„Luft kam einfach aus dem Nichts – ich habe die erste Veranstaltung in Venice Beach besucht, und dabei handelte es sich um nur zwölf Autos bei mir zu Hause um die Ecke, auf dem kleinen Parkplatz eines Restaurants. Ich weiß nicht mehr, ob die Marken, die damit verbundenen Personen oder aber die ausgewählte Klientel die Exklusivität so stark betonten, aber sie haben irgendwie diese perfekte Nische besetzt.“
Mit einem ausgebleichten T-Shirt bekleidet und in die Sonne von Los Angeles blinzelnd versucht Matt Farah, Autojournalist und Social-Media-Star, genau festzustellen, warum sich Luftgekühlt weltweit zu einem Phänomen entwickelt hat, kann sich aber nur schwer konzentrieren. Als die sechste Veranstaltung dieser Reihe vor der unvergleichlich coolen Kulisse des Parkplatzes der Universal Studios beginnt, versammeln sich um ihn herum massenweise Liebhaber luftgekühlter Autos, um einen Blick auf seinen von Leh Keen designten 911er „Safari“ aus dem Jahre 1987 zu erhaschen.
„Luft“ hat sich in nur fünf Jahren zu einem der meistgefragten Treffen von Fahrzeugliebhabern entwickelt – und die aktuelle Ausgabe bewegt sich noch einmal in völlig neuen Dimensionen. Jeff Zwart, Patrick Long und Howie Idelson (bei den beiden letzteren handelt es sich um die Mitbegründer der Veranstaltungsreihe) haben sich erneut zusammengetan. Und diesmal konnten sie mit den Bühnenbildern einiger der bekanntesten Hollywood-Filme aufwarten. Die alte Tankstelle aus dem Film „Zurück in die Zukunft“ wurde in eine Ära-getreue Porsche-Werkstatt umgewandelt, auf der Anzeigetafel des Western-Kinos in Downtown New York sind Name und Datum der Veranstaltung zu lesen.
Der Rahmen macht allerdings nur ein kleines Stück des Zaubers dieser Veranstaltung aus. Zwart fügt als preisgekrönter Filmregisseur noch eine beträchtliche Dosis hinzu. Ob er nun den legendären 935 von Paul Newman vor einer mondänen Innenstadtkulisse präsentiert oder einen 934 Turbo, lackiert in Orange, auf die Stufen eines braunen Backsteingebäudes stellt: Zwart, die Legende von Pikes Peak, ist dafür verantwortlich, jedes Fahrzeug perfekt zu positionieren.
„Für mich besteht das ultimative Kompliment darin, eine Menge dieser Szenen aufzustellen, dann aber keine Gelegenheit zu haben, diese zu fotografieren. Aber wenn ich dann morgen bei Instagram schaue, dann sehe ich exakt die Aufnahmen, die ich auch gemacht hätte. So dankt man mir“, sagt Zwart.
Es ist leicht zu verstehen, warum die Teilnehmer so wild darauf sind, anderen Enthusiasten ihre Begeisterung zu zeigen. An jeder Ecke überkommt einen das Gefühl, in eine Szene von Gran Turismo zu stolpern. Überall erblicken die Besucher noch nie zuvor gesehene Exemplare, wie beispielsweise den 356 RSR von Rod Emory: ein Einzelstück eines 356 Doppelturbos, der besser in die „Mad Max“-Reihe passen würde als auf den gepflegten Rasen einer Oldtimerausstellung.
Emory, ein bekannter Porsche-Schrauber aus dem Süden Kaliforniens, gibt bereitwillig zu, dass sich an seinen Kreationen die Geister scheiden. Aber die sich scharende Menge bemerkt die Vielzahl exquisiter Details, wie die Sonderanfertigungen der Felgen mit Zentralmutter sowie das vom 935 inspirierte Heck: Ein Betrachter nach dem anderen macht ihm für seine Kreation Komplimente. Diese Reaktion mag jene in Erstaunen versetzen, die sich vornehmlich auf traditionellen Oldtimertreffen tummeln. Aber Emory erläutert, dass die „persönliche Note“ am eigenen Fahrzeug in der Sportwagenszene von Kalifornien stets zum guten Ton gehörte.
Und als wollte er dies noch besonders betonen, steht um die Ecke noch eines der auffälligsten Autos der Ausstellung – eine von den Gunter Werks aufgelegte Neuinterpretation des Porsche 993 (intern als 400R bekannt). Peter Nam, der Gründer und Geschäftsführer der Tuning-Werkstatt aus dem Süden Kaliforniens erläutert die Motivation hinter dem Projekt: „Das Team wollte einmal sehen, wo man heute mit dem 993 wäre, wenn Porsche diesen noch bis 2019 produziert hätte.“
Das Ergebnis ist eine vollständig aus Karbonfaser gefertigte Karosserie, ein luftgekühlter 4,0-Liter-Motor mit 430 PS und ein vollständig überarbeitetes Fahrwerk. Selbst die Scheinwerfer sind aus Aluminimum-Vollmaterial gefräst, um ein paar Gramm einzusparen. Wie jemand aus der Menge der Zuschauer bemerkte: „Als wäre ein Monet auf einem iPad gezeichnet worden – wirklich Klasse“.
Weiter entlang der Route ändert sich die Szenerie rasch von einer geschäftigen Metropole hin zu einer verschlafenen mexikanischen Kleinstadt: die Kulisse von „Das A-Team“, „Knight Rider“ und „Saving Mr. Banks“ wird plötzlich mit Dutzenden von pulsbeschleunigenden Porsche neu belebt. Genau hier, umgeben von einer Reihe markanter Safari-Porsche (911 mit höhergelegtem Fahrwerk, inspiriert vom symbolträchtigen 959 Safari) lässt sich erkennen, wie tief die Nische der Luftgekühlt-Enthusiasten eigentlich ist. Einige Besitzer — wie beispielsweise Jeff Gamroth — setzen ihre Fahrzeuge im Motorsport ein, wie beim Geländerennen Baja 1000. Andere wiederum, wie unser Freund Farah, sehen darin das „perfekte Auto für L.A.“.
Wenn man imstande ist, die schönen Autos und lebensgroßen Dioramen einmal außer Acht zu lassen, so gerät die ungeheuer entspannte Atmosphäre in den Vordergrund. Besitzer von echten Klassikern sind in Gespräche mit den Eigentümern von Einzelstücken vertieft, mit einer Leica bewaffnete Fotografen machen Platz für Teenager mit Smartphones, die ihre Social-Media-Profile mit den sich bietenden Motiven füllen möchten; Damen und Herren, Jung und Alt halten sich fast ausnahmslos an die unausgesprochene Kleiderordnung der Luft-Events, bestehend aus T-Shirt, weißen Turnschuhen und Basecap. Neben der Kleidung vereint sie aber auch ihre Überzeugung, dass alle luftgekühlten Porsche ungeachtet ihrer Herkunft oder ihres Zustands Respekt verdienen.
„Mein Lieblingswort ist ‚Happening‘“, sagt Long, während er stolz über die Menge vor ihm blickt. „Wir besuchen alle eine Automobil-Veranstaltung nach der anderen, ungeachtet dessen, ob wir nun im Journalismus tätig oder Rennfahrer sind. Aber wenn es ein Happening ist ... dann ist das Gemeinschaftsgefühl stärker. Es ist für jeden ein bisschen was dabei.“