Emsig ackert die Menschengruppe mit ihren Schaufeln vor sich hin. Es ist der Tag vor dem GP Ice Race und eine der Schneebänke im Bereich der Streckeneinfahrt entspricht noch nicht den Vorstellungen.
Inmitten des umherfliegenden Schneestaubs gibt ein Mann die Richtung vor und erklärt den anderen nicht nur, wie er die obere Kante der Schneewand geformt haben möchte, sondern auch, wie sie diese seltsam anmutenden Schaufeln mit ihren langen Stielen bestmöglich einsetzen. Plötzlich knarrzt eine Stimme aus einem seiner Funkgeräte und er wird zum nächsten Einsatzort gerufen, um das nächste Problem zu lösen. Mit einem Lachen im Gesicht klopft Ferdinand „Ferdi“ Porsche den Kollegen noch schnell auf die Schultern, bevor er davoneilt.
Der 26-jährige Architekt hat offensichtlich viel jener Tatkraft geerbt, die auch seine berühmten Vorfahren auszeichnete – allen voran seinen Großvater, der einst einen gewissen Sportwagenhersteller gegründet hatte. Eben dieser Tatkraft ist es auch zu verdanken, dass das Eisrennen im vergangenen Jahr vor der alpinen Postkartenidylle des österreichischen Örtchens Zell am See sein Revival erlebte. Etwas später an diesem Abend, auf der von zahlreichen Prominenten besuchten Party des kalifornischen Porsche-Fanclubs „Luftgekühlt“, erzählt „Ferdi", wie in ihm die Idee für das GP Ice Race reifte.
„Das GP Ice Race ist das ,Baby‘ von meinem Freund Vinzenz Greger und mir“, erklärt Ferdinand Porsche. „Wir haben gemeinsam an der Universität Wien studiert und uns gefragt, warum sich nur wenige junge Leute unserer Generation so für Motorsport interessieren wie wir beide. Eines Tages, als wir zum Skifahren in Zell am See waren, fielen uns die Spikereifen am Porsche 550 meines Vaters auf: Das Auto kam früher bei Eisrennen zum Einsatz. Ich wusste zwar ein wenig über die Veranstaltungen, die dort vor vielen Jahren stattgefunden hatten – aber leider viel zu wenig. Auf jeden Fall war es für mich unverständlich, dass es Eisrennen seit vielen Jahren nicht mehr gibt.
„Schaut Euch nur mal um: Sogar ,Luftgekühlt‘ ist hier nach Zell am See gekommen." Ferdinand “Ferdi” Porsche
Wir haben zunächst mit Hans-Joachim Stuck und Richard Lietz darüber gesprochen und beide gefragt, wie aufwändig es wäre, diese Rennen wieder auszutragen, ob sich die Leute heute noch dafür interessieren würden und so weiter. Danach haben wir uns mit dem Bürgermeister, dem lokalen Tourismusbüro und dem österreichischen Motorsportverband getroffen. So führte eins zum anderen. 18 Monate später fand das erste GP Ice Race statt. Wir hatten nicht mit vielen Zuschauern gerechnet. Umso überraschter waren wir, als letztlich sogar mehrere Tausend kamen. Ich denke, die Motorsport-Community ist ziemlich gut vernetzt und immer auf der Suche nach neuen coolen Dingen.
Schon jetzt sind wir absolut begeistert von dem, was in diesem Jahr hier los ist. Schaut Euch nur mal um: Sogar ,Luftgekühlt‘ ist hier nach Zell am See gekommen. Die Teilnehmer pilgern aus der ganzen Welt in meine wunderschöne Heimatstadt, in der meine Familie seit vielen Jahrzehnten lebt. Einer ist sogar extra aus Neuseeland angereist!“
In den folgenden Tagen hat die diesjährige Ausgabe des GP Ice Race erneut gezeigt, warum so viele Menschen „Ferdi" zu Recht vertraut haben. Auf dem 600 Meter langen Schnee-Parcours schlitterten und drifteten zahlreiche Fahrzeuge über die 40 Zentimeter dicke Eisschicht – das abwechslungsreiche Starterfeld strotzte nur so vor interessanten, wunderschönen, historisch wertvollen und bisweilen einfach nur coolen Autos. Einige von ihnen zogen auf der abgesperrten Rennstrecke sogar Skifahrer hinter sich her und ließen damit die vergessene Kunst des Skijöring wieder aufleben. Darunter waren auch gleich zwei Porsche-Markenbotschafter: Der Le Mans-Teilnehmer Jörg Bergmeister hatte den norwegischen Ski-Olympiasieger Aksel Lund Svindal im Schlepptau (Professionelle Renn- und Skifahrer. Gesperrte Straße. Nicht nachmachen.).
Auch kostbare historische Fahrzeuge jagten zur Freude der Zuschauer beim GP Ice Race über die schneebedeckte Piste – und wenn Einheimische die rutschige Strecke unter die Räder ihrer Autos nahmen, die nur ein Bruchteil so teuer waren, brandete der Beifall mitunter noch lauter auf. Viele bekannte Rennfahrer absolvierten Demoläufe am Steuer einer ganzen Flotte des rein elektrischen Sportwagens Porsche Taycan Turbo S. Echte Rallye-Werksautos gingen ebenso an den Start wie viele andere moderne oder betagte Karossen, mal unheimlich wertvoll, mal nur mühsam von Klebebändern und Kabelbindern zusammengehalten. Egal wie: Das Publikum hat jeden gefeiert.
Denn nahezu ebenso faszinierend wie das Autospektakel auf der Schneepiste waren die 16.000 Zuschauer des diesjährigen GP Ice Race – ein bunter Mix aus unterschiedlichen Charakteren und Menschen, deren größter gemeinsamer Nenner ihr Enthusiasmus für alles ist, was auf vier Rädern rollt. Logisch, dass die beispiellose Kombination aus seltenen Fahrzeugen in Sammlerzustand und der pittoresken Kulisse der schneebedeckten Alpengipfel in Zeiten von Instagram & Co. für unzählige Selfies sorgte. Mit dem einsetzenden Sonnenuntergang erreichte auch die Party-Stimmung ihren Höhepunkt und der wummernde Sound des DJ verschmolz mit den kernigen Klängen der Verbrennungsmotoren in perfekter Harmonie.
Bereits jetzt adeln Zuschauer das GP Ice Race als eine Art „Goodwood Festival of Speed auf Eis“ – an dessen Spitze mit Ferdinand Porsche und Vinzenz Greger zwei detailverliebte, wahre Motorsport-Enthusiasten stehen. Sowohl im Hinblick auf die Anzahl der teilnehmenden Fahrzeuge und Gäste erinnert das Eisrennen tatsächlich an die frühen Jahre der berühmten Motorsportveranstaltung in Südengland, die 1993 zum ersten Mal stattfand. Doch das GP Ice Race spricht eine neue Generation von Motorsport-Fans an, denen die Party neben der Strecke und die Präsenz in den Sozialen Medien ebenso wichtig ist wie das Rennerlebnis.
Als studierten Architekten erfüllt es „Ferdi“ Porsche mit Stolz, wenn sich seine Ideen in Wirklichkeit verwandeln. Mit dem GP Ice Race hat er eine Veranstaltung mit den besten Chancen auf einen festen Platz im Terminkalender echter Motorsport-Fans kreiert.