Wem ist das nicht schon einmal passiert: Batterien eingesetzt – und nichts geht. Muss nicht am Gerät liegen. Es kann auch schlicht der Fall sein, dass eine Batterie unbemerkt falsch herum eingesetzt wurde. Minus-Pol auf Plus-Anode – da fließt kein Strom. Bei gängigen Typen wie Mignon- oder Knopfzellen passiert schnell mal so ein Dreher. Ein 9-Volt-Block dagegen lässt sich mit dem dazugehörigen Steckersystem nur auf eine Art und Weise anschließen.

Dieses Prinzip nennt sich „Poka Yoke“, das auch bei SIM-Karten für Smartphones Anwendung findet: Die Karte kann nur auf eine einzige Weise ins Handy eingelegt werden. Auch Porsche wendet dieses Verfahren an und setzt in der Regel Bauteile ein, die nach dem Poka-Yoke-Prinzip konzipiert sind. Ein Fehler bei der Montage kann so gar nicht erst entstehen.

Digitaler Durchblick, 2020, Porsche AG
Wenn es darum geht, die Blechpakete für den Rotor eines Elektromotors zusammenzubauen, kommt das menschliche Auge an seine physikalischen Grenzen. Via VR-Brille zeigt die KI den richtigen Einbau – so kann der Monteur Fehler vermeiden.

Es gibt aber Bereiche, in denen diese Idee zur Fehlervermeidung nicht funktioniert. Zum Beispiel beim Elektroantrieb der Zukunft, an dem der Sportwagenhersteller arbeitet. Bei der Montage des Rotors werden Teile aus laminiertem Blech auf eine Welle gesetzt. Aus elektromagnetischen Gründen gibt es davon zahlreiche verschiedene Varianten mit kleinen geometrischen Unterschieden. Diese Unterschiede sind für das menschliche Auge nicht erkennbar. Wie lassen sich also Fehler bei der Montage vermeiden? Mit klassischem Poka Yoke kommt man hier nämlich nicht weiter.

Unterstützung holt sich das Unternehmen aus der digitalen Welt. Zusammen mit dem Startup Viscopic wurde eine Lösung für die E-Antriebsmontage entwickelt, bei der eine Künstliche Intelligenz beim richtigen Einbau hilft. Die Münchener sind auf sogenannte Mixed Reality spezialisiert. Als Experten in Sachen erweiterte Realität und CAD-basierte Vision-Systeme konzipieren und entwickeln sie Softwarelösungen für die industrielle Nutzung, erstellen Prototypen und werten reale Anwendungsfälle aus.

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Das Viscopic Computer Vision Setup vergleicht nach dem Scannen die Bilder mit den CAD-Originalen. Eine hochauflösende Kamera hilft dabei, die geometrischen Unterschiede der Bauteile zu erkennen. Mit dem CAD-Abgleich werden die passenden Teile ermittelt und an die Augmented-Reality-Software von Viscopic weitergeleitet.

Das Ziel der Partnerschaft: gemeinsam eine auf Computer Vision basierende Lösung für den Montagebetrieb entwickeln. Computer Vision ist ein Teilgebiet der Künstlichen Intelligenz und beschäftigt sich damit, Informationen aus visuellen Daten herauszuziehen. So ist es möglich, bestimmte Objekte in Bildern zu identifizieren und zu kategorisieren. Daraus wurde ein digitales Poka Yoke zur Unterstützung der Monteure entwickelt. Über AR-Brillen können die Monteure auf Anleitungen zur Bedienung und Fehlerbehebung zugreifen, die ihnen bei der Ausführung ihrer Tätigkeit helfen, ohne ihre Augen und Hände vom Produkt zu nehmen. „Die digitale Lösung, die uns Viscopic entwickelt hat, sichert uns aktuell in der Prototypenphase gegen Falschverbauten ab“, sagt Tobias Schmack, Technologieentwickler in der Planung E-Antriebe. Im Rahmen eines Startup-Autobahn-Projektes konnte die AR-Lösung innerhalb von nur hundert Tagen im Pilotcenter E-Antriebe integriert werden.

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Der Ansatz von Viscopic dient als universelles Werkzeug, das auf viele andere Komponententypen angewendet werden kann.

„Neben dem Prototypenumfeld prüfen wir aktuell den Einsatz der Technologie bei weiteren interessanten Anwendungsfällen“, so Schmack. Planer, Entwickler und Instandhalter müssen sich nicht mehr im selben Raum aufhalten, um gemeinsam an einem Projekt zu arbeiten oder unerwartete Fehler zu beheben. Hinsichtlich der Anwendung in Serienprozessen können Stichworte wie virtuelle Gebäude- und Anlagenplanung, virtuelle Inbetriebnahme und die Remote-Problemlösung in der Instandhaltung genannt werden.

Über Startup Autobahn

Seit 2017 ist Porsche Partner von Startup Autobahn. Anfang des Jahres wurde diese Partnerschaft um drei weitere Jahre verlängert. Startup Autobahn bildet eine Schnittstelle zwischen Branchenführern und jungen Technologiefirmen. Im Herzen der jeweils halbjährigen Programme arbeiten Unternehmenspartner mit Startups zusammen, um Technologien zu testen und ein gemeinsames Ziel zu erreichen: die produktionsreife Implementierung. Startup Autobahn ist dabei kein typischer Startup-Accelerator, sondern bietet ein gesamtes Ökosystem für erfolgreiche Zusammenarbeit. Das fügt sich nahtlos in die Programmatik von Porsche ein und schafft so alle Grundlagen für die Zukunft bei der Kooperation mit jungen Unternehmen.

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