Europa. Auch global belegt LG Chem mit einem Marktanteil von 24 Prozent den Spitzenplatz (Zeitraum Januar bis Mai 2020). Diese Erfolge erreichte das Unternehmen dank erheblicher Investitionen. Mittelfristig strebt LG Chem Profitabilität und die Sicherung der Marktführerschaft auf Grundlage enger Kundenbeziehungen an. „Mittel- bis langfristig wird der Elektroantrieb zweifellos den Verbrennungsmotor weitgehend verdrängen“, so Jeong. „Das eröffnet uns eine großartige Chance auf dem europäischen Markt und auch zum Vorantreiben technischer Neuentwicklungen wie etwa der kobaltfreien Batterie und der Feststoffbatterie, die mehr Sicherheit und höhere Leistung bieten.“
Auf einen Blick
LG Group
… wurde 1947 als Lucky Chemical Industrial Co. in Südkorea gegründet und beschäftigt heute 250.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zum Konzern gehören Tochtergesellschaften in den Bereichen Chemie, Elektronik, Telekommunikation und Dienstleistungen. Die Umsatzerlöse beliefen sich im Jahr 2019 auf 137,2 Milliarden US-Dollar.
Info
Text erstmalig erschienen im Porsche Consulting Magazin.