Knockhill Racing Circuit, Schottland – Vereinigtes Königreich. Marino Franchitti geht in die Knie und legt seine Hände auf den Asphalt. „Zu Knockhill habe ich eine tiefe Verbindung“, erzählt der der gebürtige Schotte mit italienischen Wurzeln. „Zum ersten Mal habe ich hier einen Rennwagen pilotiert“, ergänzt der 41-Jährige. „Und ich bin hier zum ersten Mal ins Kiesbett gebrettert“, wirft sein Bruder Dario mit einem Lachen dazwischen.
Über diesen kleinen Crash kann er schmunzeln, vielleicht auch, weil ein weitaus folgenschwerer Unfall längst hinter ihm liegt. 2013 war das, in der IndyCar-Serie. Nach erfolgreichen Meisterschaftsläufen in der DTM und der NASCAR startete Dario 1997 in der IndyCar-Serie, deren Meisterschaftstitel er in den folgenden Jahren vier Mal gewann. Im Anschluss entschied er drei Meisterschaftsläufe der Indianapolis 500 für sich.
„Zu Knockhill habe ich eine tiefe Verbindung.“ Marino Franchitti
In der Saison 2013, beim vorletzten Rennen in Houston, katapultierte ihn dann ein Rempler in die Luft und anschließend in den Fangzaun. Dario Franchitti überschlug sich mehrmals und verbrachte daraufhin mehrere Wochen im Krankenhaus. Er kam mit dem Leben davon. Franchittis Ärzte rieten ihm aufgrund der schweren Rücken- und Kopfverletzungen von einer weiteren Karriere als Profirennfahrer ab.
„Das war doppelt ärgerlich, denn noch im Frühjahr 2013 traf ich mich mit Porsche in Weissach und wir besprachen meinen kommenden Einsatz auf dem 919 in der LMP-Klasse“, so Dario.
„Es was wirklich hart, die Pläne mit Porsche nach meinem Unfall aufgeben zu müssen. Im Werksteam von Porsche fahren, Le Mans gewinnen... Welcher Rennfahrer träumt nicht davon?“, schwärmt Dario, der übrigens Rechtsbremser ist. Er ist einer der wenigen, die ihren Fahrstil beibehielten, obgleich in den meisten Fahrzeugen das Kupplungspedal verschwand.
Sein Bruder Marino, mit diversen Meisterschaftstiteln in der Tasche, nicht minder erfolgreich im Motorsport – und immer noch aktiv – nutzt die Pause und gibt Dario einen beherzten Klaps auf die Schulter. Er deutet auf den roten Sportwagen, mit dem sie beide an den Knockhill Circuit gereist sind.
„Den hast du gefunden, für Papa“, sagt Marino und legt seinen Arm um seinen Bruder. Wenn es ein Sportwagen-Virus bei den Franchittis gibt, dann ist dieses der 911, der Urtyp der familiären Porsche-Leidenschaft. Das G-Modell in Guards Red besaß der Vater als Dario fünf Jahre alt war und sein Bruder Marino zwei. "Es ist das erste Auto, an das ich mich erinnern kann. Mit ihm hat meine Liebe für Porsche begonnen", erinnert sich Marino Franchitti.
„Unsere Mutter erzählt, dass das Krankenhaus Vater anrief, um ihn zu informieren, dass sie in den Wehen lag. Am anderen Ende der Leitung hörte man dann aber nur Papa im Porsche schreien“, erzählt Marino. Die Brüder lachen. „Papa hat den Porsche 1982 allerdings verkauft, um mich bei meiner Rennfahrerkarriere zu unterstützen. Dafür bin ich ihm ein Leben lang dankbar“, sagt Dario stolz.
„Ich sah den 911 zufällig auf der Titelseite einer Automobilzeitschrift und verlor ihn von da an nicht mehr aus den Augen.“ Dario Franchitti
Die Finanzspritze des Vaters zeigte Wirkung. 1984, in Darios erstem Jahr im Rennsport gewann er die schottische Junior-Kart-Meisterschaft und im Anschluss auch die britischen Meisterschaften. „2009 haben wir den Porsche dann tatsächlich wiedergefunden“, erklärt Dario.
„Ich sah den 911 zufällig auf der Titelseite einer Automobilzeitschrift und verlor ihn von da an nicht mehr aus den Augen. Als er irgendwann zur Auktion stand, habe ich zugeschlagen. Wir haben ihn dann restaurieren lassen und ihn irgendwann Vater überreicht. Der war natürlich mehr als überrascht auf seinen ersten Sportwagen zu treffen. Mit diesem Porsche verbindet mich so viel. Als kleiner Junge setzte ich mich regelmäßig in der Garage hinter das Lenkrad des Elfers und träumte davon, einmal Rennfahrer zu werden“, schwärmt Dario.
Die beiden Petrolheads brennen für den Motorsport und für die Marke Porsche. Deswegen geht heute für beide auch ein kleiner Traum in Erfüllung, treffen sie doch gemeinsam für eine Testfahrt auf den Porsche 718 Spyder und Cayman GT4. Auf dem Knockhill Circuit, dem Racetrack ihrer Kindheit.
Zwei Runden später freuen sich die beiden auch schon wie zwei kleine Kinder: „Gemeinsam hier mit meinem Bruder auf dem Knockhill Racetrack mit diesen beiden Porsche zu fahren, ist schon mega“, ereifert sich Dario, der den Cayman GT4 gewählt hat. Dicht im Nacken sitzt sein Bruder im Spyder, der schon immer eine besondere Schwäche für Sportwagen ohne festes Dach hat.
Sie wechseln sich ständig ab. Mal führt der eine, mal setzt sich der andere an die Spitze. „Hier geht es nicht nur um PS. Die meisten Sportwagen haben zu viel Power für die Straße. Beim GT4 ist die Fahrphysik extrem gut ausgeglichen. Er ist so messerscharf abgestimmt, einfach genial. Ich bin begeistert. Habt ihr noch Platz auf der Bestellliste?“
Auch Marino ist voller Eifer für seine Version des 718. „Es gibt nicht eine Linie an dem Spyder, die mir nicht gefällt. Die reine Power, ganz ungefiltert dank offenem Himmel zu spüren, ist gigantisch“, schwärmt Marino. „Und das Dach ist auf Wunsch wieder ruckzuck oben. Gerade hier in Schottland nicht die schlechteste Option“, resümiert er mit einem Augenzwinkern.
Die Franchitti-Brüder genießen diese besondere Ausfahrt sichtlich. Später geht es noch durchs schottische Hinterland. Die Schlüssel zu den beiden Sportwagen geben sie nur ungern wieder ab. Zum Glück wartet der rote 911, mit dem alles begann, in nächster Nähe.
Info
Erschienen im 9:11 Magazin, Episode 13.