Der Durchboxer

Vom Lackierer zum stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden: Uwe Hück sorgt sich als Betriebsratschef von Porsche um die Belange der Arbeitnehmer. Für Gerechtigkeit zu kämpfen hat er früh gelernt.

In der kleinen Pforzheimer Schulturnhalle tummelt sich ein gutes Dutzend Jugendlicher. Die Luft ist stickig, Schweiß tropft auf den Boden. Satzfetzen mit unterschiedlichen Spracheinschlägen sind zu hören, unterbrochen von knappen Rufen und dem Geräusch dumpfer Schläge. Mitten in der Halle steht ein fast zwei Meter großer Hüne mit einem Kreuz wie ein Bär. Wenn andere Menschen nach Feierabend erschöpft im Fernsehsessel hängen, dreht Uwe Hück noch einmal voll auf. Als Thaiboxer, als Trainer, als Ansprechpartner. Vor allem aber als Vorbild. Wie wichtig das ist, weiß er aus eigener – leidvoller – Erfahrung.

Schwieriger Start

„Ich kann nicht von mir behaupten, einen guten Start ins Leben gehabt zu haben. Ich bin Heimkind und werde aller Voraussicht nach keine Chance im Leben haben.“ Es ist eine bittere Bilanz, die der junge Uwe Hück zieht. Dass er einmal Gesamtbetriebsratsvorsitzender und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Porsche AG werden würde, hätte damals niemand geglaubt.

Die Eltern des 1962 geborenen Stuttgarters sterben früh. Er wächst in Heimen auf, eckt schnell an. „Für die Heimleitung war ich wahrscheinlich nur noch ein schwer erziehbarer Sonderschüler, der es mit etwas Glück vielleicht noch zum Hilfsarbeiter bringen würde.“ Doch der Waisenjunge lernt schnell, sich durchs Leben zu kämpfen, seinen eigenen Weg zu gehen. Er schafft den Schritt von der Sonder- in die Hauptschule, überspringt prompt zwei Klassen. Mit 15 Jahren absolviert er eine Lehre zum Maler und Lackierer – und entdeckt seine erste Leidenschaft: das Thaiboxen.

Als Thaiboxer zu Porsche

Der Sport gibt ihm Halt. Und Selbstvertrauen. Den Gegner respektieren, ohne ihn zu fürchten. Sich diszipliniert an die Regeln der Kampfkunst halten. Trotz Härte stets fair bleiben. All das sind Grundsätze, die nicht nur im Ring gelten – sondern dem jungen Uwe Hück als Fundament seiner späteren Erfolge dienen. Zunächst auf sportlicher Ebene: Er wird zweifacher Europameister im Thaiboxen, bewirbt sich anschließend bei Porsche. Am 1. April 1985 stellt ihn der Stuttgarter Sportwagenhersteller als Lackierer ein.

Luan Krasniqi, Boxer, Uwe Hück, Betriebsratsvorsitzender (l.-r.), 2015, Porsche AG
Boxer Luan Krasniqi mit Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück (l-r)

Mit dem Job will Hück seine Karriere als Profisportler finanzieren, erkennt aber schnell, dass Porsche mehr ist als eine Zwischenstation. Auch zahlreichen Mitarbeitern fallen die Qualitäten ihres neuen Kollegen auf. Gerade einmal zwei Jahre im Unternehmen, wird Hück 1987 zum Vertrauensmann gewählt. Vor den Betriebsratswahlen 1990 wird ihm immer häufiger die Frage gestellt, ob er nicht kandidieren wolle. Er will – und wird gewählt. 1171 Stimmen entfallen auf den damals 28-Jährigen.

„Bald würde ich für jede Menge Menschen boxen“, blickt Hück in seiner 2012 im Campus-Verlag erschienenen Autobiographie „Volle Drehzahl“ auf seine Anfänge als Betriebsrat für die Porsche-Standorte Zuffenhausen und Ludwigsburg zurück. Schnell macht er sich innerhalb des Unternehmens einen Namen. Er qualifiziert sich weiter, wird Experte für Arbeits-, Tarif- und Sozialrecht.

Erfolgreiche Arbeit als Betriebsrat

Sein Fleiß wird belohnt. 1997 wird der 35-Jährige zum Betriebsratsvorsitzenden für Zuffenhausen und Ludwigsburg gewählt. Porsche hat inzwischen turbulente Jahre hinter sich: Sinkende Verkaufszahlen und steigende Verluste bedrohten zu Beginn der 1990er-Jahre die Existenz der Traditionsfirma. „Wir hatten zu lange im eigenen Saft geschmort“, erklärt Hück die Entstehung der Krise. Porsche reagiert: Prozesse und Abläufe kommen auf den Prüfstand, das Unternehmen wird komplett neu ausgerichtet. In jener radikalen Umbruchphase kommt jemand wie Hück, der offen und direkt Probleme anspricht und um Lösungen ringt, sehr gut an in der Belegschaft.

Am 27. März 1998 stirbt Ferry Porsche im Alter von 88 Jahren. Uwe Hück, der den modernen und verantwortungsbewussten Führungsstil des Unternehmensgründers in besonderem Maße schätzt, hält im Namen der Belegschaft die Trauerrede. „Ich wollte nicht an den herausragenden Techniker und genialen Konstrukteur erinnern, sondern an diesen faszinierenden Menschen und seine große soziale Verantwortung“, sagt Hück, der die Maxime Ferry Porsches verinnerlicht hat. „Gewinne erwirtschaften, um das Soziale zu verteidigen“ wird fortan zum zentralen Leitgedanken des Betriebsratschefs.

Wolfgang Porsche, Aufsichtsratsvorsitzender, Uwe Hück, Betriebsratsvorsitzender (l.-r.), 2015, Porsche AG
Aufsichtsratsvorsitzender Wolfgang Porsche mit Uwe Hück (l-r)

Mitte der 1990er-Jahre gelingt dem angeschlagenen Sportwagenhersteller die Trendwende – und anschließend ein kometenhafter Wiederaufstieg. Schon bald gilt Porsche als profitabelster Automobilhersteller der Welt. Und auch für Uwe Hück geht es weiter bergauf. 1998 wird er Mitglied des Aufsichtsrates der Porsche AG, 2002 Vorsitzender des Gesamtbetriebsrates, 2003 Vorsitzender des Porsche-Konzernbetriebsrates. Seit April 2010 ist er darüber hinaus stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates der Porsche AG, seit Dezember 2012 in gleicher Funktion im Gremium der Porsche Holding Stuttgart GmbH tätig. Fünf Jahre zuvor wurde er bereits stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Porsche Automobil Holding SE.

Mit dem Vorstand viel bewegt

In diesen Jahren hat Uwe Hück gemeinsam mit dem Vorstand sehr viel auf den Weg gebracht. Zum Beispiel die Entscheidung, den innovativen Supersportwagen 918 Spyder in einer Manufaktur in Zuffenhausen zu fertigen. Generell wird die Sportwagenproduktion im Stammwerk kontinuierlich effizienter und flexibler gestaltet, um die Arbeitsplätze bei Porsche langfristig zu sichern – eines der erklärten Ziele von Vorstand und Betriebsrat. Darüber hinaus werden die deutschen Standorte durch hohe Investitionen modernisiert und ausgebaut. Porsche wächst. Und ist nach wie vor äußerst profitabel.  

Umfangreich sozial engagiert

Bei allen Erfolgen, auch den persönlichen, hat der gelernte Lackierer eines niemals vergessen: Dass es Menschen gibt, denen es nicht so gut geht. Menschen, die keine Chance erhalten haben. Für sie macht sich Hück stark – durch eine ganze Reihe sozialer Projekte. So arbeitet er zum Beispiel ehrenamtlich als Gesamtvorstandsvorsitzender und Thaibox-Trainer des FSV Buckenberg – einem Sportverein aus Pforzheim, der sich vor allem der gesellschaftlichen Integration von Jugendlichen annimmt. Hück ist Botschafter der Bildungsfachmesse Didacta und der Anti-Rassismus-Initiative „Respekt!“ sowie Mitglied im Kuratorium der Kinderlandstiftung Baden-Württemberg. Im September 2013 gründet er eine eigene Lernstiftung.

Udo Lindenberg, Sänger, Uwe Hück, Betriebsratsvorsitzender (l.-r.), 2015, Porsche AG
Rockstar Udo Lindenberg mit Uwe Hück (l-r)

Ob Kindern und Jugendlichen aus sozial schwachen Verhältnissen, Menschen mit Migrationshintergrund oder seinen Kolleginnen und Kollegen von Porsche: Uwe Hück, der Durchboxer, hat eine beispiellose Karriere gemacht. Heute will er Anderen etwas zurückgeben von seinen Erfolgen – und den Mythos bewahren, der Porsche weltberühmt werden ließ. 

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