Ein wenig Motor-Voodoo ist natürlich auch dabei. „Die beiden mögen sich nicht”, sagt Nina Vetterli-Treml. „Darum parke ich sie nie nebeneinander. Der 911 findet das komplett unmöglich, dass da neuerdings noch ein Porsche 944 steht.” Sie muss schmunzeln über so viel Respekt vor dem Eigenleben ihrer Lieblinge. Aber man weiß ja nie.
Und so denkt man beim Besuch in einem Wiener Außenbezirk unweigerlich an Aufnahmen für ein Plattencover. Betongraue Atmosphäre, dunkle Retro-Sportwagen. Nur ein paar Sonnenstrahlen, die durch die Wellblechwände scheinen, hellen die düstere Atmosphäre ein wenig auf. Mit ihrem Gitarrenkoffer und den platinblonden Haaren passt Vetterli-Treml ausgezeichnet in dieses Szenario. Es ist zu ihrem Alltag geworden. „Ich spiele Bass, seit ich als 16-Jährige zum ersten Mal in einer Mädelsband ausgeholfen habe”, erzählt sie. „Später ist dann die Gitarre dazugekommen. Den ersten Porsche wiederum, einen gebrauchten 944 S2, habe ich mir zu Beginn des Studiums gekauft. Ich arbeitete damals parallel in einer Werbeagentur und dachte, ich könnte diesen Traum einfach mal verwirklichen.” Ein Wechselspiel zwischen PS und Heavy Metal, das sie stetig weitergeführt hat.
Vetterli-Treml ist seit dem Millennium unterschiedliche Modelle gefahren, vom 924 über den 944 Turbo bis hin zum 911, Baujahr 1980, mit angebautem Carrera-Heckflügel. Dabei ist sie keine typische Porsche-Sammlerin, ihre Garage kein Weihetempel. Sie hatte sich für die Fahrpraxis begeistert, kämpfte mit den Macken der betagten Fundstücke und lernte die Kompetenzen der örtlichen Spezialisten-Werkstatt kennen. Eine Leidenschaft, die Leiden schafft, wie sie mit einem Lächeln bilanziert. „Mir war damals klar, dass es ein Sportwagen sein muss. Und Heckantrieb. Ich habe mir auch diverse Exoten aus Italien angeschaut, doch bei Porsche hat mich letztlich die Alltagstauglichkeit überzeugt. Das sollte ja kein nettes Zweitwagen-Hobby sein. Wenn schon, dann auch richtig im Alltag. Und auf der Fahrt zur Uni war ein Quäntchen Vernunft durchaus angeraten.” Eine spontane Faszination für die ikonische Porsche-Form ist bei ihr hängen geblieben. „Schon als kleines Kind, bevor man viele Marken kennt, sieht man dieses Auto und sagt ›Porsche‹.”
In ihrer Wohnung, die auch ihre Kreativstube war, stehen aufgereiht auf einem Sideboard Bässe und E-Gitarren, darunter eine Flying V. Das Instrument der harten Rocker mit den charakteristisch abgewinkelten Flügeln. Daneben ein Schwarz-Weiß-Foto, das sie auf einem Musikfestival in Südkorea zeigt. Ihr Name steht da in lateinischen Buchstaben auf einem Blatt Papier, das an der Scheibe eines Busses pappt. „Wir haben damals im kleinen Zelt gespielt – vor 8.000 Zuschauern”, erinnert sie sich. Die Band heißt 69 Chambers. Ein Trio, das sie mit Drummer Diego Rappachietti und ihrem Exmann, dem Gitarristen und Produzenten Tommy Vetterli, betreibt. Sie sind keine Arenagrößen wie Metallica oder Slayer, sondern eine Gruppe, die von einem deutschen Independent-Plattenlabel vermarktet wird. Gefeiert werden 69 Chambers vor allem in Frankreich oder Spanien. „Unsere Fan-Basis in der Schweiz hingegen könnte größer sein”, meint sie nüchtern am Küchentisch in Wien, wo sie heute zeitweise lebt. Eine Schweizer Band mit Frontfrau in Österreich, die zwischen Donau und Zürichsee pendelt. Keine einfache Sache. Doch sie winkt ab. Nina Vetterli-Treml ist es gewohnt, unterwegs zu sein. Ein Leben auf Achse. Zwei Alben sind bisher erschienen, das dritte, „Machine” kam Ende Mai auf den Markt. „›Machine‹ ist eine Platte ohne Ballade oder musikalische Kompromisse. Ein typisches Ihr-könntuns- alle-mal-Album!”, erzählt sie.
Eine kleine Kunstpause erlaubt einen Bick auf ihre Motorbibliothek mit hohem Porsche-Anteil. „Für mich war es immer wichtig, auch die Hintergründe aller Modellreihen zu kennen. Wenn dir jemand mit Halbwissen daherkommt, ist es cool, wenn man sich auskennt”, sagt sie. „Ich war immer schon Autofan, meine Mutter wäre daran fast verzweifelt. Sie wollte mir klassische Mädchenspielsachen schenken. Puppen und so. Ich hingegen wollte Matchbox-Autos, habe sie erpresst beim Einkaufsbummel und in aller Öffentlichkeit so lange geweint, bis sie aufgab: Okay, du bekommst dein Auto!”
Aufgewachsen ist Vetterli-Treml in Südkorea und Singapur, der Vater ist Geschäftsmann. Nach ihrer Rückkehr in die Schweiz gehörte sie bald „zu den cooleren Leuten in der Raucherecke”. Beflügelt von den Konzerten mit ihrer rockenden Girlstruppe, wollte sie schließlich in Zürich Musik studieren. Doch das Konservatorium pflegte einen eher klassischen Lehrplan. „Dabei war mein Zugang zur Musik eine eher emotionale Sache, der wissenschaftlich-theoretische Zugang lag mir nicht”, sagt sie. Sie wechselte zur Publizistik, verbesserte ihre Gitarren- und Gesangstechnik im eigenen Proberaum und fuhr mit ihrem ersten Porsche 944 zu den Vorlesungen. Dem Crossover-Stil zwischen Alternative Rock, Grunge und Metal blieb sie treu. Schließlich schätzte sie Sänger Chris Cornell von Soundgarden genauso wie die Musik der ergrauten Helden Led Zeppelin oder Black Sabbath.
Auch ihr Leben hat Vetterli-Treml längst als Crossover ihrer Interessen angelegt. Die Metal- und die Auto-Szene befruchten sich zwar nur selten direkt. Doch aus beiden schöpft sie ihre Energie. Dabei geht es nicht um plakative Showeffekte oder Parkplatzgepose. Nur gelegentlich ist sie mit dem schwarzen Elfer zu den Konzerten von 69 Chambers gebraust. Mit ihrem Vater Hans Treml hat sie vor einigen Jahren ein Buch über „Schweizer im internationalen Automobilrennsport 1950 bis heute” veröffentlicht. Ein Standardwerk über legendäre Außenseiter. Startpunkt ihrer nächsten Karriere als Autojournalistin für verschiedene Tageszeitungen und das TV-Magazin „Tacho” im Schweizer Fernsehen. Anfangs wurde die Quereinsteigerin in der Branche misstrauisch abgecheckt. Nach dem Motto: Was will die denn? „Mittlerweile wissen alle, dass ich nicht bloß die Metal-Tante bin, sondern den Job ernst nehme.”
Vielleicht versöhnen sich der 911er und 944er in friedlicher Eintracht
In ihrer langen Porsche-Historie hat sich ein Kreis geschlossen. Vom 944 zum 944. „Ich bin ja fast zehn Jahre lang während der Elfer-Zeit keinen mehr gefahren”, sagt sie. „Seitdem hat sich einiges geändert: Früher musste man sich für ihn immer verteidigen, mittlerweile scheint das echt cool zu sein. Mir hat der zwiespältige Ruf gefallen. Genauso wie ich die blöden Sprüche über den 924 nur zu oft als nachgeplappertes Angebertum empfand. Um aufrecht 944 zu fahren, brauchte man damals immer etwas Mut. Ich habe mich quer durch die Fachliteratur geackert, um sattelfest argumentieren zu können. Mit einem Elfer hingegen war man immer auf der sicheren Seite. Risikoloses Image, allgemein anerkannt.”
Genau wie in der Popmusik geht es um Stil, Qualität und den entsprechenden Hype darum. Vetterli-Treml weiß das und redet souverän über die gebräuchliche 944-Standardlackierung „indischrot”, während sie stets schwarz oder zumindest anthrazit gesucht hat. „Die Maschine will bedient und auch mal geprügelt werden. Die 944er sind definitiv anders zu fahren als der Elfer”, lautet ihr Credo. Für eine spontane Landpartie steigt sie schließlich noch einmal in ihren 38 Jahre alten 911er. „Ich fahre ihn nicht mehr im Winter. Eine Vorsichtsmaßnahme, denn er hat mir stets treue Dienste geleistet. Auch in den Bergen”, erklärt Nina Vetterli-Treml. „Mittlerweile hat der Wagen fast 300.000 Kilometer auf der Uhr. Nach der Generalüberholung geht es demnächst zur Aufarbeitung der Karosserie. Diverse Roststellen und weitere unschöne Sachen müssen gemacht werden. Bei einem wirklich zuverlässigen Auto, das jetzt auch nicht mehr an Wert verliert.” Vielleicht versöhnen sich der 911er und 944er dann in friedlicher Eintracht in ihrer Wiener Wellblechhalle.
Info
Text erstmalig erschienen im Magazin Porsche Klassik "Sonderheft 70 Jahre Porsche Sportwagen".
Text: Ralf Niemczyk // Fotografie: Christian Grund
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