Jock Zonfrillo ist wohl der letzte, den man auf einer Mission zur Erforschung der australischen Esskultur vermuten würde. Der stark tätowierte gebürtige Schotte nutzt einen Wortschatz so durchsetzt mit Kraftausdrücken, dass Gordon Ramsay neben ihm wie ein Grundschullehrer wirkt. Zonfrillo erscheint eher wie jemand, der sein Leben lang zum Geschirrspülen verdonnert wird, als wie der Chefkoch und Inhaber eines der berühmtesten Restaurants Australiens.
Doch der Schein trügt: Jeder, der mehr als fünf Minuten mit Zonfrillo verbracht und miterlebt hat, wie seine glühende Leidenschaft für Nahrung und Zutaten aus der Küche der australischen Ureinwohner und deren Kultur in nahezu sichtbaren Wogen aus ihm herausbricht, wird bestätigen, dass dieser Mann durch und durch authentisch ist. Da überrascht es auch nicht, dass wir ihn bei der Suche nach Kräutern inmitten eines scheinbar von Unkraut überwucherten Flussufers außerhalb von Adelaide in Südaustralien antreffen – eher die Arbeit eines tüchtigen Gärtners als die eines Kochs.
Zonfrillo verschwindet für einen Moment, sein Kopf taucht unter den brusthohen Pflanzen ab, bevor er sich mit einer ganzen Hand voll wilder australischer Minze (eine einzigartige Mischung aus Pfefferminze und grüner Minze), australischer Brunnenkresse (überraschend pfeffrig), zwei verschiedenen Arten Sauerampfer und einer bunten Mischung weiterer lokaler Kräuter wieder aufrichtet. Er winkt uns mit seiner Sammlung zu, mit einem breiten Grinsen im Gesicht.
„Das nenne ich mal einen Salat“, ruft er. Dieser unauffällige Fluss und der weitgehend unscheinbare Bewuchs entlang seiner Ufer scheinen so gar nichts mit dem eleganten Luxus von Zonfrillos berühmten Restaurant Orana im Zentrum von Adelaide zu tun zu haben. Gäste zahlen dort knapp 300 australische Dollar pro Person für ein 16-Gänge-Menü mit mehr als 40 heimischen Zutaten, von denen die meisten wohl noch nie gehört haben. Doch erstaunlicherweise sind die Speisen, die sie dort zu sich nehmen – zumindest zum Teil – identisch mit dem Grün, das Zonfrillo gerade in der Hand hält. Seit sechs Jahren arbeitet ein indigener „Lebensmittelsammler“ und Kulturberater in Vollzeit für das Restaurant und sammelt genau diese australische Minze und Brunnenkresse, die im Restaurant Orana serviert werden.
„Aber hier wächst das auch immer noch“, erklärt Zonfrillo. „Und das hat einen Grund: Wir kümmern uns darum. Wir nehmen nur das, was wir brauchen, und säen es dann wieder aus. Unser Team nimmt die Samen, lässt sie einen Tag lang trocknen und sät sie dann per Hand aus, in der Regel in Gebieten, in denen sie normalerweise nicht von selbst wachsen würden.“
Auf Luftaufnahmen kann man sehen, dass ein Großteil der sonnenverbrannten Mitte Australiens öde und leer ist, abgesehen von zahllosen Hektar trockener, roter Erde und der gelegentlichen Schar Kängurus. Diese Gegend ist so karg und unwirtlich, dass Filmemacher sie oft als ideale Kulisse für einen fernen, unbewohnbaren Planeten ins Auge fassen. Der Film „Pitch Black – Planet der Finsternis“ wurde beispielsweise in unmittelbarer Nähe des Orts Coober Pedy gedreht. Man fragt sich unweigerlich, wie irgendjemand, ja irgendetwas, in dieser rauen Unendlichkeit überleben, geschweige denn gedeihen kann.
Klar ist jedoch, dass auch hier, ähnlich wie bei Zonfrillo selbst, der Schein trügt. Mehr als 60.000 Jahre lang lebten die australischen Ureinwohner von den einzigartigen Gaben dieses Landes, die älteste noch existierende Zivilisation der Welt verwandelte die trockenen und staubigen Flächen dieses Landes in eine niemals versiegende Speisequelle.
Diese Geschichte kann und sollte fester Bestandteil der heutigen Esskultur des Landes sein, ähnlich wie dies in Italien oder Frankreich der Fall ist. Doch in Australiens moderner Küche findet sich praktisch kein Element seiner ursprünglichen Bewohner wieder. Lokale Zutaten wie Neuseeländer Spinat und Jilungin-Blätter wurden schon vor langer Zeit von Eisbergsalat aus Kalifornien und importiertem grünem Tee aus Japan verdrängt. Und auf der langen Liste der Dinge, die Zonfrillo wütend machen, steht das ganz oben. Dieser Mann spricht stets so direkt und unverblümt, als fehle ihm eine Art Diplomatie-Gen – mit einem wütenden Zonfrillo möchte man sich wirklich nicht anlegen.
Als er vor mehr als 20 Jahren in ein Flugzeug nach Australien stieg – ein Neustart nach einem Auf und Ab in London – war er überzeugt, dass er auf jeder Speisekarte australische Zutaten finden würde. Tatsächlich sah es jedoch anders aus. „Als Europäer, der nach Australien kommt, hatte ich mir immer ein Überangebot an Zutaten vorgestellt, von denen ich noch nie zuvor gehört hätte, einfach weil ich wusste, dass die australischen Ureinwohner zur ältesten noch bestehenden Kultur der Welt gehören“, erzählt er. „Ich hatte angenommen – was ziemlich naiv war, wie sich herausstellte –, dass hier alle Seiten fair miteinander umgegangen waren und es daher vielfältige Zutaten gäbe, die mir komplett neu wären.“
Als er ankam, stellte er jedoch das Gegenteil fest. „Es gab nur Schnitzel und Tintenfisch mit Pfeffer und Salz. Klar, gab es tolle Restaurants, ob nun französische oder japanische, aber wo waren die australischen Restaurants? So begann ich an der Oberfläche zu kratzen und fand schnell heraus, was das Problem war: das fehlende Miteinander zwischen Schwarzen und Weißen in Australien, der fehlende Respekt und die fehlende Anerkennung und Bereitschaft, etwas wertzuschätzen, das weltweit einzigartig und etwas ganz Besonderes ist.“
Doch erst bei seinem zweiten Besuch in Australien, dieses Mal ein dauerhafter Umzug, sollte eine zufällige Begegnung neben dem Sydney Opera House Zonfrillos Leben für immer verändern.
Er war ausgelaugt, war es satt, europäische Speisen in Edelrestaurants zu kochen. Seine ersten Erfahrungen mit indigenen Zutaten führten zu vernichtenden Kritiken und der Gefahr, plötzlich den Job zu verlieren. Doch dann traf er auf Jimmy, einen indigenen Straßenmusiker, der 2001 am Sydney Harbour Didgeridoo spielte. Zonfrillo hielt an, um kurz Hallo zu sagen. Vier Stunden später war er immer noch dort und lauschte.
„Ich weiß, es klingt irgendwie verrückt, aber so war es. Diese zufällige Begegnung hat mein Leben komplett verändert“, erzählt er. „Wir sprachen natürlich über alles Mögliche. Aber es dauerte nicht lange, und wir kamen auf das Thema Bush Food. Wir sprachen darüber, was die wahre australische Küche und Kultur ausmacht. Und plötzlich war alles anders.“
Aus diesem Gespräch nahm Zonfrillo eine Lebensaufgabe mit. Der Koch gab die Arbeit in der Küche auf und konzentrierte sich stattdessen auf den Import von Küchengeräten, um seine eigentliche Berufung zu finanzieren: Zeit auf dem Land mit Aborigines verbringen und dabei alles über die älteste Esskultur der Welt aufsaugen wie ein Schwamm. „So konnte ich es mir leisten, aufs Land zu gehen, diese Leute zu treffen und mit ihnen zu sprechen, statt in einer Küche festzuhängen“, sagt er. „Ich konnte also Neues entdecken, und das tat ich auch, bis ich 2009 nach Adelaide kam.“
Orana (was „Willkommen“ in einigen indigenen Sprachen bedeutet) eröffnete er 2013, doch sein Lieblingskind bleibt seine Orana Stiftung mit der zentralen Zielsetzung der Katalogisierung indigener australischer Zutaten und der Förderung ihrer Verwendung in Mainstream-Küchen. Zum besseren Verständnis der Bedeutung dieser Arbeit sei angemerkt, dass die australische Regierung ein eigenes Register indigener Zutaten führt, in dem 12 verschiedene Zutaten gelistet sind. Die Orana Stiftung hat bis dato mehr als 1.600 Zutaten katalogisiert und mehr Informationen über einheimische Speisen erfasst, als es jemals zuvor auch nur versucht wurde.
Ein Beispiel: die Bunya-Nuss, die auf einer einheimischen Kiefer kultiviert wird. Die Zapfen an sich sind riesige grüne Kugeln von der Größe eines Wasserballs (wenn man von einem herabfallenden Zapfen getroffen wird, kann dies angesichts des Gewichts von zehn Kilogramm tödlich enden). Jeder Zapfen enthält bis zu 100 Nüsse, die eine wichtige historische Proteinquelle der Ureinwohner von New South Wales und Queensland darstellen. In diesen Zapfen verbirgt sich ein wahrer Schatz für Restaurants, dessen Bergung jedoch einiges an Arbeit bedeutet.
„Zunächst lassen wir die Nüsse in der Schale trocknen, dann knacken wir sie und legen sie in Kombucha ein. Daraus wird eine Paste hergestellt, die mit Edelschimmel angereichert wird und etwa zwölf Tage fermentieren muss, bis sie aussieht wie Ziegenkäse. Dann schlagen wir Macadamia-, Cashew- und Sesamöl unter. So entsteht unser Bunya-Nuss-Frischkäse.“
Dies ist nur ein Beispiel für traditionelle Speisen, die einfach zubereitet und nahrhaft sind, und im Restaurant Orana Einzug halten. „Wir überlegen uns, wie wir die traditionsreiche Geschichte dieser Nuss erzählen und dem Gast gleichzeitig eine Speise mit Wiedererkennungswert servieren können, um ihn nicht zu überfordern. Gleichzeitig wollen wir dieser Nuss Respekt zollen, indem wir etwas Köstliches daraus zubereiten.“ Dies ist nur eine Zutat, und ihre Zubereitung zur Verwendung in einer Speise dauert jeweils rund zwei Wochen.
Zonfrillo verwendet für jedes Degustationsmenü 40 weitere Zutaten. Von Krokodil-Lardo an Baobab-Frucht bis hin zu kristallisiertem Baumharz, fermentiert mit Fruchtsaft: Auf Laien wirkt Zonfrillos Menü ebenso spannend wie furchteinflößend. Porsche Cars Australia ist stolz, Zonfrillo als Porsche-Enthusiast in seinen Reihen zu wissen.
Der Cayenne E-Hybrid passt perfekt zu der nachhaltigen Ausrichtung seines Restaurants und seiner Stiftung, bietet aber gleichzeitig die passende Kombination aus Leistungsfähigkeit, Flexibilität und Performance, um ihn von seinem Restaurant im Central Business District von Adelaide über die kurvenreichen Straßen der Adelaide Hills, in denen er wohnt, hinaus zum Goolwa Beach zu befördern. Dort, etwa zwei Stunden außerhalb der Stadt, fischt er dann mit einer indigenen Gemeinschaft nach Pipis (Herzmuscheln).
„Nachhaltigkeit ist unter Köchen schon sehr lange ein Thema. Es geht dabei um unser ganzes Tun, von der Abfallvermeidung bis zum Auto, das wir fahren“, erläutert Zonfrillo. „Ich habe diesen Wagen jetzt seit neun Monaten. Ich fahre jeden Tag damit zur Arbeit und wieder zurück, und ich musste erst zwei Mal Benzin nachtanken.“
Sein jüngstes Projekt ist das neue Australian Flavour Lab, sein eigenes Geschmackslabor, in dem Wissenschaftler und Köche gemeinsam an der Weiterentwicklung indigener Zutaten für weitere Verwendungszwecke sowie an der Erforschung neuer Geschmacksrichtungen, der positiven Wirkung auf die Gesundheit und wirtschaftlicher Möglichkeiten arbeiten werden. Er möchte die Geschichte indigener Speisen einer breiten Öffentlichkeit bekannt machen und wird sich als neuer Moderator der Kochsendung MasterChef Australia auch selbst diesem Ziel widmen.
„Für mich stehen wir mit der australischen Küche gerade am Anfang. Ich sehe es so, dass wir die erste Hürde genommen haben und nun den Aborigines und der Vielschichtigkeit ihrer Kultur und ihrer Küche Respekt erweisen können“, so Zonfrillo. „Wenn man diese Zutaten isst, weiß man: So schmeckt Australien. Man bekommt hier das beste spanische, italienische oder vietnamesische Essen; es ist hervorragend, genauso gut wie im Ausland. Aber wir haben hier auch Zutaten, die den Geschmack Australiens widerspiegeln. Zweifellos werden nach mir Köche kommen, die noch wesentlich Spannenderes aus indigenem Essen zaubern als ich, aber irgendjemand muss schließlich den Anfang machen.“
Info
Text erstmalig erschienen auf den australischen Marktseiten des Porsche-Magazins Christophorus, Nr. 395.