Die von Funknetzen zu übertragenden Datenmengen steigen immer weiter an, vor allem durch die zunehmende Maschine-zu-Maschine-Kommunikation (M2M-Kommunikation). Im Automobilbereich gilt insbesondere das vollautomatisierte Fahren als Treiber dieser Entwicklung: Liegen die pro Stunde zu übertragenden Datenvolumina bei aktuellen hochvernetzten Fahrzeugen noch im Gigabyte-Bereich, werden es 2025 schon mehrere Terabyte sein.

5G-Netzwerke spielen eine entscheidende Rolle für den Umgang mit diesen großen Datenmengen, denn im Gegensatz zum 3G- und 4G- bzw. LTE-Funknetz wurde 5G speziell auf die Eigenschaften und den Leistungsbedarf der M2M-Kommunikation abgestimmt. So bietet das Netz eine viel höhere Datenrate von 20 statt bisher 1 GBit/s. Zudem wurde die Latenzzeit – die Spanne zwischen einer Abfrage und dem Eintreffen der Antwort – auf nur noch eine statt zehn Millisekunden verringert. Das bedeutet, dass Daten nahezu in Echtzeit übertragen werden. Für technische Anwendungen wie die Fernsteuerung von Robotern oder automatisierte Fahrfunktionen ist das ein entscheidender Faktor, da über eine leistungsfähige Echtzeitvernetzung im Systemverbund neue Funktionen realisiert werden können.

2019, Porsche Engineering

Allerdings würde der theoretische Zeitgewinn des 5G-Netzes bei einer klassischen Netztopologie mit zentralem Rechnerzentrum durch die zu langen Übertragungswege von und zu den Sendemasten wieder zunichte gemacht. Für minimale Latenzzeiten ist beim 5G-Netz daher eine dezentrale Lösung geplant, bei der jede Sendestation einen eigenen Rechner erhält, der Daten empfängt, verarbeitet und selbsttätig wieder aussendet.

Es bilden sich viele einzelne Mini-Datenclouds, sogenannte „Cloudlets“. Dieser Ansatz wird auch als Mobile Edge Computing bezeichnet, da sich Cloud und Rechner sozusagen am Rand des mobilen Netzes befinden. Darüber hinaus können die Maschinen im 5G-Netz bei Bedarf direkt miteinander und ohne den Umweg über eine Sendestation kommunizieren. Damit lässt sich die Übertragungszeit zusätzlich minimieren.

Weiterer Vorteil: 5G kann im Vergleich zu 4G eine viel größere Anzahl an Endgeräten pro Funkzelle versorgen. Dabei priorisiert das Netz die Anwendungen und passt die Übertragung – falls notwendig – auch der Auslastung an. Die Daten zeitkritischer Anwendungen werden schneller durch das Netz geleitet als andere Daten, etwa ein Videostream privater Nutzer.

Grundsätzlich müssen automatisierte Fahrfunktionen aus Sicherheitsgründen so konzipiert sein, dass alle während der Fahrt auftretenden Eventualitäten allein mit den fahrzeugeigenen Assistenzsystemen erfasst und beherrscht werden können. Das gilt sowohl auf Autobahnen und Landstraßen als auch in Innenstädten. In Grenzsituationen, beispielsweise bei schlechter Sicht oder in unübersichtlichen Verkehrssituationen, können ergänzende Informationen durch den Datenaustausch mit der Infrastruktur oder anderen Fahrzeugen – die sogenannte C2X Kommunikation – die Regelgüte der bordeigenen Systeme allerdings erheblich verbessern.

Komplette Wegstrecke berücksichtigen

„Die Sensorik des Fahrzeugs reicht aktuell nur maximal 300 Meter weit um das Fahrzeug herum. Mithilfe der Sensordaten anderer Fahrzeuge und der Infrastruktur können Informationen entlang der kompletten Wegstrecke berücksichtigt werden“, erläutert Jaime Arveras, Funktionsverantwortlicher Connected Car bei Porsche Engineering. „Fahrmanöver lassen sich dadurch viel besser an die Erfordernisse anpassen und Gefahrensituationen frühzeitig erkennen.“ Das eröffnet völlig neue Möglichkeiten für die Fahrerassistenz. Beispielsweise könnten Abbiegeassistenzsysteme mithilfe einer C2X-Anbindung schon vor dem Richtungswechsel erkennen, dass sich Fußgänger hinter der Einmündung auf der Fahrbahn befinden oder die Strecke durch einen Unfall blockiert ist.

2019, Porsche Engineering

In abgeschlossenen Räumen wie Parkhäusern macht die C2X-Kommunikation das sogenannte Automated Valet Parking möglich: Der Fahrer steigt im Eingangsbereich aus und übergibt das Auto der zentralen Parkplatzsteuerung. Sie fährt das Fahrzeug dann vollautomatisiert zur Stellfläche und bringt es später auch wieder zurück. Eine weitere Beispielanwendung auf Basis der C2X-Kommunikation wird derzeit erprobt: das koordinierte Fahren mehrerer Fahrzeuge hintereinander mit geringem Abstand. Dieses „Platooning“ nutzt den Windschatten besser aus und soll vor allem bei Nutzfahrzeugen durch Autobahn-Kolonnenfahrten den Kraftstoffverbrauch senken. Ohne schnelle Kommunikation ist das nicht möglich: Wenn ein Fahrzeug der Reihe bremst, muss das Signal ohne Verzögerung an die folgenden Fahrzeuge übertragen und dort automatisch eine Bremsung eingeleitet werden, um Auffahrunfälle zu verhindern.

„Beide Konzepte haben ihre spezifischen Vor- und Nachteile. Mittelfristig wird sich daher vermutlich zunächst einmal ein Hybridsystem etablieren, bei dem die Pfade redundant genutzt werden.“ Dominik Raudszus, Teamleiter Vernetzung und Testing am Institut für Kraftfahrzeuge der RWTH Aachen

Das 5G-Mobilfunknetz ist besonders gut für die C2X-Kommunikation geeignet, weil es einen schnellen, abgesicherten Austausch großer Datenmengen über weite Strecken ermöglicht. Als technische Alternative nutzen OEMs dafür auch den WLAN-basierten Standard ITS-G5. Für ihn spricht die vergleichsweise einfache Implementierung in die vorhandene Verkehrsinfrastruktur wie etwa Ampelanlagen. Zudem ist der Schnittstellenstandard definiert und reif für die Serieneinführung. So plant Volkswagen, neue Fahrzeugmodelle von 2019 an mit der WLAN-C2X-Kommunikation auszurüsten. „Beide Konzepte haben ihre spezifischen Vor- und Nachteile. Mittelfristig wird sich daher vermutlich zunächst einmal ein Hybridsystem etablieren, bei dem die Pfade redundant genutzt werden“, so Dominik Raudszus, Teamleiter Vernetzung und Testing am Institut für Kraftfahrzeuge (ika) der RWTH Aachen. Langfristig dürfte sich das kommende Mobilfunknetz allerdings gegenüber anderen Übertragungsarten wie WLAN durchsetzen.

„Die C2X-Kommunikation über 5G wird oftmals die heutige Abstimmung zwischen den Fahrern untereinander ersetzen, die durch Sensoren nicht abgebildet werden kann“, sagt Kai Schneider, der als Entwicklungsingenieur für Konnektivität bei der Porsche AG an 5G-basierten C2X-Konzepten arbeitet. „Das gilt beispielsweise für einen flüssigen und schnellen Einfädelvorgang auf der Autobahn. Für ein vollautomatisiertes Fahren auf hohem Komfortniveau, das sich reibungslos in den bestehenden Verkehr integrieren soll, kommt man an der Kommunikation zwischen den Fahrzeugen daher nicht herum.“

2019, Porsche Engineering

Aber selbst wenn noch keine vollautomatisierten Fahrfunktionen im Fahrzeug realisiert sind, lassen sich über die hohe Geschwindigkeit der 5G-Kommunikation neue Assistenzfunktionen realisieren. Zum Beispiel für mehr Überblick in unübersichtlichen Situationen, etwa wenn die Sicht auf den Gegenverkehr eingeschränkt ist. Ein vorausfahrender Lkw könnte dazu sein Videobild der Straße in Echtzeit auf das Display des folgenden Fahrzeugs übertragen. Dessen Fahrer würde anhand der Videobilder sehen, was weiter vorne los ist.

Ein branchenübergreifendes Bündnis treibt den Einsatz von 5G voran


Der Einsatz der 5G-Technologie für das automatisierte Fahren wird von einem branchenübergreifenden Bündnis aus Telekommunikationsanbietern, Automobilherstellern und Forschungsinstituten im Rahmen unterschiedlicher Projekte untersucht. „Nur im Zusammenspiel verschiedener Technologien und mit Partnern im und um das Auto herum kann das Fahrzeug vorausschauend fahren, Gefahren frühzeitig erkennen und uns effizient von A nach B bringen“, so Dr. Johannes Springer, Leiter 5G Programm Automotive bei der Deutschen Telekom. Eine der größten nationalen Initiativen ist das Projekt „5G-ConnectedMobility“, an dem sich Ericsson, die BMW Group, die Deutsche Bahn, die Deutsche Telekom, Telefónica Deutschland, Vodafone, 5G Lab Germany (TU Dresden), die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) und die Bundesnetzagentur (BNetzA) beteiligen. Auf der A9, Deutschlands offiziellem „Digitalen Testfeld Autobahn“, wurde dazu ein Testnetzwerk installiert. Darüber hinaus existiert eine Vielzahl kleinerer Einzelprojekte. So hat Vodafone beispielsweise das Aldenhoven Testing Center der RWTH Aachen mit einem 5G-Forschungsnetz ausgestattet. Die Telekom wiederum betreibt unter anderem ein 5G-Testnetz in Hamburg und am Lausitzring. Zusammen mit dem Streckenbetreiber DEKRA hat sie dort auf 545 Hektar Fläche das europaweit größte Testfeld für automatisierte Fahrfunktionen aufgebaut. In Nardò widmet sich Porsche Engineering gemeinsam mit unterschiedlichsten Herstellern der Weiterentwicklung des Testgeländes in Bezug auf die Erprobung vernetzter Fahrfunktionen.

Im Vergleich zum 3G- und 4G-Netz arbeitet der aktuell in Deutschland vorgesehene 5G-Standard mit höheren Frequenzen von 2 und 3,6 GHz. Mit ihnen können größere Datenraten übertragen werden, physikalisch bedingt haben sie jedoch eine geringere Reichweite. Für den Netzaufbau müssen darum sehr viel mehr Sendemasten als bei 3G und 4G installiert werden. Er wird – sofern nicht vom Gesetzgeber zur Umsetzung der notwendigen Netzabdeckung vorgegeben – von den Netzbetreibern anhand der lokalen Anforderungen gesteuert: Wo ein großer Datenaustausch erforderlich und es wirtschaftlich sinnvoll ist, installieren sie Basisstationen. Für das automatisierte Fahren wird ein ultraschnelles Hochleistungs-Datennetzwerk entlang der Verkehrswege entstehen (an Autobahnen sowie Bundes- und Landstraßen und in Innenstädten).

2019, Porsche Engineering

Die Lizenzen zur Nutzung der 5G-Funkfrequenzen wurden in Deutschland Anfang 2019 versteigert. Der Erlös soll einem Investmentfonds für den Ausbau der digitalen Infrastruktur zugutekommen. Nach aktueller Zeitplanung sollen 2020/2021 die ersten 5G-Funkzellen in Deutschland ans reguläre Netz gehen. Der weitere Ausbau wird dann bedarfsorientiert erfolgen. In den USA wollen erste Anbieter bereits 2019 5G-Angebote für Endkunden vorstellen. Die erste Frequenzauktion in den USA wird aber voraussichtlich erst 2020 abgeschlossen sein. Eine internationale Vorreiterrolle beim 5G-Netzausbau nimmt China ein: Die Volksrepublik verfügt einer Studie von Analysis Mason zufolge derzeit über mehr als 350.000 Mobilfunkmasten, die 5G-Kommunikation unterstützen – zehnmal mehr als die USA. Laut aktuellem Fünfjahresplan will die Regierung bis 2020 400 Milliarden US-Dollar für den Ausbau des 5G-Netzes investieren. Um die internationale Kompatibilität von 5G-Komponenten gewährleisten zu können, müssen weltweit verbindliche Normen gelten. Auch hier wurde ein wichtiger Meilenstein schon genommen: Im Juni 2018 sind erste 5G-Standards vom zuständigen Gremium Third Generation Partnership Project (3GPP) verabschiedet worden.

Um die internationale Kompatibilität von 5G-Komponenten gewährleisten zu können, müssen weltweit verbindliche Normen gelten. Auch hier wurde ein wichtiger Meilenstein schon genommen: Im Juni 2018 sind erste 5G-Standards vom zuständigen Gremium Third Generation Partnership Project (3GPP) verabschiedet worden.

Zusammengefasst

Vor allem das automatisierte Fahren wird dazu führen, dass im Verkehr immer größere Datenmengen übertragen werden. Das neue 5G-Mobilfunknetz spielt hier eine Schlüsselrolle: Es ist speziell für die Maschine-zu-Maschine-Kommunikation ausgelegt und weist Latenzzeiten von nur noch rund einer Millisekunde auf. Durch 5G werden auch neue Fahrerassistenzsysteme möglich, etwa Überholassistenten, die das Videobild vorausfahrender Fahrzeuge nutzen.

Info

Text: Richard Backhaus
Fotos: Florian Müller

Text erstmalig erschienen im Porsche Engineering Magazin, Nr. 1/2019

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Verbrauchsangaben

Taycan Turbo S (2023)

WLTP*
  • 23,4 – 22,0 kWh/100 km
  • 0 g/km
  • A Klasse

Taycan Turbo S (2023)

Kraftstoffverbrauch* / Emissionen*
Stromverbrauch* kombiniert (WLTP) 23,4 – 22,0 kWh/100 km
CO₂-Emissionen* kombiniert (WLTP) 0 g/km
CO₂-Klasse A